Das Ende von Wüstilanti

Der Name von CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst ist mit schrillen Kampagnen verbunden. Eine davon ist der immer gleiche Angriff auf Kraftilanti, mit dem Wüst die Angst in NRW schüren will, dass die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft wie Andrea Ypsilanti mit den Linken zusammen arbeiten könnte, sollte sie nur bei den kommenden Landtagswahlen im Mai gewinnen. Wüst hat das nie alleine getan. Er war in diesen Sachen der treue Erfüller einer Mission, die wohl auch aus der Staatskanzlei gesteuert wurde. Dies legen jedenfalls Emails nahe, die seit Monaten in Düsseldorf kursieren.  Doch jetzt stoppt NRW-Ministerpräsident Jürger Rüttgers (CDU) einen gemeinsamen Partei-Bettelbrief, den er mit Wüstilanti unterzeichnet hatte. Hach. Das Ende einer engen Beziehung scheint nah.

In Düsseldorf distanzieren sich Politiker und Parteifreunde vom Lautsprecher von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Die Affäre um etliche tausend zuviel kassierte Euro Krankenkassenhilfen aus dem Etat des Landtages belasten die Karriere des 34-Jährigen, der rund 18.000 Euro von CDU und Landtag bezieht. Dazu kommen fröhlich eingenommene Sitzungsgelder als Ratsmitglied, obwohl Wüst nicht anwesend war. Und zum Schluss ein peinlicher Persilschen, den Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU) auf Anfrage der CDU-Landtagsfraktion ausstellte.  Allein der Persilschein belastet das Ansehen der Politik dermaßen, dass er allein ausreichen müsste, Wüst in den Weihnachtsferien abzuservieren, wie es unter Rüttgers üblich zu sein scheint.

Ein letztes Indiz, das diesen Schluss nahe legt, ist folgendes Detail, das aus dem wir-in-nrw-blog stammt. Und zwar hat offensichtlich die Staatskanzlei von Rüttgers einen Bettelbrief der CDU gestoppt, den Wüst und Rüttegrs gemeinsam unterzeichnet hatten. In dem Bettelbrief hatten Wüst und Rüttgers um Geld für die politischen Auseinandersetzungen mit der SPD bitten wollen.

Dass Rüttgers nun lieber den Brief stoppt, als gemeinsam mit seinem Sekretär unter dem Papier zu stehen, könnte man als Zeichen dafür deuten, dass Wüst abgesägt wird. Nur so macht die Nummer Sinn. Wie sähe das auch aus, wenn der bald geschasste Generalsekretär den wichtigsten Bettelbrief der CDU noch unterzeichnet hätte? Genau, schlecht. Vor allem, weil Wüst wegen Schnorrerei unter Beschuss steht. Da wartet man lieber ein paar Tage, entlässt den schwarzen Peter und sucht sich einen neuen Unterzeichner.

Naja, Wüst selbst ist nach wie vor abgetaucht. Im Landtag macht man bereits Witze über den Ex-Auf- und Neu-Absteiger. Der Mann ist politisch am Ende. Kaum einer nimmt ihn noch ernst. Er kann eigentlich nur noch zurücktreten.

Ich hoffe, er übersteht das sich abzeichnende Karriereende bei der CDU persönlich unbeschadet. Das Leben geht immer weiter. Selbst Fritze Merz (CDU) hat das damals geschafft. Politik ist nicht das wichtigste, auch wenn es lange so schien. Ich wünsche Wüst an dieser Stelle jedenfalls aus ganzem Herzen ein fröhliches Fest. Kopf hoch.

Die Waldorfschulen informieren

Heute: Die Johannes-Schule Berlin. Von unserem Gastautor Andreas Lichte.

Musikalisch ohne Waldorfschule: Mozart Foto: Wikipedia

Fünf vor Zehn. Und um Zehn soll der Eltern-Info-Abend zum Thema „Der musische, handwerkliche, künstlerische Unterricht“ an der Johannes-Schule vorbei sein. Da kann man doch mal fragen, oder?

„Ich habe eine Frage zur Musik: Wir haben während meiner Ausbildung zum Waldorflehrer ganz oft Mozart gesungen und ich habe mich immer gefragt, was passiert wäre, wenn Mozart in den Genuss einer Waldorf-Erziehung gekommen wäre … hätten wir dann die Zauberflöte? Wenn für Kinder nur die Pentatonik richtig ist.“

Tick-Tack, Tick-Tack, Tick-Tack. Drei Waldorflehrerinnen suchen eine Antwort. Tick-Tack, Tick-Tack, Tick-Tack. Endlich antwortet nicht die Musik-, sondern die Klassenlehrerin, Heilgart B.*.:

„Mozart war eine Ausnahme. Und ich habe mit meinen Schülern ja auch nicht nur pentatonische Musik gemacht, wir haben auch mal was anderes gesungen.“

 „Wieso soll Mozart denn eine Ausnahme sein? Und wenn die Pentatonik nur eine Alternative wäre, gäbe es doch gar kein Problem. Aber Sie wissen doch genau, dass Rudolf Steiner mit seiner »Jahrsiebtelehre« vorgibt, was für das jeweilige Alter der Kinder richtig ist, und das ist laut Steiner in einem bestimmten Alter  A U S S C H L I E S S L I C H  pentatonische Musik, nichts anderes. Warum sagen Sie das den Eltern nicht?“

„Es ist mir ja selber sehr schwer gefallen, mich an die Pentatonik zu gewöhnen, aber ich habe damit bei den Kindern gute Ergebnisse erzielt …“

Während dieses kleinen Dialoges hat sich im Raum eine schwere Gewitterfront aufgebaut.

„Ihre Fragen tun hier doch gar nichts zur Sache, sind völlig uninteressant!“, donnert es.

„Ich finde die Fragen des Herrn sehr wohl interessant.“

Das kommt von dem Herrn, der vorher zu fragen gewagt hat, ob in der Waldorfschule denn „auch mit Plastik, Styropor, gearbeitet wird, beispielsweise zum Bau von Architektonischem?“

Nun antworte ich ihm: „Dies ist keine Informations- sondern eine Werbeveranstaltung der Waldorfschule. Es wird überhaupt nicht darüber aufgeklärt, dass  A L L E S , was in der Waldorfschule passiert, auf der Anthroposophie Rudolf Steiners beruht. Sie haben vorhin gefragt, ob denn auch Plastik benutzt wird. Natürlich kann mal jemand aus der Reihe tanzen, aber das ist nicht vorgesehen. Was hier vorgeführt wurde, z.B. die Herstellung eines Holzkochlöffels im Werkunterricht, ist ganz fest von Steiner vorgegeben.“

Einundzwanzig … weiter komme ich nicht, der Blitz ist ganz in der Nähe: „Jeder der hier ist, weiss doch, dass dies eine anthroposophische Schule ist, das kann man doch ganz schnell im Internet nachschauen!“

Ich denke: „Was du wohl im Internet gefunden hast … ist doch alles fest in Anthroposophen-Hand, z.B. wikipedia, eine einzige anthroposophische Manipulation“ und sage:

„Ja, aber was bedeutet »Anthroposophie«? Das wird doch überhaupt nicht deutlich. Ist erklärt worden, welche Bedeutung Steiners »Jahrsiebtelehre« für den Unterricht hat?“

„Das hier ist ja nicht die erste Informationsveranstaltung, wenn Sie auf der anderen gewesen wären, dann wüssten Sie, worum es geht.“

„Ich  W A R  beim ersten Info-Abend der Johannes-Schule.“ Soll mal reichen, ich sage nicht „Was Gunhild A. hier letztes Mal »für das Kollegium« gebracht hat, war die reine Volksverdummung.“

„Wenn es Ihnen nicht gefällt, dann können Sie ja gehen, was wollen Sie hier überhaupt?“

„Ich will wissen, wie über die Waldorfschule informiert wird, will einen Artikel darüber schreiben.“

„Ach, dann sind Sie gar kein Vater?!!!“

Der Rest geht im Sturm unter. Ein Waldorfschüler neben mir stellt mir eine Frage. Ich mache „Pssst!“, man will ja nicht unhöflich sein. Und auch nicht riskieren, dass die Waldorf-Anhänger vielleicht doch noch zur Lynch-Justiz greifen. Und gehe.

Ich warte vor der Schule. Der Tabubrecher – „Plastik“ – spricht mich an. Der Herr hatte sogar eine noch weit heiklere Frage gestellt: „Welche Rolle spielen denn die modernen Medien in der Waldorfschule?“ War er nur naiv? „Medien“ – das Fernsehen – sind verboten, sind sie doch des Ahrimans – „Ahriman“: Teufel auf anthroposphisch –, das weiß man doch, wenn man an die Waldorfschule glaubt.

„Die Reaktion war sehr aussagekräftig …“

„Ja“, stimme ich zu. „Sie waren der Einzige, der gute Fragen gestellt hat. Schon unheimlich, wie gross die Zustimmung war …“ Dann versuche ich, auf die Schnelle die größten Lügen anzusprechen:

„Wenn es immer wieder hieß, »Wie neueste Ergebnisse der Hirnforschung bestätigen«, dann ist das totaler Quatsch. Rudolf Steiners esoterische »Menschenkunde«, auf der die ganze Waldorfpädagogik basiert, hat nichts, aber auch rein gar nichts, mit moderner Erziehungswissenschaft geschweige denn mit Hirnforschung zu tun …“

Ich glaube, dieser Herr – wenn er denn ein Vater war – meldet sein Kind nicht an der Johannes-Schule an. Aber vielleicht möchte jemand anders sein Glück versuchen? Die nächste Informationsveranstaltung ist am 20.1.2010, 20 Uhr: „Einführung in die Waldorfpädagogik IV – Der Sprachunterricht an der Johannes-Schule Berlin“

Infos bei: Johannes-Schule Berlin, Bundesallee 35, 10717 Berlin, Telefon 030 – 288 33 7 88,

Zum Autor: Andreas Lichte ist ausgebildeter Waldorflehrer und Grafiker, lebt in Berlin. Er ist Autor kritischer Artikel zur Waldorfpädagogik und Anthroposophie. Er erstellte für die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) ein Gutachten zur Indizierung zweier Werke Rudolf Steiners, die fortan nur noch in kommentierter Form erscheinen dürfen.

Glossar
Glossar

(in der Reihenfolge des Auftauchens der Begriffe):

Mozart: Inbegriff des Wunderkindes: Schon im „Kindergarten-Alter“ komponiert Mozart und gibt Konzerte. Hätte er einen Waldorfkindergarten besucht, hätte er nur diese Musik kennengelernt:

Pentatonik: Als Pentatonik (gr. πεντα- penta- „Fünf-“) oder Fünftonmusik bezeichnet man in der Musik Tonleitern, die aus fünf verschiedenen Tönen bestehen und meist keine Halbton-Schritte enthalten, sowie die dazugehörigen Tonsysteme.

Auch für die Pentatonik gilt, was der Erziehungswissenschaftler Prof. Klaus Prange ganz allgemein zur Waldorfpädagogik sagt, „Erziehung zur Anthroposophie“, Seite 86: „In der Tat entsteht aus der Differenz von allgemeiner, öffentlicher Präsentation, die sich der üblichen Vokabeln und Formeln bedient, und dem, was eigentlich damit gemeint ist, der Eindruck, man habe es bei der anthroposophischen Pädagogik mit einer Art Mogelpackung zu tun, die ein sehr eigenwilliges Produkt in einer geläufigen und höchst normalen Verpackung an den Mann zu bringen versucht.“

Was mit der „eigenwilligen“ Pentatonik in der Waldorfpädagogik gemeint ist, ist die Frage: „Wollt ihr die totale Harmonie?“ Oder anders gefragt: „Wollt ihr euer Leben in einem Schlaf-ähnlichen Zustand zubringen?“ Nur werden die Kinder das nicht gefragt. Weil, wie die Musiklehrerin und Eurythmistin auf dem Informationsabend der Johannes-Schule ausführte, es „menschenkundlich“ (d.h. laut Steiner) so ist, „dass sich Kinder erst ab dem 9ten Lebensjahr öffnen, das Herz vorher noch eine Blüte ist“, sprich: den Kindern vorher wesentliche seelische und emotionale Fähigkeiten fehlen, womit wir hier wären:

„Jahrsiebtelehre“:
Rudolf Steiners esoterische Einteilung der Individualentwicklung des Menschen in Abschnitte von 7 Jahren. Neben der „Temperamentenlehre“ der für die Praxis der Waldorfpädagogik folgenreichste Aspekt der esoterischen „Menschenkunde“ Rudolf Steiners.

In der Waldorfpädagogik ist eine viergliedrige Unterteilung in „Jahrsiebte“ üblich:

– von 0–7 Jahre wird der physische Leib entwickelt

– von 8–14 Jahre der Ätherleib

– von 15–21 Jahre der Astralleib

– vom 21 Lebensjahr an wird das „Ich“ ausgebildet, erst dann ist der Mensch ein Mensch, vollwertig.

Das Ergebnis ist ein „Mensch“, der nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt ist. So hölzern und unpädagogisch Steiners Entwicklunglehre daherkommt, so wenig zutreffend ist dafür das beliebte Schlagwort „ganzheitlich“.

Für die Unterrichtspraxis bedeutet die Jahrsiebtelehre, dass der Waldorflehrer nur die Fähigkeiten ansprechen darf, die der Schüler laut Steiner seinem Alter entsprechend auch schon besitzt. Beispiel: Ein Schüler der 1sten bis 8ten Klasse, – der Klassenlehrerzeit, sie ist identisch mit dem 2ten Jahrsiebt –, verfügt noch nicht über einen voll ausgebildeten „Astralleib“ oder gar ein „Ich“. Was soll der Lehrer mit einem so unvollständigen Schüler anfangen? Richtig, er gibt „Frontalunterricht“. Und zwar in seiner extremsten Form: Der Schüler soll nachahmen, nachahmen, nachahmen …

Hören wir zu den Jahrsiebten noch den Anthroposophen Prof. Dr. Wolfgang Schad, der im „Seminar für Waldorfpädagogik Berlin“ als eine „Kapazität der Waldorfpädagogik“ vorgestellt wurde. In „Der Umschwung in der Reifezeit – Lebensprozesse und Seelengeburt“ erklärt Schad, Zitat:

„Es sei eine unendliche Hilfe für die ganze Biographie, wenn dem Kinde und dem Jugendlichen dieser Sieben-Jahre-Rhythmus durch die Pädagogik vermittelt werde. – Er ist also nicht fertig mitgegeben und so diagnostisches Resultat, sondern er ist THERAPEUTISCHE AUFGABE [sic! hervorgehoben auch im Original]. Durch die Abweichungen vom Sieben-Jahre-Rhythmus zeigt das Kind seine karmische Individualisierung. Aber wenn durch Mithilfe der erziehenden Erwachsenen der Anschluß an diesen Sieben-Jahre-Rhythmus wiedergefunden wird, dann kann das individuelle Schicksal wieder mit dem in Beziehung treten, was alle Menschen miteinander verbindet: mit dem Menschheitlichen. Das ist tief karmisch wirkendes Therapeutisches. Diesen Sieben-Jahre-Rhythmus gäbe es nur dann für jeden Menschen in der menschlichen Ordnung, wenn die Widersachermächte Luzifer und Ahriman in die Menschheitsevolution nicht eingegriffen hätten. Führen wir die uns Anvertrauten zum Sieben-Jahre-Rhythmus zurück, so helfen wir ihnen bei der Bewältigung der Gegenmächte gegen alles Menschliche.“

Mit anderen Worten: dem Wolferl (Mozart) hätte die Waldorfpädagogik schon noch die Flauseln ausgetrieben.

„Holzkochlöffel“: Alles in der Waldorfschule wird von Rudolf Steiner vorgegeben, so auch die Aufgabe „Holzkochlöffel“ für den Werkunterricht der 6ten Klasse. Ausgehend von einem rohen Holzklotz wird der Kochlöffel geschnitzt. Daran soll insbesondere das Scheitern gelernt werden: Diese Aufgabenstellung verzeiht keine Fehler.

Ich möchte hier nicht auf den „menschenkundlichen“ Hintergrund eingehen (Glück gehabt, Liebe Leser!), sondern mich an der Praxis orientieren. Frage: Welcher Sechstklässler kann trotz eines Verbotes der modernen Medien in der Waldorfschule noch nicht bei google „Holzkochlöffel“ eingeben? Richtig, die meisten werden es wohl können. Und was finden sie da? „Holzkochlöffel, 34 Cent“. Könnte es sein, dass sich da der ein oder andere fragt, was er 4 Wochen lang getan hat?

„Aber das ist doch ein Unikat, das ist doch ganz was anderes!“

Siehe den Friedhof der Kuscheltiere, Pardon, Friedhof der Schaukelpferde, in der Rudolf Steiner Schule Berlin Dahlem: Der Werklehrer, Herr B., zeigte mir seinen Keller: Dutzende von den Schülern aufgegebene Schaukelpferde … alles Unikate, mühsam von den Schülern gebaut.

Weiterführende Artikel der Ruhrbarone:

 „Wie gut sind Waldorfschulen?“
Erfahrungsbericht einer Mutter

 „Ich würde mein Kind nie an einer Waldorfschule anmelden.“
Eine ehemalige Waldorflehrerin blickt zurück.

„Waldorfschule: Vorsicht Steiner“
Interview mit Andreas Lichte

*Namen geändert

3 FÜR 7 – 90er-Special

"Musik im Revier" – welch lustig tag! Und damit zum Thema: Mensch kann mit Diederichsen beim Bier plaudern, Polls lesen, manchmal gar Artikel selbst schreiben, whatever: Bei Jahresrückblicken, speziell zum Thema Musik, geht es entgegen aller Lehren zum Thema "Privates & Politisches" NIE darum, welche Musik genau was mit den KonsumentInnen macht bzw. was sie begleitet. Welchen Nutzen hatten die Regierungen und die Industrie von den Hippies, den Punks, den Ravern, dem (Anti-)Folk? Fragt niemand. Könnte aber interessant sein, nicht nur für andere Kulturkreise, schließlich speist sich die Unterhaltungs- ja oft aus Errungenschaften der Waffen- und Raumfahrindustrie z.B. – und dabei muss nicht nur an Drogen, Internet und Psychologie gedacht werden. Das mal als Anregung gegen Ende der 00er und zum Thema "90s(-Revival?)" mit: Tortoise, The Notwist, Hotel Shanghai.

Wie sagte mir letztens so ein vom Hardcore/Skaten zum Shoegaze/Postrock gekommener Musikus: "Tortoise haben dann wieder an die Wurzeln erinnert, an Krautrock z.B." Und das ist natürlich vor allem ein Thema für Musikusse, diese Art des Zusammenspiels, das nicht zwingend viel auf Songstrukturen, kaum etwas auf Liedtexte und ganz wenig auf Boygroup-Gehabe gibt. Andererseits schüttelt es den Autor dieser Zeilen in letzter Zeit immer wieder bei einem Wiederaufkommen übelsten Muckertums – was auch eine Folge des generell recht regressiven, Besitzstand wahrenden Geistes der aktuellen Generation in Europa und Amerika sein mag, aber nicht zuletzt auch an Bands liegen mag, die laut Eigenbekundung eigentlich mal angetreten sein wollten, um Strukturen zu zerstören, und dann via irgendwie Prog-Rock doch wieder nur zurück in die Siebziger gewiesen haben. Ach ja, die Neunziger waren halt eben kein (!) Aufbruchs-Jahrzehnt! (Und alte Punks gibt es im Grunde gar nicht.)

The Notwist passen natürlich auch schön in dieses Bild: Als der Independent-Gedanke das tiefste Bayern erfasste! Ja wow! Und fiel gerade "irgendwie Prog-Rock"? Nun, das sieht in diesem konkreten Falle dann nicht wie bei Tortoise nach Vermischung mit Dub und so aus, sondern man gönnt sich direkt ein ganzes "Irgendwie-Jazz"-Orchester dazu!! Das Andromeda Mega Express Orchestra hilft *hüstel* sozusagen The Notwist auf dem Weg zu den Genesis des süddeutschen Indie. Phil Collins, übernehmen Sie! (Also "American Psycho" für Leute, die grün oder Die Linke wählen, haha. Natürlich auch für depressive Regierungsfreunde.)

Na, und damit zu Whirlpool Productions, Andreas Dorau und Superdefekt (Foto: MFOC), die dem Shanghai zum Sechsjährigen gratulieren. Meine Güte, waren das noch Zeiten, als die berüchtigte 80er Rhein-Elbe-Achse in den Neunzigern den Schlager-Rave erfunden hat! Motor Music big in Berlin, angenehmes innerdeutsches "Wir revolutionieren uns jetzt gegenseitig"-Gewusel, viele neue Drogen und alles ein schöner, neuer Abenteuerspielplatz mitten in Europa! Das passt natürlich wunderbar zum "Kindergeburtstag für (noch etwas zu junge) Erwachsene"-Konzept des Hotel Shanghai – wobei … Nunja, die Menschen um die 20 gucken sich das ja immer lieber nicht an, sonst wird ihnen noch ganz komisch wie wenig sich eigentlich geändert hat in zwei Jahrzehnten Abenteuerspielplatz Popmusik. Egal, dafür ändert sich ja die Gesellschaft rasant, nicht wahr? Und damit zur beliebten Kurzfassung für PraxisfreundInnen:

Tortoise am Dienstag.
The Notwist am Donnerstag.
6 Jahre Hotel Shanghai am Samstag.

Klima: Von Menschen mit Förderbedarf in Sachen Erkenntnis

rodenbuecher80 Millionen Deutsche gibt es. Ungefähr. Ein Riesenvolk, mitten in Europa. Und ein weitgehend freies Volk. Hier darf so ziemlich jeder sagen, was er will. Auch völligen Bullshit.

Wir müssen das aushalten. Zum Beispiel wenn einer was von der Erschaffung der Welt in sieben Tagen berichtet – so wie es in der Bibel steht und meint das sei Wahrheit. Kein Problem. Wir haben Meinungsfreiheit. Wir müssen damit leben. Auch wenn einer sagt, die Erde wäre die Innenseite einer Hohlwelt mit der Sonne als Zentrum – wir müssen damit klar kommen. Und aus dem gleichen Grund müssen wir akzeptieren, dass es gestriegelte Leute mit speziellen Förderbedarf in Sachen Erkenntnis gibt, die immer noch meinen, die Menschen hätten nichts mit dem Klimawandel zu tun.

Eigentlich ist es mir zu doof, mich mit diesen Mitbürgern zu streiten, die meinen, die Sorge um das Klima wäre Hysterie. Aber manchmal, zum Beispiel im Vorfeld des Koppenhagener Gipfels ist das nötig. Aus Zorn über die mangelhafte Reflexionsfähigkeit dieser Mitbürger fasse ich mich kurz, um nicht zu beleidigend zu werden.

Wer meint, der Mensch habe nichts mit dem Klimawandel zu tun, dem rate ich über den Amazonas zu fliegen. Ich habe das vor ein paar Wochen getan. Vergesst das Bild aus dem Schulatlas, dieses grüne Band in Südamerika. Vergesst das Bild aus dem Fernsehen vom Urwald. Da ist kein Wald mehr – gar nichts. Wiese, Kühe, Straßen und Fabriken. Das ist da. That’s it. Und der fehlende Wald soll keine Auswirkungen auf das Wetter haben? So doof kann keiner sein.

Ich war in Sibirien. Am Ob. Riesige Fabriken, ein See, doppelt so groß wie der Baldeney-See, der im Winter auf 40 Grad geheizt wird. Wald? Ja klar, aber vor allem abgeholzter Wald. Die Wildnis in Sibirien ist auf dem Rückzug. Überall wohin das Auge sieht, kreisrunde Wucherungen in der Taiga in deren Mitte ein Gasloch brennt. Das soll keine Auswirkungen auf das Klima haben? Mein Gott.

Die Nordwestpassage ist eisfrei. Da fahren Tanker her. Die Malediven versinken im Meer. In den Alpen sind die Gletscher fast weg. Alles nicht gesehen? Da soll es keinen Zusammenhang geben? So was kann keiner behaupten, der jemals außerhalb des Ruhrpotts war.

Aber selbst hier, mitten im Revier, kann man sehen, wenn man will. Wenn ich in Bottrop auf der Halde hinter der Zeche Prosper Haniel stehe, in 120 Meter Höhe, und rüber nach Scholven blicke, dann sehe ich Tag und Nacht, Tag und Nacht, Tag und Nacht, die Schlote rauchen, wie in Mordor, das Gas in den Himmel brennt. Und ich denke mir, wenn ich da auf der Halde stehe, es gibt tausende dieser Fabriken, vielleicht hunderttausende. In China, in Brasilien, in Russland, in Polen, Indien, USA, und überall brennen sie Gas in den Himmel. Jeden Tag, ohne Pause. Jeden Tag.

Benzin und Öl und Gas. Es brennt. Begreift ihr das? Aus Motoren, aus Öfen, aus Kesseln und meinetwegen aus Feuerzeugen. Die Welt, sie brennt. Das kann jeder begreifen, der ein Kraftwerk gesehen hat. Sei es in Shamrock oder in Erkrath. Du musst nur die Augen aufmachen, stupid.

Das soll keine Auswirkungen haben? Wenn der Wald der Vergangenheit und der Wald der Gegenwart in Rauch aufgehen? Wenn die Menschen zerstören was in Millionen Jahren gewachsen ist? Das soll keine Auswirkungen haben?

Mann, ich muss keine Details kennen, um zu verstehen, dass die Nummer nicht funktionieren kann. Es wird wärmer, es wird gefährlicher. Wir hier in Deutschland sind vielleicht nicht die gearschten, aber die Jungs in Afrika, die werden auf jeden Fall dran sein, die Leute auf den Inseln im Ozean, die auch, und die Mädels in Ausstralien, und die armen Säcke in Südamerika.

Aber na klar, ich kann auch alles negieren, kann sagen, es gibt keinen Zusammenhang, und wenn die Welt nur noch aus Felsen und Beton besteht, und alles aussieht wie in Essen Vogelheim, dann kann ich mich daran am Ende auch erfreuen.

Wie gesagt: wir müssen mit den Förderbedürftigen in Sachen Erkenntnis leben.

Das Sagen dürfen sie nie kriegen.

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Klimakatastrophe: Donald Bäcker ist der Antihysteriker

Während es in der kommenden Woche wohl richtig kalt wird und in den vergangenen zehn Jahren auch nicht wärmer geworden ist, malt die Berichterstattung über die Klimakonferenz in Kopenhagen apokalyptische Szenarien an die Wand.

Und die müssen immer apokalypischer werden damit, wir auch alle brav unsere Glühbirnen gegen schwermetallbelastete Energiesparlampen eintauschen und jede hahnebüchene Subventionierung der Solarindustrie mitmachen. Und wenn die Szenarien nicht ganz so apokalyptisch ausfallen, wie es für eine so richtig knallige Medienberichterstattung nötig ist, wird mal eben nachgeholfen. Nachdem ich – Jahrgang 64 – eigentlich nichts anderes kenne als dass der Weltuntergang vor der Tür steht, der Planet wahlweise vom Atomkrieg vernichtet wird, zu einer Eiskugel gefriert oder bald die Nordsee zu kochen beginnt, habe ich mir eine gewisse Ruhe angewöhnt. Und ich habe  Menschen schätzen gelernt, die ruhig auftreten, keine Hysteriker sind und nicht die so beliebte Paranoia ausstrahlen. Sicher die Welt geht unter, aber das wird wohl noch ein wenig dauern.

Einer dieser Antihysteriker ist Donald Bäcker. Er ist Meteologe und präsentiert das Wetter im ARD-Morgenmagazin. Und während des Themenschwerpunkts Klimakonferenz im Morgenmagazin präsentiert er immer wieder kleine Informationen zum Klima, die ruhig und sachlich vorgetragen werden. Das Wasserdampf zum Beispiel das wichtigste Klimagas und die Sonne für unser Klima nicht ohne Bedeutung ist. Auf seiner Homepage schreibt Bäcker vorsichtig: "Heutzutage wird  der Klimawandel dramatisiert dargestellt. Allein die Prognose des Wetters für die nächsten Tage kann, je nach Wetterlage, extrem schwierig sein. Nach 5 bis 6 Tagen ist das Chaos bereits so groß, daß die Trefferquote langsam Richtung 50 Prozent (also zum Ratespiel) tendiert. Wenn man noch nicht einmal in der Lage ist die Witterung (siehe oben) für die nächste Jahreszeit zu prognostizieren, wie kommen dann Klimaforscher dazu uns ein Szenario für die nächsten 30 Jahre zu bauen? Die Wetterprognose ist überprüfbar und Meteorologen werden sofort abgestraft (glücklicherweise nur verbal! ) aber wer weiß in 30 Jahren noch was welcher Klimaforscher wann gesagt hat?"

Bäcker ist vor allem skeptisch – und Skepsis ist mir generell lieber als der Verkündung von Untergangsszenarien und Heilsversprechungen.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Der Westen: Lyssas letzter Relaunch?…Pottblog

Der Westen: Aufgeräumter & Professioneller…Gelsenkirchen Blog

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Wirtschaft: Tauschen ohne Geld…Ruhr Digital

 

Supergroup revisited – Die Krummgeier im Anflug

Them Crooked Vultures sind d i e  Supergroup des Jahres. Am kommenden Dienstag 8. Dezember 2009 spielen sie im Kölner Palladium.

Namedropping: John Paul Jones, hatte bereits 2007 mit dem Re-Union Konzert seiner alter Band Led Zeppelin Aufsehen erregt. Ok, der hat den Bass in der Hand. An der Gitarre und Mikrofon haben wir Josh Homme. Seines Zeichens seit Jahren im Thema Wüstenrock mit den Queens Of The Stoneage und unzähligen Nebenprojekten unterwegs. Herausheben will ich da mal die Dessert Sessions. Denn viel Gefühl von diesen mit wechselnden Musiker irgendwo in der Weite der USA eingespielten Sessions liegt auch in Them Crooked Vultures gleichnamigen Album.

Die Initiative zur Gründung dieser Supergroup ging aber nicht von Josh Homme, sondern von Drummer aus. Da haben wir keinen Geringeren als Dave Grohl. Weltbekannt geworden ist er mit Nirvana. Seit Jahren erfolgreich mit den Foo Fighters. Bei dieser Formation gab es in der Vergangenheit bereits eine Zusammenarbeit mit den verblieben Musikern von Led Zeppelin. John Paul Jones und Jimmy Page unterstützten die Foo Fighters bei ihrem Gig im Wembley Stadion.

Da bin ich mal gespannt, wie die Jungens Köln rocken werden!

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