Focus feuert Rüttgers-Kritiker

Wie wir heute erfahren haben, hat das Magazin Focus den Leiter des Düsseldorfer Büros, Karl-Heinz Steinkühler entlassen. Angeblich wegen betriebsbedingter Gründe. Steinkühler hatte sich in der Vergangenheit häufig durch Rüttgers-Kritische Berichte hervorgetan.

 Wie es heißt, hat der Focus die Leitung des Düsseldorfer Büros gestrichen. Die verbliebenen Mitarbeiter in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt sollen demnach in Zukunft direkt aus München kontrolliert werden. Steinkühler hatte in der Vergangenheit beispielsweise die E-Mail-Affäre der Staatskanzlei enthüllt. Dabei ist bekannt geworden, dass die Staatskanzlei direkt die Bespitzelung der Chefin der NRW-SPD, Hannelore Kraft, angeleitet hatte. Zudem hatte Steinkühler  die engen Kontakte zwischen dem WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach und Rüttgers-Staatskanzlei offenbart. Damals übte die Staatskanzlei massiven Druck auf den Focus aus und versuchte per Brief kaum verholen Steinkühler feuern zu lassen. Focus-Chefredakteur und Herausgeber Helmut Markwortdes hatte sich damals hinter Steinkühler gestellt. Jetzt kommt mit Wolfram Weimer ein neuer Chefredakteur zum Focus. Dessen Schwester arbeitet in Rüttgers Staatskanzlei. Vielleicht wurden jetzt der Druck auf den Focus aus Düsseldorf zu heftig.

In Kreisen des Düsseldorfer Landtags wird die Entlassung mit Sorge beobachtet. Sie wird als Versuch gewertet, kritische Berichterstattung Vorfeld der Landtagswahl im kommenden Mai weitgehend zu unterbinden.

Baumwolle aus Usbekistan, garantiert handgepflückt

Hemd, Hose, Unterwäsche, vieles von dem was wir täglich an- und ausziehen, ist aus Baumwolle gefertigt. Auch zu Weihnachten wird gerne ein Kleidungsstück, Hemd oder Socken, unter den Tannenbaum gelegt. Jedes Jahr kauft der durchschnittliche Bundesbürger einen Koffer voller neuer Kleidung. Aber woher stammt die Baumwolle für den Pyjama neben der Krippe?

Foto: Thomas Grabka

Im Oktober 2004 war ich in einem kleinen Dorf im Ferghanatal unweit der usbekischen Stadt Namangan. Ich stand auf der Zufahrtstrasse zu einem Schulgebäude. Es war gegen Nachmittag. Plötzlich kamen von allen Seiten Jungen und Mädchen. Sie waren zwischen acht und zwölf Jahre alt, und jeder von ihnen trug einen gefüllten Plastiksack. Die Kinder rannten in die Schule und wurden dort schon von zwei Lehrerinnen erwartet. Die usbekischen Pädagoginnen standen mit Turmfrisur auf dem Schulhof neben einem Hügel dreckiger Baumwolle und einer Waage. Jedes Kind, musste die Tüte ausleeren, die eingesammelte Baumwolle auf die Waage legen, und warten bis die Lehrerin hinter dem Namen einen Haken setzte. In dieser Schule wurden die Kinder nicht fürs Schreiben, Rechnen oder Singen benotet, sondern für die gepflückten Kilos flauschiger Feldfrucht, die sie anschleppten. Die Kinder mit den Plastiktüten vor der Schule in Namangan war kein journalistischer Zufallstreffer. Kinderarbeit bei der Baumwollernte gehört in Usbekistan zum Alltag. Die Kinder arbeiten jedoch nicht auf den Baumwollfeldern, um etwa das Familieneinkommen zu erhöhen, sondern weil der usbekische Staat sie von der Schulbank in die Felder zwingt.

Usbekistan ist der fünftgrößte Baumwollproduzent der Welt und drittgrößte Exporteur. Eine Millionen Tonnen Baumwolle werden knapp jedes Jahr angebaut und für eine Milliarden US$ auf den Weltmarkt verkauft. Doch die Farmer, die die Baumwolle anbauen, oder die Kinder, die sie einsammeln, haben nichts von dem Geld. Der usbekische Staat zwingt die Farmer Baumwolle anzubauen, und jedes Jahr einen Ernteplan zu erfüllen. Den usbekischen Bauern ist es nicht erlaubt die Baumwolle auf dem freien Markt zu verkaufen, sondern sie müssen sie zu festgesetzten Preisen an den Staat abgeben. Erst wenn der Plan erfüllt ist, haben die Usbeken das Recht mit anderen Feldfrüchten den Lebensunterhalt zu verdienen. Weigern sich die usbekischen Farmer oder erfüllen nicht die Norm, können die Repräsentanten des Staates ganz schon ruppig werden.

In diesem November wurde ein Fall bekannt, dass ein usbekischer Beamte, einen Bauern zwang ein Grab auszuheben und sich dort reinzulegen. Zudem hatte er noch einen Mullah ans offene Grab beordert, der das Totengebet sprach. Der Farmer hatte es gewagt, dass Baumwollfeld nach abgeschlossener Ernte umzupflügen und keine Zweitlese mehr durchgeführt. Der Usbeke durfte weiterleben, der Beamte filmte aber die Erniedrigung auf Handy und zeigte es den anderen Farmern als Warnung.

Dies ist kein Einzelfall. Ein Drittel der usbekischen Bevölkerung wird in die Baumwollproduktion gezwungen. Bei der Ernte greift der usbekische Staat auf Kinder und Studenten zurück. Aus Schulen und Universitäten wird die Jugend des Landes auf die Felder gezwungen. Die staatlich organisierte Kinderarbeit in Usbekistan ist seit langem bekannt und kaum zu verstecken. Aber Usbekistan ist ein geschlossenes Land. Journalisten werden verfolgt und eine unabhängige Berichterstattung ist kaum möglich. Jede Form des Protests wird mit aller staatlichen Gewalt unterdrückt. Im Mai 2005 schossen Panzerwagen in Andischan einen Volksaufstand gegen die staatliche Willkür zusammen. Aber 2007 gelang einem britischen Kamerateam ein Scoop, als sie sich trotz der harschen Akkreditierungsbeschränkungen nach Usbekistan reisen konnten. Auf Youtube kann man sich die Sendung von BBC Newsnight anschauen, und sehen, wie Kinder sogar von der usbekischen Polizei in die Baumwollfelder eskortiert werden. 

In Großbritannien löste der Bericht eine Debatte aus und einige Handelsketten haben sich entschieden, keine Kleidung mehr ins Sortiment zu nehmen, die aus usbekischer Baumwolle besteht. H&M und C&A verfügten, dass die Zulieferer garantieren müssen, dass bei der Herstellung der gelieferten Kleidung keine Baumwolle aus Usbekistan verwendet wird. „C&A bleibt bei dieser Politik, denn Usbekistan hat bis heute nicht überzeugend beweisen können, dass auf die Kinderarbeit tatsächlich verzichtet wird“, sagt der Unternehmenssprecher Thorsten Rolfes.

Die usbekische Regierung hat nach der Ausstrahlung des BBC Filmes erst dementiert und dann Konventionen unterschrieben, die Kinderarbeit bannen. Aber auch bei der Ernte 2009 gibt es massenweise Nachrichten aus dem Land, die davon berichten, dass Kinder weiterhin in die usbekischen Baumwollfelder getrieben werden. Fotos und Berichte werden von Journalisten aus Usbekistan in die Welt versandt, obwohl sie wissen, dass sie diese Berichterstattung unter Einsatz ihres Lebens und Gesundheit tun. Usbekistan ist mit knapp 10.000 Tonnen jährlich in Deutschland der Drittgrößte Importeur für Baumwolle. Bei der Bremer Baumwollbörse, dem Verband baumwollimportierender Unternehmen, ist das Problem der Kinderarbeit in Usbekistan bekannt, die Sprecherin Elke Hortmeyer erklärt, dass der Verband keinen Code of Conduct habe, da „der üblicherweise von den Unternehmen selbst aufgestellt wird. Die Handelsgeschäfte unserer Mitglieder können wir nicht beeinflussen“. Zu dem gibt Hortmeyer zu bedenken, dass die Textilindustrie in Deutschland auch nicht mehr zu groß sei und wenn Deutschland oder Europa sich weigerten usbekische Baumwolle zu kaufen, würden sich in China genügend Abnehmer finden.

Die Verantwortung bleibt so allein beim Kunden. Auf der Podiumsdiskussion der Welthungerhilfe “Is fashion immoral“ in Düsseldorf wurde Anfang Dezember der verantwortungsvolle Verbraucher beschworen. Es macht Sinn vor dem Kauf eines Kleidungsstücks zu fragen, woher die Baumwolle stammt. Und nur dort zu kaufen, wo keine usbekische Baumwolle drin ist. C&A oder H&M zeigen, dass Unternehmen, wenn sie wollen, dies sehr wohl kontrollieren können. Und bei einem Baumwollboykott aus Usbekistan muss sich der Kunde auch keine Sorge machen, dass der Farmer in Usbekistan um das Einkommen gebracht werden könnte. Er und seine Kinder sehen eh nichts von dem Geld. Den Baumwollgewinn stecken sich die usbekischen Eliten in die Taschen.

Der Westen: Reitz greift durch

WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz wird <a target=WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz wird neuer Chef des WAZ-Online-Portals DerWesten.de. Uns liegen exklusiv seine Pläne für den Umbau des Internetangebots vor.

Ulrich Reitz war zwar nicht dabei, als Thomas Knüwer vor zwei Wochen auf dem Journalistentag NRW in Recklinghausen erklärte, Journalisten müssten zur Marke werden, scheint aber seine Lehren aus dem Vortrag des Medien-Bloggers gezogen zu haben. Nach uns exklusiv vorliegenden Plänen wird Reitz den Westen im Sinne einer journalistischen Markenbildung umbauen. Neben dem bewährten Reitz.Thema sind künftig folgende Rubriken geplant:

Bild: Pottblog

Reitz.Husten: Ein Podcast mit aktuellen Kommentaren zur Lage der Welt von Ulrich Reitz.

Reitz.Ezeit:
Mit Ulrich Reitz zu den schönsten Urlaubsgebieten.

Schlüssel.Reitz: Der große Immobilienführer. WAZ-Intern auch "Immoscoutkiller" genannt.

Reitz.End: Die neue Kontaktbörse der WAZ-Gruppe. Niemand sollte Weihnachten alleine sein.

Muskel.Reitz: Das Ruhrgebiet ist eine Sportregion – und Ulrich Reitz ist live dabei.

Reitz.Bar: Die angesagtesten Club, Kneipen und Restaurants – präsentiert von Ulrich Reitz.

Reitz.Beteiligung: Noch nie war die Wirtschaft so kompliziert zu verstehen – Ulrich Reitz erklärt die Globalisierung.

Reitz.Arm: Sozialreportagen von Ulrich Reitz machen das Elend spürbar.

Reitz.Magen: Gesund bleiben mit Ulrich Reitz.

Reitz.Klima: Das Wetter –  souverän, locker und kenntnisreich präsentiert von Ulrich Reitz.

Eines  scheint schon jetzt klar zu sein: In Essen wird man Katharina Borchert schnell vergessen.

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Neuwahl-Dortmund: Die Neuwahl-Ratssitzung im Ticker…Ruhr Nachrichten

Neuwahl-Dortmund II: Tanz des Panoptikums…Fankfurter Rundschau

Neuwahl-Dortmund III: Klagen wären Katastrophal…Der Westen

Dortmund: Nordstadteltern demonstrieren…Ruhr Nachrichten

Integration: Parallelweltreisender-Grenzuebertritt…Hometown Glory

Nahverkehr: Eurobahn darf nicht fahren…Ruhr Nachrichten

IT: Wer verdient am iPhone?…Ostroplog

Medien: WAZ baut weiter ab…Mediengerechtigkeit NRW

Medien II: Baut die WAZ bei Der Westen ab?…Zoom

Medien III: Wo steht Der Westen?…Meedia

Literatur: Second-Life Lesung im Advent…Kueperpunk

Essen & Trinken: Dreigiebelhaus Duisburg…Genussbereit

 

Droht der Machtverlust in der Herzkammer?

Der Dortmunder Rat hat heute die Wiederholung der Kommunalwahl beschlossen. Ob Rats- und Bezirksvertretungen neu gewählt werden, ist wegen der Klagemöglichkeiten der betroffenen Lokalpolitiker fraglich. Über den OB werden die Dortmunder im kommenden Jahr aber wohl abstimmen können.

Es ist kalt und der Wind fegt den Regen über den fast menschenleeren Friedensplatz vor dem Dortmunder Rathaus. Eine Frau hastet über den Platz Richtung Innenstadt, und vor dem Rathauseingang protestieren ein paar Mitglieder der Linkspartei. Die Dämmerung hat schon eingesetzt.

In der Innenhalle des Rathauses der einstigen Bier- und Stahlstadt, die mit ihrem Stil und ihrer Ausstattung nahtlos an das geschmacklose Äußere des Baus anschließt, haben sie Stühle und einen Fernseher aufgestellt. Die Ratssitzung wird live übertragen, denn die Plätze auf dem Zuschauerbalkon sind rar gesät und von den Anhängern der Parteien schon lange vor Beginn der Sitzung durch Mützen, Zeitungen und Handschuhe als besetzt markiert. Immerhin, es stimmt ja, was fast alle Redner später immer wieder betonen sollten: Dass heute ein historischer Tag ist, nicht nur für Dortmund, sondern auch für Deutschland. Und auch Rechtsgeschichte wird heute geschrieben, klar. Noch nie wurde in Deutschland in einer Großstadt die Kommunalwahlen wiederholt. Ok, Bad Homburg war einmal in einer ähnlichen Situation, aber die Bäder- und Bankerstadt am Taunushang mit Blick auf die Skyline Frankfurts ist im Vergleich zu Dortmund nicht mehr als ein Kaff, wenn auch ein verdammt reiches Kaff.

Aber nur eine Hand voll Bürger werden sich später auf den weißen Schalenstühlen niederlassen, um die Debatte zu verfolgen. Es ist bald Weihnachten und was ihnen ihre Politiker bescheren scheint kaum noch einen Dortmunder zu interessieren. Nebenan, auf dem Weihnachtsmarkt, warten 11.000 Fans auf Heino und lauschen den Nachmittag über den Stimmen der Barden Heintje und Patrick Lindner.

Die Ratssitzung beginnt mit Verspätung. Noch-Oberbürgermeister Ullrich Sierau eröffnet sie routiniert und locker. Ein SPD-Fraktionsmitglied ist Vater geworden. Sierau bedankt sich für den persönlichen Beitrag zur Verbesserung der demographischen Lage der Stadt und schenkt dem Papi ein Kuschelbärchen in einem blauen Schlafanzug. Dann gibt er die Leitung der Sitzung an seine Parteifreundin, die Bürgermeisterin Birgit Jörder, ab. Sierau gilt nach Gesetz als befangen. Auch an der Abstimmung später wird er nicht teilnehmen dürfen.

So ein Tag, denkt man sich, könnte zu einer Sternstunde des Rates werden. Vor allem für die SPD und ihren Fraktionsvorsitzenden Ernst Prüsse wäre der Tag eine Chance. Er könnte eine politische Rede halten. Prüsse könnte so etwas sagen wie: "Langemeyer hat die Bürger belogen, und wir haben davon profitiert, dass er das Haushaltsdesaster verschwiegen hat. Wir wollen keine Mandate, die auf Lügen beruhen und sind für Neuwahlen." Aber so etwas sagt Prüsse nicht. Prüsse erzählt was über das Schicksal der Kommunalpolitiker, über das der Rat heute entscheiden wird. Darüber, dass der SPD niemand einen Betrug am Bürger nachgewiesen hat und dass ein Gutachten kein Urteil ist, dass er am Beckmann-Gutachten, das die Neuwahl empfiehlt, zweifelt, und dass er sich dagegen verwahrt, den SPD-Gutachter Bätge als SPD-Gutachter betrachtet wird. Prüsse sagt, er werde nicht gegen die Neuwahlen klagen, weil seine Partei Neuwahlen will, aber er könne Ratsmitglieder verstehen, die klagen würden.

Später hat der Rat abgestimmt. Geheim – auf Antrag der SPD. 30 Ratsmitglieder haben gegen eine Wiederholung der Wahlen zum Rat gestimmt. Es gab zwei Enthaltungen. Die SPD hat 37 Mandate. Für Neuwahlen waren 62 Ratsleute. Den OB wollten 69 Ratsmitglieder neu wählen lassen, 24 waren dagegen, einer enthielt sich der Stimme.

Wenn man diese Zahlen sieht, bleibt von Prüsses Bekenntnis in Gegenwart von SPD-Parteichef Franz-Josef Drabig wenig übrig, auch die SPD-Fraktion sei für Neuwahlen, für einen frischen Anfang und Transparenz. Parteichef Drabig wollte die Neuwahlen auch für den Rat und mit ihm die Partei – aber Drabig selbst und seine SPD haben offensichtlich keine Vertretung im Rat der Stadt, die ihre Politik durchsetzt. Partei und Fraktion sind nicht gespalten, sie spielen ein doppeltes Spiel.

Hinter Sierau stellt er sich nur halbherzig. Das kann man ihm nicht verdenken. Dass er als Stadtdirektor nichts von den Lügen Langemeyers wusste, kann niemand glauben. Es gibt zu viele Beweise. Briefe und Aktennotizen zum Beispiel. Aber auch Sierau selbst. FDP-Frau Annette Littmann erinnert daran: "Im Wahlkampf präsentierte sich Sierau als Haushaltsexperte. "Wir machen jeden Tag Kassensturz", sagte er den Bürgern. Und Sierau will nichts gewusst haben von dem Loch in der Kasse in dreistelliger Millionenhöhe?" Die SPD  befürchtet jetzt den Verlust ihrer Herzkammer." Doch Littmann tröstet die Genossen: "Es wird ihnen gut tun, eine Zeit lang in die Opposition zu gehen. Sie werden sehen, es kommen auch andere Zeiten." Der Dank der Sozialdemokraten wird eher mager ausfallen. Aller "Jetzt-erst-recht"-Rhetorik zum Trotz: Die SPD schaut in Dortmund in ein tiefes Loch und gegraben wurde es von Sozialdemokraten.

Und zwar nur von Sozialdemokraten, meint Grünen-Fraktionschef Mario Krüger. "Tarnen, tricksen und täuschen" das sei das System Langemeyers gewesen. Nun müsse der Bürger neu wählen.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Hengstenberg erinnert die Grünen daran, dass sie in einer Koalition mit der SPD waren und zwei Dezernenten stellten. Er zweifelt daran, dass die Grünen nichts wussten und kritisiert, dass die Grünen alles, aber auch alles auf die SPD abschieben. Selbstkritik? Kennt Krüger nicht. Die CDU wird für Neuwahlen stimmen – ohne wenn und aber. Hengstenberg redet leise. Er wirft SPD un Grünen vor die Wahl mit Versprechen gewonnen zu haben, die nicht gehalten werden konnten.

Der Sprecher der Linken, Wolf Stammsitz, weist darauf hin, dass Skandale wie der in Dortmund das Vertrauen der Bürger in der Demokratie erschüttern und alle im Frühjahr die Quittung bekommen werden: Mit einer niedrigen Wahlbeteiligung.

Schon als Prüsse sprach, verspotteten ihn die Anhänger der Linkspartei als "Mister 18 Prozent", als den Totengräber der SPD. Sie sind siegesgewiss.

Ob im März wirklich in Dortmund gewählt wird? Der Oberbürgermeister sicher. Beim Rat und bei den Bezirksvertretungen kommt es darauf an, ob geklagt wird – und auf die Gerichte. Wird Sierau wieder Oberbürgermeister? Er hat keinen Amtsbonus, ist schwer beschädigt, hat mit Pohlmann aber keinen starken Gegenkandidaten. Aber Pohlmann ist sauber, war nicht im Rat, war kein Dezernent. Mit dem Haushaltsskandal hat er nichts zu tun. Die Frage ist: Werden die SPD-Wähler zur Wahl gehen? Die Frage ist: Warum sollten sie es?

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Dortmund: Heute stimmt der Rat über Neuwahlen ab…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010: Licht im Schacht…Spiegel

Medien: WAZ gibts neues?…Pottblog

Unis: der Bachelor soll entschärft werden…Stern

Unis II: Proteste in Bonn…Ruhr Nachrichten

Kraftwerk-Herne: Gericht weist Klage ab…Der Westen

Bochum: Gürtel muss noch enger geschnallt werden…Ruhr Nachrichten

Essen: Personalrat gegen Einsparungen…Der Westen

Rechte: Pro-NRW plant Konferenz zum Minarettverbot…Endstation Rechts

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Ruhr2010 III: Küppersmühle – Sponsoren legen nach…Der Westen

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Oper: 50 Jahre MiR…Hometown Glory

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Ausschuss für Neuwahlen in Dortmund

Im Dortmunder Wahlausschuss wurde das Beckmann Gutachten mit den Stimmen von CDU, Grünen und FDP angenommen: Der Ausschuss ist damit für eine Wahlwiederholung. Die Union macht nach Angaben der Ruhr-Nachrichten,  ihre weitere Zustimmung nun davon abhängig, dass der Rat bis zur Neuwahl im kommenden Jahr kommissarisch im Amt bleibt.

Im Rat werden dann wohl auch weite Teile der SPD mit für die Wahlwiederholung stimmen, so haben es zumindest SPD-Parteichef Franz-Josef Drabig und Fraktionschef Ernst Prüsse gesagt. Dortmund könnte damit die erste Großstadt in Deutschland sein, bei der Kommunalwahlen neu angesetzt werden.

Drabig & Prüsse: „Wir sind uns einig“

Die Frage der Neuwahl spaltet die Dortmunder SPD, wie die WAZ behauptet? "Quatsch", sagen Parteichef Franz-Josef Drabig und Fraktionschef Ernst Prüsse.

Sie sitzen im Rathauscafé in Dortmund einträchtig zusammen. Von Streit, gar von Spaltung, keine Spur. Gestern hat der Beirat der SPD bei einer Gegenstimme die Linie der Partei beschlossen: die SPD-Fraktion hält vom Beckmann-Urteil nichts, wird sich im Wahlprüfungsausschuss deshalb gegen die Empfehlung des Gutachters aussprechen, im Rat hingegen für Neuwahlen stimmen. SPD-Fraktionschef Prüsse sagt: "Wir haben die Wahl frei gegeben, aber die meisten, fast alle, werden für eine Wiederholung der Wahl stimmen. Es gibt keinen Streit zwischen Partei und Fraktion." Dem pflichtet auch Franz-Josef Drabig bei: "Bei vielen Mitgliedern herrscht eine ‚jetzt erst recht Stimmung‘. Wir wissen, dass der Wahlkampf hart wird, aber wir sind uns sicher, den Bürgern glaubhaft vermitteln zu können: Die SPD ist nicht Langemeyer, wir stehen für Transparenz und für einen Neuanfang."

Und dann sind da noch die Gerüchte, die SPD wolle nicht mit dem alten Spitzenkandidaten und momentanen Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau, sondern mit dem jetzigen Kämmerer und Kulturdezernenten Jörg Stüdemann, dem einstigen Favoriten von Drabig und Prüsse, in den Wahlkampf ziehen. Drabig: "Das ist Quatsch. Wir haben Ulli im Wahlkampf unterstützt. Er ist und bleibt unser Kandidat. Sierau wurde von der Basis gewählt und das gilt. Wo bliebe denn die versprochene Transparenz und der Neuanfang wenn wir gegen den Kandidaten der Parteibasis arbeiten würden?"

Ein OB-Kandidatenproblem, erklärt Prüsse, hätten doch eher FDP und Union: "Herr Pohlmann war ja parteilos und der gemeinsame Kandidat von FDP und CDU. Mittlerweile ist er jedoch CDU Mitglied – ob dass der FDP so gefällt, muss sie selbst klären."

Nachdem das geklärt ist, geht Prüsse weiter zum Angriff über. Er wirft der Landesregierung vor, sie habe der Stadt keine Hilfen an die Hand gegeben, wie sie mit einer solchen Situation umgehen solle. Er hätten Szenarien vorgelegt werden müssen. Und auch der Grüne Ordnungsdezernent Wilhelm Steitz habe seine Hausaufgaben nicht gemacht und keine Modelle vorgelegt, wie man nun mit der Lage umzugehen habe. Alles habe man quasi selbst entscheiden müssen.

Gut, dass es hier Erinnerungen gibt. Das Land hat über die Kommunalaufsicht, in Person von Regierungspräsident Helmut Diegel, frühzeitig vor einem Anerkennen des Wahlergebnisses gewarnt und gegen die Anerkennung des Ergebnisses Einspruch eingelegt. Dabei hat Diegel ausdrücklich vor den Folgen gewarnt. Aber die SPD in Dortmund hat sich immer verwehrt, von Diegel auf irgendwas hingewiesen zu werden. Nun mit dem Finger auf das Land zu weisen, ist ein wenig zu billig. Genauso wie der Verweis auf den Grünen Ordnungsdezernenten. Wer wollte denn nichts in seiner Wagenburg hören und hat sich stattdessen einen SPD-nahen Gutachter über eine SPD-Organisation geholt, der ein Mundgerechtes Gutachten schrieb? Also, ich würde jetzt nicht einfach alle anderen anmachen, um von der eigenen Schuld abzulenken …

Übrigens hat der Gutachter Frank Bätge bis jetzt nicht auf die einfache Frage geantwortet, ob er in der SPD Mitglied ist. Stattdessen hat er auf die Frage, ob er SPD-Mitglied ist, ausweichend geschrieben, er habe schon für viele gearbeitet. Aber was soll’s, der Wahlkampf hat in Dortmund wieder begonnen.