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Wetter und Panik

Früher gab es Wetter. Heute gibt es Panik.

Noch bis vor ein paar Jahren war das mit dem Wetter so: Es kam, man ertrug es stoisch, und dann wurde es wieder anders. Gut, wer an der Küste lebte hatte immer mal ein Auge auf Strumfluten, aber ansonsten? Egal. Das hat sich geändert. Das Wetter ist eine Aneinanderreihung von Katastrophenereignissen geworden: Fällt im Sommer zwei Wochen kein Regen, bekommen wir Berichte von traurigen Bauern zu sehen, die etwas Staub durch ihre Hände rieseln lassen. „Das war mein Acker“ sagen sie mit belegter Stimme in die Kamera und man möchte mit ihnen mehr Mitleid haben als mit den Bewohnern der Sahelzone.

Über banale  Frühjahrs- und Herbststürme wird heute berichtet wie über feindliche Heere. Sturmtief „Dörte“  kommt nicht einfach, nein, es greift an mit dem festen Willen der Vernichtung. Als ob jemand der Dörte heißt mehr vernichten könnte als eine Packung Butterkekse.

In den nächsten Stunden wird es schneien. Das Tief heißt Petra. Mit einer  Petra war ich mal in einer Klasse. Wir haben Winter. Da kommt so was schon einmal vor. Auf DerWesten haben sie einen Liveticker eingerichtet.  Die Unwetterzentrale hat die zweithöchste Warnstufe ausgerufen. Bild prognostiziert 20 Zentimeter Neuschnee. Ach, und es soll Eisregen geben.

Es ist eben Winter. Man bleibt nach Möglichkeit zu Hause. Oder ist vorsichtig. Wie immer, wenn es glatt wird und viel  schneit. Einen Liveticker, der mir meldet, dass irgendein Trottel nach einer Mutprobe mit der Zunge an einem Laternenpfahl hängen geblieben ist, brauche ich nicht.  Ich wünsche mir wieder eine ganz normale Wettervorhersage und keine Frontberichterstattung.

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truetigger
13 Jahre zuvor

Grandios formuliert.

Witzigerweise sind ja gerade die Winter längst nicht mehr so schlimm wie früher, dank Klimawandel. Belegen schön die Wetter-Statistiken. Klar friert man, ist halt noch immer Winter. Aber Katastrophen sind anders.

Auf den Nachdenkseiten war kürzlich übrigens von einer Querverbindung von Berichterstattung und Winterdiensten zu lesen: die reisserische Berichterstattung soll von der Tatsache ablenken, dass unsere Infrastruktur (Strassenräumungen, Bahn, Elektrokabel) kaputtgespart wurden und jetzt früher aufgeben. Ich seh es ja eher anders herum: Durch das Kaputtsparen haben die Medien endlich die reisserischen Stories, die sie so dringend brauchen. „Dörte“ macht weniger Auflage als „Wir werden alle sterben!!!!“

kritischerLeser
kritischerLeser
13 Jahre zuvor

Einen Großteil der Leute interessiert nun einmal die Wetterlage aus den verschiedensten Gründen. Das „die Medien“ dieses Interesse nun einmal befriedigen ist ihr gutes Recht.
Es ist richtig, dass man nicht jede Schneeflocke melden muss, allerdings sind die prognostizierten zehn cm innerhalb des Ruhrgebiet schon recht außergewöhnlich – vor allem, wenn man bedenkt, dass der Verkehr hier gerne schon ab drei, vier cm Neuschnee mit erheblichen Problemen zu kämpfen hat.

matt
13 Jahre zuvor

sensationell, danke 🙂

Ulrich Voß
13 Jahre zuvor

Jetzt lässt es der EIS-WINTER auf den Straßen krachen
Schneewalze nähert sich Deutschland: Eis und Schnee: Was Sie wissen müssen – RP ONLINE

Was sie wissen müssen? Schnee und Eis sind glatt … Grrr. Und heute Abend wieder ein ARD Brennpunkt zum Thema: Hilfe. Es ist Winter und es hat geschneit.

mimi müller
13 Jahre zuvor

Also ich find das toll! Dreissig Flocken fallen – und das Land ist im Ausnahmezustand. Katastrophenmeldungen, Unwetterwarnungen, – großartig. Ich zelebriere das! Da schieben sie alle nackte Panik und werden zurückgeworfen auf alles, was Not tut. Die Entdeckung der Langsamkeit, Umsicht, Vorsicht, festes Schuhwerk – etwas Elementares liegt in der Luft, etwas, das anders ist, als das zentralbeheizte Leben. Mitmenschlichkeit greift um sich. Zu keiner Zeit werden die Menschen so langsam, selten wird so viel miteinander geredet, wie jetzt, die Omi von nebenan wird mal gefragt, ob man was einholen kann (obwohl die das Abenteuer „Schnee“ lieber selbst erlebt. Das ist doch mal ne Herausforderung auf die alten Tage!). Es ist so schön! So weiß, so ruhig, so allumfassend. Und man kann gar nichts dagegen tun! (Letzte Woche haben sie noch die Anfänge mit dem Laubbläser weggepusten können – heute ist Schicht im Schacht . Die Ohrstöpsel raus – jetzt hört man nur die Flocken fallen)

Zeit, Mensch zu sein. Und diese Wetterwarnungen – die treiben so richtig hinein. Mitten ins „nackte“ Leben!

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Eine der vielen Klimatheorien sagt, (ich bringe das jetzt mal verkürzt):
Je wärmer es wird, desto kälter wird es werden, und am Ende steht uns eine Eiszeit bevor.
Stefan, sowas macht mir Angst!
Vor allem, weil ich diese Theorie verstanden hab.
Da ist es doch naheliegend, mißtrauisch auf das Thermometer zu schauen.

David Schraven
David Schraven
13 Jahre zuvor

Ich verfolge die Wettermeldungen auch. Klar ist es kalt, aber ich frage mich, wie ich gesund nach Hause komm. Bin gerade wieder unterwegs.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

@ Helmut # 6

Ich habe gelesen, dass es auch die kommenden Jahre (wieder) lange und kalte Winter bei uns geben wird, weil der Golfstrom durch das massiv abbrechende/abschmelzende Eis des Nordpols (erst einmal) kälter wird bzw. schon geworden ist.

Aber ich muss zugeben. Schnee der länger liegen bleibt, weil es richtig kalt ist, hat was. Gerade in der Stadt. Frage mich, wie sich jetzt und in den kommenden Wintern die Leute in der Bottroper Skihalle (größte der Welt natürlich) fühlen. Verarscht? Oder schalten die das Ding ab, wenn draußen mehr Schnee liegt als drinnen?

gerdos
gerdos
13 Jahre zuvor

Das alles halte ich für eine gehörige Portion Propaganda der sogenannten Leitmedien. Denke ich doch auch daran, dass die Streudienst in vielen Regionen privatisiert wurden und das Ergebnis in Gestalt schneeweißer Straßen und Blechschäden zu bewundern ist. Der Winter bringt nun mal weniger, mal mehr Schnee mit sich. Wenn die Winterreifenlager leer gekauft sind, kommt bestimmt die Schneekettenpflicht ab 5 cm Neuschnee. Wetten?

Folgende Anekdote verdeutlicht die neoliberale Panikmache:
Ein mit Holzhacken beschäftigter Cowboy fragt einen zufällig vorbeikommenden einheimischen Indianer, ob wohl ein strenger Winter bevorstünde. Der Indianer antwortet ihm , dass dies erfahrungsgemäß durchaus der Fall sein könnte.
Daraufhin hackt der Cowboy noch mehr Holz um vorbereitet zu sein. Auf dem Rückweg wird der Indianer noch einmal gefragt, ob es auch wirklich zutreffe, dass der Winter sehr streng sein wird. Darauf der Indianer: “Der kommende Winter wird mit großer Wahrscheinlichkeit besonders streng!” Es wird noch mehr Brennholz zerkleinert. Der Berg wächst und wächst.
Am Abend sieht der Cowboy mit seinen Zweifeln den Indianer ein drittes Mal vorbeigehen und fragt ihn wieder nach seiner Prognose für den Winter, worauf der Indianer jetzt sagt, es würde der schlimmste Winter, den die Region je erlebt hätte.
Auf die Frage des Cowboys, woher der Indianer denn seine weise Erkenntnis hätte antwortet ihm der Indianer: “Altes indianisches Sprichwort sagt, wenn der weiße Mann viel Holz hackt wird es einen kalten Winter geben!”

Mika
13 Jahre zuvor

Ist das dieses Stalingrad, von dem meine Altersgenossen immer von Ihren Großvätern gewarnt worden sind? So mit Schnee und abfrierenden Zehen?
Bleibt der Winter jetzt länger und muss ich doch tatsächlich mal meine Turnschuhe gegen richtige Treter wechseln? Vielleicht gar zusätzlich nach Handschuhen suchen? Aber wenn es so kalt bleibt, mache ich im Haus mal die Heizung an!

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ Mika
Mika, schau dich sicherheiltshalber noch mal draußen um. Wenn unter dem Schnee auf den Straßenschildern kyrillische Buchstaben sichtbar werden, dann ist Gefahr im Verzug.

Sollte auf dem Eingangschild zu deiner Stadt dann, nach dem du es freigeschaufelt und gereinigt hast, auch noch der Name Wolgograd erscheinen, wird es höchste Zeit das Weite zu suchen.

Kurz vor Weihnachten wird in dieser für immer verdammten Stadt die Jahreszahl auf 1942/43 zurückgedreht und dann steckst du voll im Schlamassel. Dann wirds da nicht nur noch kälter sondern auch noch mit allem was in dieser Zeit an Waffen zu Gebote stand rumgeballert.

An Neujahr ist der Spuk aber wieder vorbei. Zumindest für die, die nicht getroffen wurden. Aber das Risiko, dass es doch passiert, ist verdammt hoch. Auch und gerade für Zivilisten in Turnschuhen.

trackback

[…] Wetter und Panik (Ruhrbarone) – Früher gab es Wetter, heute Panik. […]

Frank (Frontmotor)
13 Jahre zuvor

Nabend allerseits. Komme leider erst jetzt dazu, meine hohe Theorie zu Stefans Beobachtungen abzugeben:

Geht so: Seit dem Internet sind die früheren Qualitätsleitmedien (SPIEGEL, Stern usw.) zu einer Art Dorfsaujournalismus gekehrt, der uns mit aktuellen aber unwichtigen, und vor allem nur kurzfristig haltbaren Newschnippseln in Atem halten soll. 99% davon betreffen den Leser aber eigentlich nicht. Er wird nur emotional berührt.

Zu dem, was den Normalleser betrifft, wo er sich „nachrichten“ könnte, wird eigentlich nichts gesendet. Wie es ein #S21 Twitterer sagte: Wenn uns auf dem Stuttgarter Bahnhofsplatz die Schädel eingeschlagen werden, sendet der SWF „Kandierte Früchte selbst gemacht“. Wenn es aber draußen schneit, gibts ne Sondersendung.

Das liegt meiner Meinung nur daran, dass das Wetter (und übrigens auch das Klima und sein Wandel) das einzige Thema ist, das jeden betrifft, und das politisch ungefährlich ist. Es gilt sogar als Nachricht, wenn erwartete Unwetter ausbleiben..!

Optisch wurde es zu einer Art Unternehmensberatung für Fernsehzuschauer aufgewertet. Die heutigen Wettermetereologen im Fernsehen haben eine Gestik, Präsentationen und Rhetoriken drauf, wie man sie vor 10 Jahren nur von Unternehmensberatern kannte.

++++ Übrigens:++++ In der vergangenen Nacht sind mehr Schneeflocken gefallen, als bisher bekannt… Wie der Deutsche Wetterdienst soeben meldet…

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