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Nach der WM sollen nun Völler und Kahn für Aufbruchstimmmung sorgen…

Rudi Völler ist nun in die Taskforce vom DFB berufen worden | Foto: wikipedia / 9EkieraM1 / CC BY-SA 3.0

Das ZDF verzeichnete bei der WM 2022 einen deutlichen Rückgang bei den Zuschauerzahlen – der Konsument hat sich dem Spektakel in Katar in großen Teilen verwehrt. Peter Hesse und Thommy Junga ziehen ihr WM-Fazit. Sie halten die FIFA für einen Verbrecherladen und glauben auch nicht so ganz der neuen DFB-Taskforce. Es wird noch lange schwierig bleiben, wenn es zukünftig um die Belange der Nationalmannschaft geht.

Peter Hesse: Zum WM-Ende resümierte 11Freunde-Autor Tim Jürgens im „Tagesspiegel“ wie folgt: „Dass eine WM künftig nie mehr in ein Land vergeben werden darf, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden, sollte bei der FIFA inzwischen jedem klar geworden sein. Katar ist der Höhepunkt einer enthemmten Vermarktung des Megaevents, die rein darauf abzielt, dem Weltverband größtmöglichen Profit in die Kasse zu spülen und das Produkt „WM“ so perfekt wie möglich zu verarbeiten. Wenn die großen Mitgliedsverbände – allen voran der DFB – nach diesem Sündenfall die FIFA nicht zum Umdenken bewegen, werden Fußball-Weltmeisterschaften wohl keine Kollektiverlebnisse mehr bescheren, und auch nicht mehr als gesellschaftlicher Kitt wirken, wie in der Vergangenheit auch hierzulande. Die Boykott-Bewegung in Europa hat gezeigt, dass Fans nicht mehr bereit sind, jede bizarre Entscheidung mitzutragen.“ Wie siehst du das?

Thommy Junga: Mein Konsum der Katarfestspiele beschränkte sich auf die ersten fünfzehn Minuten der Berichterstattung zum deutschen Auftakt. Ich wollte mir unmöglich die Armbinden-Rache der Enterbten entgehen lassen – und wurde ja auch nicht enttäuscht. Mein WM-Highlight. Was ich so mitbekommen habe, scheinen wir beide nicht viel verpasst zu haben. Die WM gilt ja auch immer ein wenig als Fachmesse der fußballerischen Innovation, dieses Jahr kam auf dem klimatisierten Feld häufiger wieder der lange Ball zum Einsatz. Na schönen Dank auch. Erleichtert darf man feststellen, dass die Protagonisten des Finals beide ihr Gehalt aus Katar beziehen. Mehr Harmonie zum Abschluss geht ja kaum.

Lionel Messi gehörte zu den auffälligsten Spielern dieser WM | Foto: wikipedia / soccer.ru / CC BY-SA 3.0

Peter Hesse: In der Geschichte des Fußballs findet man viele steile Thesen, die meistens nicht mehr sind, als aus dem Reich der anekdotischen Evidenz. So kommen weise Fußball-Reporter mit dem Gedanken in Kontakt, dass ein idealistisches Grundprinzip einer Mannschaft einem idealistischen Grundprinzip einer Gesellschaft gleichen könnte, dass alle denselben Regeln folgen müssen. Ist das nicht vollkommener Quatsch?

Thommy Junga: Ja, dieser Unsinn begegnet einem immer mal wieder. Da werden dann kulturelle Klischees mit sportlicher Attitüde verquickt bis der Beigeschmack unendlich fade wird. In der Vergangenheit gern mit asiatischen Teams und deren taktischer Disziplin, derzeit vergaloppiert sich der professionelle Spielbeobachter gern mal wieder mit dem Musketier-Credo, wenn die spielerische Qualität einer Mannschaft deutlich hinter der Laufbereitschaft hinterherdribbelt. Ich vermute das ist ein Auswuchs der Tatsache, dass heute selbst die Kommentatoren zu Hauptfiguren verklärt werden und mittlerweile gefühlt zwei Stunden durchlabern müssen. Dass die Öffentlich-Rechtlichen jetzt auch noch den Co-Kommentatoren entdeckt haben, macht die Sache nicht besser. Da wird eben alles verwurstet, was irgendwie der Idee gereicht, ein Querpass könnte mehr bedeuten. Marokko als Blaupause für uns alle bläst da in die gleiche Tröte. Da halte ich es mit Christian Streich und stelle den Ton mittlerweile auch mal aus und das empfehle ich auch unseren Tanten in Marokko.

Peter Hesse: Mit Oliver Bierhoff verlässt ein durchaus eitler Mensch den DFB, bei dem man sich mitunter des Gefühls nicht erwehren konnte, es ginge ihm nicht immer nur um die Sache, sondern bisweilen auch sehr um sich. Jetzt wurde ein Experten Gremium mit Völler, Sammer, Kahn, Minzlaff und Watzke. Der DFB ist schon ein Boomer-Konglomerat mit Alfred Tetzlaff-Goldkante. Warum ist das so?

Die „Schland“-Stimmung vergangener Tage hier im Hamburger Volksparkstadion. Archiv-Foto: Daniel Jentsch

Thommy Junga: Es hat etwas tragisch-komisches, wenn Völler und Kahn für Aufbruchstimmung und Innovation sorgen sollen. Matthias Sammer ist mir in den letzten Jahren auch eher nicht mit profunden Weisheiten aufgefallen, eher mit haltestellenphilosophischen Ausflügen. Ob ein ernster Gesichtsausdruck und grundsätzlich auf Grün zu bestehen, wenn alle anderen Rot sagen, reichen wird, um den deutschen Fußball auf Spur zu kriegen, da bin ich dann doch skeptisch. Ich finde aber unbedingt wichtig, dass mit Watzke und Minzlaff zwei absolute Marketingfachleute dabei sind. Ich finde das erfrischend ehrlich vom DFB, vierzig Prozent der Expertise im Kaufmännischen Einmaleins zu verorten. Man hat ohne Not gefühlt vier Tage nach dem Costa Rica-Spiel diese Taskforce gebildet und damit ein ABC-Pflaster für einen gebrochenen Rücken angeboten. Das ist das Reaktionsmuster einer Institution, die um ihrer selbst Willen die Zukunft auf Spiel setzt. Warum sollte der DFB-Funktionär auch besser sein als die anderen politischen Entscheider?

Peter Hesse: Argentinien ist Weltmeister geworden, weil sie eines der großen Geheimnisse des Fußballs auf eine faszinierende Art gelöst haben. Ist es alles nur mit der Hand Gottes, der Klasse von Messi und den Zigaretten von Luis Cäsar Menotti zu erklären?

Thommy Junga: Die argentinische Nationalmannschaft steht seit jeher für alle Facetten des Fußballs: für spielerische Klasse, für Mentalität und zuweilen auch zu viel des Guten, für Personenkult bisweilen an die Grenze des Nachvollziehbaren und das ganz große Drama. Die Albicelestes unter Scaloni vereinen das wieder seit guten zwei Jahren unter sich und es ist sicher kein Zufall, dass dieses eingespielte Team eine große Rolle im Turnier spielen konnte. Spannend wird die Zukunft des argentinischen Fußballs nach diesem dritten Titel sein, denn die großen Individualisten des Teams werden nun langsam aber sicher ihrem Alter Tribut zahlen müssen.

Asi-Erich war eine echte Schalker Milieutype – nun ist er verstorben | Foto: Pottoriginale

Peter Hesse: Montag vor einer Woche ist der Schalker Kult-Fan „Asi-Erich“ verstorben. Da er kein Geld für seine eigene Beerdigung hatte, haben Schalker Fans für ihn gesammelt und innerhalb weniger Tage knapp 15.000 Euro für sein Grab am schalker Fan-Feld gesammelt. Dort wird er nun neben Vereinslegenden wie Reinhard „Stan“ Libuda oder Meisterspieler „Ala“ Urban bestattet werden. Sogar viele BVB-Fans haben für „Asi-Erich“ Geld gespendet. Der Fußball schreibt doch immer noch die besten Geschichten, oder?

Thommy Junga: Ja, das ist rührend. Da ist der Fußballregion eine gleichermaßen schräge wie sympathische Figur verloren gegangen. Es zeigt sich in diesen Momenten, was der Fußball für die Menschen bedeutet, welchen gesellschaftlichen Zusammenhalt er bietet. Eine Strahlkraft, die viele Vereine ungenutzt lassen und durch kecke Marketingmoves ad absurdum führen. Aber bevor ich jetzt als Redenschreiber von Frank-Walter Steinmeier berufen werde, wünsche ich Dir und allen anderen ein schönes Weihnachten, freue mich auf den Boxing Day in der Premierleague und auf den Rückrundenauftakt im neuen Jahr. Denn Fußball ist immer noch wichtig.

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