SPD-Kanzler Merz

Kanzler ohne Reformen: Friedrich Merz, CDU (Foto: Roland W. Waniek)

In der Außen- und Sicherheitspolitik macht er bisher alles richtig. Doch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik belässt er es bei Minikorrekturen. Das wird sich rächen.

Wie war der Kanzler im Wahlkampf geschmäht worden! Den Sozialstaat werde er schleifen, den Reichen und Unternehmern, seinen Kumpels aus Blackrock-Zeiten, zu Gefallen sein; die Grenzen werde er schließen und gesellschaftspolitisch das Rad zurückdrehen. Von all dem ist bislang wenig zu spüren. Leider muss man sagen. Denn grundlegende Reformen, so hatte er ja selbst gesagt, wären dringend vonnöten, wenn es mit dem Land nicht weiter abwärts gehen soll. Wovon nur die Extremisten rechts wie links profitieren.

Merz stürzte sich zunächst verständlicherweise auf die internationalen Krisen: den Ukraine-Krieg, die Kriege in Nahost, das Verhältnis zu Trump, die Wiederherstellung der Bundeswehr. Auf diesen Feldern kann er Einiges vorweisen – mit der gemeinsamen Reise mit Macron und Starmer nach Kiyjv, dem gelungenen Besuch beim irrlichternden Herrn im Weißen Haus, der klaren Unterstützung für Israel und dem gewaltigen Investitionsprogramm in die Verteidigung.

Den Preis dafür zahlte er allerdings schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen, durch die faktische Abschaffung der Schuldenbremse und den riesigen Schuldentopf für die Infrastruktur. Damit waren Tür und Tor geöffnet. Dass die SPD als Juniorpartner in der schwarz-roten Koalition nur darauf gewartet hatte, zeigte ihr Vorsitzender Klingbeil als Finanzminister diese Woche mit seinem Haushalt für das laufende Jahr.

Mit gigantischen neuen Schulden will Klingbeil nicht nur Schulen, Straßen, Gleise, Brücken instand setzen, sondern auch andere Löcher stopfen und neue Wohltaten verteilen, von der erweiterten Mütterrente, Agrardieselsubventionen und der Pendlerpauschale bis zur Rentengarantie. Dazu die Verlängerung der Mietpreisbremse, obwohl die die Wohnungsnot nach Einschätzung von Experten nur vergrößert.

Riesige Schulden und Haushaltstricks

Von Einsparungen und einer neuen Prioritätensetzung, die Merz und die Koalition versprochen haben, keine Spur. Stattdessen wie gehabt Haushaltstricks. So sollen die gesetzlichen Krankenkassen und die Arbeitslosen- und Rentenversicherung Darlehen beim Bund aufnehmen, die sie später zurückzahlen müssen, damit die Sozialbeiträge nicht weiter steigen, womit der Anstieg aber nur verschoben wird. Von der Steuersenkung beim Strom sollen nur große Unternehmen profitieren, nicht Privathaushalte und kleinere Firmen, obwohl es ein Ausgleich für die höheren CO2-Preise wäre. Willkommenes Futter für die „Bild“-Zeitung und andere Populisten.

Mit dem Schulden-Füllhorn können Merz und seine Regierung eine Weile über die Runden kommen. Aber ab 2028, also noch vor der nächsten Wahl, müssen die drastisch erhöhten Verteidigungsausgaben, die nach der neuen Nato-Vorgabe auf mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen sollen, auch aus dem regulären Haushalt finanziert werden.

Und das geht nicht ohne kräftige Einschnitte bei den Sozialausgaben, die das Gros des Bundesetats ausmachen. Sie hinaus zu zögern, vergrößert nur die Probleme. Wie will Merz sie erreichen, wenn der nächste Wahlkampf anläuft, wenn er es jetzt nicht durchsetzen kann?

Auf Merkels Abwegen?

Womöglich will er es aber gar nicht mehr. Das Kanzleramt hat schließlich schon andere verändert. Auch Merkel war 2005 als große neoliberale Reformerin angetreten. Als sie damit fast gescheitert wäre, schwenkte sie in der Dauer-GroKo auf sozialdemokratischen Kurs um.

Wird das jetzt auch das Schicksal von Merz? Er würde sich damit nicht nur selbst schaden, sondern auch dem Land. Denn statt Steuererleichterungen für Investitionen, die der Bundestag beschlossen hat, bräuchten die Unternehmen vor allem eine Entlastung von der überbordenden Regulierung, die Innovationen erstickt, Firmen ins Ausland treibt und Investitionen im Inland verhindert. Mit der Folge, dass die Arbeitslosigkeit kräftig steigt, was die sozialen Probleme vergrößert, die Steuereinnahmen mindert und die Haushaltsprobleme verstärkt.

Vor allem bräuchte es einen Kanzler, der sich auch um die Innenpolitik kümmert und den Bürgern reinen Wein einschenkt: Die Zeitenwende und die Verteidigung gegen die russische Bedrohung, genauso die wirtschaftlichen Probleme erfordern Opfer. Für soziale Wohltaten und Wahlgeschenke ist kein Geld mehr da. Es wird wehtun, bevor es besser wird, so wie es Labour-Premier Starmer den Briten klar gemacht hat, auch wenn ihn das Stimmen kostet. Und wie es Schröder 2003 vorgemacht hat, was Deutschland damals aus der tiefen Krise half.

Merz, der sonst gerne Klartext redet, darf sich hier nicht wegducken. Viele Bürger würden es ihm danken. Von Merkel und Scholz sind sie lange genug eingelullt worden. Merz haben sie gewählt, damit es anders wird. Er muss liefern. Das weiß er selbst. Sonst haben AfD und Linke 2029 die Mehrheit. Dann: schlechte Nacht.

 

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paule t.
paule t.
20 Tage zuvor

Der Autor folgt einem ehernen konservativen Gesetz: Wenn – tatsächlich oder angeblich – zu wenig Geld im Staatshaushalt ist, darf man das Geld immer nur bei den arbeitenden Menschen oder noch besser bei den Armen und Hilfsbedürftigen suchen.

Nie, nie, nie darf man darüber nachdenken, dass eventuell die Reichen stärker belastet werden könnten, obwohl die in den letzten Jahrzehnten ja auch allerlei Wohltaten empfangen haben (Abschaffung der Vermögenssteuer, allerlei Ausnahmen für Firmenbesitzer bei der Erbschaftssteuer, Senkung der Spitzensteuer weit unter das Niveau, dass es noch bis in die 80er gab … usw.).

Aber sorry, ich habe das falsche Wort verwendet. „Wohltaten“ gibt es im konservativen Duktus ja nur in der Zusammenstellung mit „soziale“, und damit ist gleich klargestellt, dass Hilfen für die Armen eigentlich etwas Überflüssiges und leicht Anrüchiges sind („Wohltaten verteilen“, also das geht ja nun wirklich nicht), während Steuersenkungen für die Reichen natürlich niemals nicht für das da sind, was sie nun mal bewirken, nämlich dass die Reichen mehr Geld haben, und deswegen auch keine „Wohltaten“ sind, sondern ganz zwingend notwendig für den Wirtschaftsstandort, das Wachstum, und was es noch an derlei Zaubersprüchen aus der Harry-Potter-Trickle-Down-Ökonomie gibt.

Aber wie gesagt, am besten spricht man darüber gar nicht. Und deswegen kommt das im Artikel auch nicht vor.

thomas weigle
thomas weigle
19 Tage zuvor

Die Reichen werden immer ärmer und die Armen immer reicher, möchte man meinen, wenn man obigen Artikel liest. Schön, dass der Autor Mitgefühl für die armen Reichen zeigt und ihnen kein bisschen wehtun will. Schade, dass ich kein Reicher bin.

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