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Neues in Sachen PFT. Nix ist gelöst. Uhlenberg greift nicht durch

Foto: Umweltministerium / Minister Uhlenberg (CDU) (links)

In den vergangenen Wochen habe ich weiter recherchiert in Sachen Perfluorierten Tensiden (PFT) in der Ruhr. Dabei kam raus, dass im vergangenen Jahr in der Bekämpfung der Ursachen der Giftverseuchung wenig passiert ist. Außer, dass schöne Worte gemacht wurden. Nach wie vor sind die PFT-Einleitungen aus den Kläranlagen des Ruhrverbandes nicht gestoppt. Aus Unterlagen, die mir vorliegen, geht zudem eindeutig hervor, dass die Verunreinigung des Trinkwasserflusses aus den besonders betroffenen Klärwerken nicht reduziert werden konnte. In einigen Klärwerken stieg der Ausstoß an PFT sogar an.

Der verantwortliche Ruhrverband und das NRW-Umweltministerium erklärten, die Gift-Konzentrationen in der Ruhr würden unterhalb der für das Trinkwasser geltenden Norm liegen. Aus diesem Grund sei die Belastung nicht relevant. Ein Sprecher des Ruhrverbandes sagt zudem: „Wollte man die ohnehin niedrigen Werte weiter verringern, stellen kommunale Kläranlagen nach einhelliger Expertenmeinung aus technischen und wirtschaftlichen Gründen einen denkbar ungeeigneten Ort zur weiteren Verminderung dieser Werte dar.“

Tatsächlich ist die PFT-Belastung der Ruhr für das Trinkwasser, das aus dem Fluss gewonnen wird, kein Problem, da die Versorger entlang der Ruhr ihre Anlagen entweder nachgerüstet haben, oder dies planen.

Gleichwohl ist die Verunreinigung der Ruhr mit dem Gift ein Umwelt-Problem, da PFT aus dem Wasser über Tiere und Pflanzen in den Nahrungskreislauf gelangt. Die Chemikalie wurde in Kühen und Fischen gefunden. Auch in dem Blut von Anglern und deren Ehefrauen wurde PFT in erheblichen Mengen entdeckt. Dies sei auf den Verzehr von belasteten Fischen aus der Ruhr und deren Zuflüssen zurückzuführen, heißt es in einer Studie. Im Trinkwasser gilt der Wert von 100 Nanogramm je Liter Wasser als unbedenklich.

Im Ruhreinzugsgebiet fallen besonders die Kläranlagen Rahmedetal, Werdohl, Wickede und Iserlohn-Baarbachtal wegen ihres PFT-Ausstoßes auf. Unabhängig von den PFT-Konzentrationen im Fluss liegen hier die täglichen Frachteinträge des Giftes entweder auf einem gleich bleibend hohen Niveau oder sind sogar im Verlauf des vergangenen Jahres wieder angestiegen. Im Klärwerk Wickede lag die PFT-Fracht, die in den Fluss abgelassen wurde, im Bezug auf die mittlere abgegebene Wassermenge bei mehreren Messungen im Januar zwischen 3,4 und 5 Gramm pro Tag. Im Sommer kletterte der Wert zeitweise auf über 7,5 Gramm. Im Herbst fiel der Wert auf 3,3 Gramm. In Iserlohn-Baarbachtal lagen die Messungen im Januar zwischen 4,5 und 7 Gramm pro Tag. Im September stiegen die Abflüsse in die Ruhr hier auf rund 30 Gramm an. Ähnlich ist das Bild in Werdohl. Im Januar lagen die Messungen zwischen 22 und 30 Gramm pro Tag. Im Juni stiegen die Werte zwischenzeitlich auf 58 Gramm, und fielen im September auf knapp über 35 Gramm pro Tag zurück. Die höchsten Werte wurden im Werk Rahmedetal gemessen. Im Januar lagen hier die PFT-Einträge zwischen 37 und 51 Gramm Gift pro Tag, im September wurden über 190 Gramm pro Tag gemessen. Einzelne Spitzenwerte lagen hier bei über 260 Gramm. Diese Liste läßt sich nahezu beliebig fortsetzen. Ich habe etliche duzend Messungen vorliegen. Über das ganze Jahr, über verschiedenen Perioden. Alles sehr detailliert.

NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg hatte im Dezember von Erfolgen im Kampf gegen die PFT-Belastung in der Ruhr gesprochen. Er sagte, im Rahmen des Projektes „Reine Ruhr“ sei es gelungen, bei rund 75 von 80 Betrieben Erfolge zu erzielen: Dort seien Maßnahmen gegen PFT-Einleitungen ergriffen worden. Allerdings wollte der Minister damals nichts darüber sagen, welche Menge Gift heute noch in die Ruhr gepumpt werden. So war damals keine Aussage möglich, ob auch tatsächlich die PFT-Belastungen drastisch gesunken sind.

Nach den nun vorliegenden Daten kann die Aussage des Ministers zumindest in Teilen bezweifelt werden. Bislang hatte der Minister immer behauptet, die PFT-Belastung der Ruhr sei vor allem auf Ausspülungen aus Felder zurückzuführen, die von einem kriminellen Unternehmer mit PFT-haltigen Klärschlämen verunreinigt wurden. Demgegenüber erklärte der Laborleiter des Ruhrverbandes in einer eidesstattlichen Versicherung, mindestens 50 Prozent des PFT in der Ruhr stamme aus den Klärwerken des Verbandes. In einem internen Bericht schrieb der Laborleiter zudem, es sei damit zu rechnen, dass der prozentuale Anteil der Klärwerke an der PFT-Belastung in der Ruhr weiter ansteigen werde, wenn die Ausspülungen aus den Feldern nachließen.

Ein Sprecher Uhlenbergs sagt heute: „Wie aus den öffentlich zugänglichen Daten ersichtlich ist, bewegen sich die PFT-Emissionen der Kläranlagen im Nanogrammbereich, von einem Anstieg des PFT-Ausstoßes kann nicht gesprochen werden.“ Bei seiner Aussage bezieht sich der Sprecher auf die Konzentration pro Liter, nicht auf die tägliche Dosis PFT für den Fluss. Weiter hieß es aus dem Ministerium, die Maßnahmen zur Reduzierung zielten auf die Verursacher ab. Hierbei handele es sich um eine Vielzahl von mittelständischen Betrieben. „Die Maßnahmen greifen.“

Tut mir leid, ich sehe das nicht.

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Reinhold Mainz, Balve
Reinhold Mainz, Balve
15 Jahre zuvor

Eine aktuelle Studie aus den USA (Universität Kalifornien, 28.1.2009) belegt, daß bereits bei relativ „normalen“ Konzentrationen von PFOA und PFOS aus der Stoffgruppe der PFC (=PFT) im Blut von Frauen ein negativer Effekt für die Fruchtbarkeit der Frauen meßbar ist. Vermutet wird ein vergleichbarer Effekt für Männer. Bei einer Mittelwertbetrachtung werden wir z.B. in Balve, wo wir seit dem 4.12.2008 PFC im Trinkwasser haben, in spätestens 4 Jahre solche Effekte bei Frauen messen können. Daneben belegen weitere Studien aus den USA einen linearen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Cholesterin- oder auch Harnsäurewert im Blut und erhöhten PFOA-/PFOS-Werten. Einige PFC reichern sich individuell bis über 30 Jahre im menschlichen Körper an; deshalb ist PFOS seit 2007 in der EU grundsätzlich in der Produktion verboten. Die weltgrößten PFOA-Hersteller haben in den USA eine freiwillige Vereinbarung mit der Regierung abgeschlossen, die Produktion nach und nach bis 2013 einzustellen. Hintergrund sind die gravierenden Folgen der PFC-Anreicherung, die in Tierversuchen beobachtet wurden („Langzeitversuche waren leider nicht möglich, da alle Versuchstiere zu früh verstarben“ –> Leberkrebs, Blasenkrebs ,…).
Die mittlerweile bereits „normalen“ PFC-Meßwerte im Blut der Bevölkerung geben jeden Anlaß, tunlichst eine weitere Belastung durch PFC zu vermeiden, damit es wegen der Anreicherung nicht zu einer weiteren Erhöhung kommt. Über Trinkwasser oder (in gleichem Umfang bereits ohnehin) über andere Nahrung aufgenomme PFC gehen etwa mit dem Faktor 1/100 ins Blut über.
PFC, insbesondere PFOS, werden in der Natur nicht abgebaut, sondern verbleiben im Kreislauf der Natur. Wildschweinleber sollte z.B. max. 1 Mal pro Jahr gegessen werden, wenn überhaupt noch.
Weiteres findet man in der englischsprachigen Wikipedia unter „PFOS“ oder „PFOA“.

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