Loveparade: Posse um Duisburger Gedenkskulptur schnell beendet

Albumcover "Innocent Victim" (Uriah Heep 1977)

Die Duisburger Posse um eine Gedenkskulptur zur Loveparade-Katastrophe hat ein unerwartet schnelles Ende gefunden. Unerwartet deshalb, weil „im Zusammenhang mit der Love-Parade“, wie ein Blogger auf der Westen schreibt, „auch nichts erspart (bleibt). Immer wenn man meint, es ginge nicht noch dicker, kommt es noch dicker.“ Ein – vermutlich nicht nur in Duisburg – inzwischen weit verbreiteter Gedanke, von mir dennoch sicherheitshalber zitiert und nicht geklaut.

Zitiert und nicht geklaut habe er das Motiv für die Gedenkskulptur, ließ der Grevenbroicher Künstler Jürgen Meister gestern sinngemäß wissen, nachdem xtranews aufgedeckt hatte, dass es sich bei seinem Sieger-Entwurf um ein Plagiat handeln könnte. Meister gab freimütig zu, was ohnehin nicht zu leugnen war, nämlich dass es sich bei dem Bild mit den in die Höhe gereckten Händen um ein seit einiger Zeit bei Fotolia erhältliches Motiv handelt.

Gegenüber xtranews bemühte Meister gar Picasso mit dem Zitat: „Ich suche nicht, ich finde“. Dennoch kam die heutige Entscheidung der Jury auch insofern etwas überraschend, weil der Vorsitzende von Pro Duisburg, Hermann Kewitz, sich Dienstagnachmittag noch in Gelassenheit übte, wie der Westen schreibt: „Wir wollten kein Kunstwerk von Jürgen Meister, sondern eines, das die Gefühlslage trifft, eines, das uns geeignet scheint, an die Opfer zu erinnern und zu mahnen.“ All diese Kriterien erfülle der Siegerentwurf nach wie vor, „unabhängig davon, wer die Idee dazu hatte“, erklärte Kewitz gestern.

Allerdings war ebenfalls zu erfahren, dass Duisburgs Alt-Oberbürgermeister Josef Krings zur gleichen Zeit „einfach ratlos und entsetzt (war). Wie kann uns das ein Künstler in einer Zeit solcher Offenheit verschweigen und dann noch glauben, dass so etwas unentdeckt bleibt?“ Dieser Vorgang hatte ihn, so Krings, „peinlich berührt“. Immerhin stand und steht völlig außer Zweifel, dass der Meister die Jury der Spendeninitiative über sein „Zitat“ in Unkenntnis gelassen hat. Zitate sind jedoch auszuweisen.

Dies sieht inzwischen auch Hermann Kewitz so. „Er hatte ja die Gelegenheit, uns darauf hinzuweisen, woher er die Silhouette hat. Das aber hat er nicht getan“, erklärte Kewitz heute. Deshalb sah sich, so das Ergebnis der heutigen Sitzung, die Jury der Initiative Spendentrauermarsch vom Meisterkünstler getäuscht und beendete daher die Zusammenarbeit mit ihm. Im Anschluss, also so gegen 14:00 Uhr, versuchte Alt-OB Krings, Herrn Meister über diesen Schritt telefonisch zu informieren. Vergeblich.

Um 14:14 Uhr teilte xtranews mit, „gerade eben“ eine eMail erhalten zu haben, mit der Meister seinerseits seinen Wettbewerbsbeitrag zurückgezogen hat. Die Innocent-Victim-Show: “Wegen der massiven und unsachlichen Anfeindungen und Unterstellungen sehe ich mich zu diesem Schritt gezwungen. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Schuld sind die Anderen, klar, was den Künstler jedoch nicht daran gehindert hätte, an irgendeiner, nicht ganz so wichtigen Stelle einen kleinen Fehler, oder sagen wir: eine kleine Nachlässigkeit einzuräumen, die dann von bösen Neidern ausgeschlachtet worden wäre.

Nichts da. Jürgen Meister hat sich „nichts vorzuwerfen.“ Nun gut; Vorwürfe machen ihm Andere schon genug. Hier zum Beispiel: „Gerade bei einem so sensiblen Thema wie der Loveparade-Tragödie hätte der Künstler seine eigenen Gefühle und Ideen verarbeiten sollen, um ein würdiges Denkmal zu kreieren. Alle anderen Teilnehmer, die vermutlich mit mehr Aufwand, mit viel Liebe und Mühe etwas erschaffen haben, was ihrer eigenen Kreativität entsprungen ist, tun mir aufrichtig leid.“

So schreibt es Petra Röder. Sie hat als User „pdesign“ die Silhouette mit nach oben gereckten Händen bei Fotolia ins Netz gestellt. Sie erklärt, keine Ansprüche gegen Herrn Meister geltend machen zu wollen. Und, was das Loveparade-Denkmal betrifft: „Hier geht es um die Bewältigung von Trauer und deren Verarbeitung und nicht um eine finanzielle Bereicherung.“ Wohl wahr.

Petra Röder hatte übrigens ihr Bild niemals mit einem Gedanken an Trauer verbunden. Doch so kann es gehen: wenn ein Künstler kommt und häufig genug in Hände, die Freude und Jubel symbolisieren, einen „zweiten Blick“ hinein interpretiert, erkennen irgendwann auch Menschen, die die Loveparade für eine bemerkenswerte Kunstform gehalten hatten, in diesen Händen den Hilfeschrei um Rettung. Keine Frage: Jürgen Meister ist ein Künstler.

Duisburg: Posse um eine Gedenkskulptur zur Loveparade-Katastrophe

In Duisburg nehmen die Peinlichkeiten rund um die Loveparade kein Ende. Gestern hat die Initiative Spendentrauermarsch bekannt gegeben, dass sich eine Jury unter 39 eingereichten Vorschlägen für eine Gedenkskulptur entschieden hat, die ihr in künstlerischer Hinsicht am geeignetsten erschien, an die getöteten und verletzten Opfer der Loveparade-Katastrophe zu erinnern.

Die Duisburger WAZ schreibt unter der Überschrift „Die Gedenkstele: Hände, die um Rettung flehen“: „Die Hände zum Himmel gereckt. Sie scheinen auf den ersten Blick nach oben gerissen. Einer Jubelpose gleich. Wie im Moment größter Freude und Ausgelassenheit. Doch bei genauerem Hinsehen …“ kann man in ein Kunstwerk alles Mögliche hineininterpretieren; klüger ist aber – zumindest in diesem Fall: man lässt es.

Denn so wie es aussieht, ist die Initiative Spendentrauermarsch einem Künstler aufgesessen, der … – sagen wir mal so: „richtig stolz (ist) auf diese Entscheidung. Das ist der größte und wichtigste Eckpunkt meiner Karriere“. So sagt es jedenfalls Jürgen Meister, der Schöpfer des besagten Werkes. Nicht dem Grevenbroicher Tageblatt; denn dort hätte der stellvertretende Chefredakteur Horst Schlämmer gewiss knallhart nachgefragt, sondern der Neuss-Grevenbroicher-Zeitung.

Und da wird nicht ganz so knallhart nachgefragt, sondern freundlich berichtet: „Der 57-Jährige hat die Gedenkskulptur für die 21 Opfer der Loveparade in Duisburg entworfen – ein Kunstwerk mit hohem symbolischen Wert.“ In der Tat, nur: diese neuerliche Provinzposse symbolisiert etwas ganz Anderes dieser Loveparade-Katastrophe, als sich die Grevenbroicher Lokalredakteure haben träumen lassen.

Es sei ihm nicht leicht gefallen, eine ganze Woche „dicht zu halten“, erzählte Künstler Meister, der Meisterkünstler, auch noch der Grevenbroicher Zeitung – wegen seines Stolzes, versteht sich. Nicht ganz so schwer scheint es ihm gefallen zu sein, einen anderen nicht ganz unerheblichen Aspekt seines Entwurfes für sich zu behalten. Wie unangenehm für ihn, dass sogleich die Kollegen von xtranews darauf aufmerksam machen!

So wie es aussieht, handelt es sich nämlich bei „Meisters Entwurf“ um nichts Anderes als eine Eins-zu-eins-Kopie eines Bildes, das über die Fotoplattform “fotolia” jedermann zugänglich ist. Für jeden nunmehr  im direkten Vergleich bei xtranews zu betrachten: der in der WAZ abgebildete Meisterentwurf sowie das Bild aus “fotolia”. Ein Blogger unter dem Bericht in der Westen weist überdies darauf hin, es handele sich „eindeutig (um einen) Ausschnitt aus Pizzamannes Video, vergrößert und abkopiert“.

Sollte dem so sein, wäre es tatsächlich angebracht, von einer „Verhöhnung der Opfer“ bzw. von einer „Veralberung der Hinterbliebenen“ zu reden. Diese Vorwürfe sollten aber nicht gegen die Überbringer der schlechten Nachricht gerichtet werden, sondern gegen den Verursacher. So wie es aussieht, scheint es Jürgen Meister zu sein, der aus durchsichtigen Motiven die nötige Ernsthaftigkeit im Umgang mit dieser Katastrophe vermissen lässt.