
Unser Gastautor Ludger Weg sprach mit dem Kommunikationsberater Hasso Mansfeld über Demokratie und Transparenz.
Warum ist Transparenz so wichtig, obwohl das Thema in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle spielt?
Transparenz berührt den Kern der Demokratie. Zwei aktuelle Anlässe haben das Thema wieder ins politische Blickfeld gerückt: zum einen die 551 Fragen der CDU/CSU im Bundestag zur Finanzierung von NGOs, zum anderen die Pläne der neuen Koalition, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) abzuschaffen. Beide Vorgänge verschwanden schnell aus den Medien – ohne tiefergehende Analyse.
Warum herrscht so wenig Interesse an Transparenz – gerade seitens der Medien?
Das liegt auch an der inhaltlichen Ausrichtung vieler Redaktionen. Themen, die den Agenden von NGOs oder Aktivisten entsprechen, werden bevorzugt behandelt. Ein kritischer Blick auf diese Gruppen oder deren Finanzierung findet kaum statt – insbesondere, wenn die Kritik von der politischen „Rechten“ kommt. Statt inhaltlich nach Transparenz zu fragen, wird schnell eine politische Schlagseite unterstellt.
Wie sieht es mit dem IFG aus? Es war ein großer Fortschritt für Pressefreiheit und Kontrolle. Warum wird es nun wieder infrage gestellt?
Das IFG stärkt die demokratische Kontrolle. Es wurde lange erkämpft – unter anderem von Akteuren, die sich gegen staatliche oder wirtschaftliche Intransparenz engagieren. Doch wenn es plötzlich um die Offenlegung interner Unterlagen eines Ministeriums geht – wie im Fall Habecks Atomakten –, wird Transparenz in denselben Kreisen nicht mehr so hoch bewertet. Der einzige mediale Aufschrei bezog sich eher auf die Tatsache, dass Philipp Amthor als Vorsitzender des IFG-Ausschusses benannt wurde – eine pikante Personalie, weil Amthor selbst durch das IFG in Bedrängnis geraten war.
Das wirkt inkonsequent: Die CDU/CSU will Transparenz bei NGOs, aber nicht beim IFG – während die andere Seite das IFG halbherzig verteidigt, aber Transparenz in Sachen NGOs ablehnt.
Das ist demokratieschädlich. Transparenz ist ein zentrales Prinzip der liberalen Demokratie. Nur wenn politische Entscheidungen und deren Hintergründe nachvollziehbar sind, kann eine informierte öffentliche Debatte stattfinden. Transparenz schützt die Demokratie – besonders angesichts des Erstarkens extremer Parteien. Es ist paradox, dass ausgerechnet jene, die die Demokratie verteidigen wollen, sich gegen Transparenz stellen.
Sie haben den Begriff „Comment“ verwendet – was meinen Sie damit?
Ein „Comment“ ist ein inoffizielles Regelwerk darüber, wie Themen journalistisch eingeordnet werden. So wird z. B. Biolandbau regelmäßig positiv bewertet, während klassische Landwirtschaft kritisch dargestellt wird. Oder die Migration – problematische Aspekte werden oft ausgespart. Atomkraft ist teuer, erneuerbare Energie billig. Solche unhinterfragten Deutungsmuster beeinflussen auch die Berichterstattung über NGOs und staatlich geförderte Meinungsbildung.
Die 551 Fragen thematisieren genau das: die staatlich unterstützte Bildung einer bestimmten Meinung. Wird dieser Aspekt ausreichend verstanden?
Leider nein. Die notwendige Trennung von Staat und Parteien wird zu wenig thematisiert. Gerade Programme wie „Demokratie leben“ sind wichtig – aber der Staat darf keine parteipolitisch gefärbten Meinungen fördern. Parteien dürfen alles fordern, aber der Staat muss bei der politischen Kommunikation neutral bleiben und Pluralität ermöglichen.
Aber es gibt doch Berichterstattung über Missbrauch staatlicher Mittel, etwa bei Le Pen in Frankreich.
Ja, aber nur oberflächlich. Dass Le Pen EU-Gelder zweckentfremdet hat, wurde zwar berichtet – die politische Brisanz, nämlich die illegale Nutzung öffentlicher Mittel für Parteiarbeit, wurde kaum hervorgehoben. Vergleichbares geschah auch bei den Euro-Grünen, die Fraktionsmittel für ein IT-Tool einsetzten, mit dem NGOs eine öffentliche EU-Konsultation beeinflussen sollten. Oder nehmen wir den aktuellen Fall: Offenbar verrichten auch in Deutschland Fraktionsmitarbeiter von Grünen und Linken Parteiarbeit – das heißt, sie üben parteipolitische Ämter aus, für die sie während der Dienstzeit tätig sind, indem sie an Konferenzen teilnehmen, Artikel für Parteikanäle schreiben usw. Solche Vorgänge werden selten kritisch begleitet, weil sie nicht dem medialen Comment widersprechen.
Was müsste sich ändern?
Wir brauchen ein besseres Verständnis dafür, was Demokratie im Kern bedeutet – nämlich Machtkontrolle, nicht Wohlstandssicherung. In Südamerika, wo autoritäre Regime viel präsenter sind, gibt es dafür oft ein schärferes Bewusstsein. Bei uns wird Demokratie manchmal auf wirtschaftliche Vorteile reduziert. Dabei ist das Entscheidende, dass Bürger ihre Regierung auch wieder abwählen können – und das funktioniert nur mit Transparenz.
Aber der Staat fördert doch viele Demokratieprojekte – ist das nicht ein Beweis für Engagement?
Es wird problematisch, wenn diese Projekte parteipolitisch instrumentalisiert werden. Demokratie bedeutet nicht, dass nur bestimmte Parteien sie schützen. Auch neue oder kleinere Parteien haben ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe. Wenn der Staat mit öffentlichen Geldern NGOs finanziert, die fast ausschließlich Positionen einer bestimmten politischen Richtung vertreten, wird die Meinungsbildung manipuliert. Das ist demokratisch bedenklich.
Sollte der Staat NGOs also nicht mehr fördern?
Doch, natürlich – NGOs übernehmen viele wichtige Aufgaben, etwa bei Katastrophen oder im Umweltschutz. Entscheidend ist aber, dass sie Rechenschaft ablegen, wenn sie staatlich finanziert werden – vor allem, wenn es um politische Meinungsbildung geht. Es ging bei den 551 Fragen auch nicht um ein Verbot zivilgesellschaftlicher Arbeit, sondern um Transparenz über die Verwendung öffentlicher Mittel.
Warum wurde diese differenzierte Position dann als Angriff auf die Zivilgesellschaft dargestellt?
Weil viele in der öffentlichen Debatte nicht bereit sind, zwischen Kritik an Intransparenz und Ablehnung von NGOs zu unterscheiden. Dabei ist es ein demokratisches Recht der Opposition, solche Fragen zu stellen. Wer das kritisiert, greift letztlich die Rechte des Parlaments an – ein Verhalten, das wir sonst nur aus autoritären Staaten kennen.