2010: City of Cities

flickr/ariturk

Plötzlich war sie da, die Frage: Wer ist gerade die zweite europäische Kulturhauptstadt ?
Neben Liverpool. Weiß das jemand? Kennt das jemand?

Machen wir einen Sprung ins Jahr 2010: Drei Städte sind dann Europäische Kulturhauptstadt, und ich habe schon Angst um die anderen zwei. Denn worum geht es bei der Kulturhauptstadt? Um Besucher, neue Musentempel, herausragende Veranstaltungen, glückliche Menschen. Aber vor allem – und vor allem im Ruhrgebiet – geht es um den guten Ruf.

Bilbao, Glasgow, Weimar haben sich seinerzeit so rausgeputzt, dass sogar ich noch von ihnen weiß. Und warum? Weil darüber berichtet wurde, viel, überall. Was wird also 2010 sein? Wohin geht die Reise der Reisejournalisten, Korrespondenten, Weltfeuilletonisten, Fernsehmannschaften, Berichterstatter? Nach Pecs? Nach Essen? Nach Istanbul?

Bislang dachte ich, egal wie die Vorbereitungen auf 2010 laufen, wie die freie Szene auch meckert. Wenn es losgeht, dann geht es los, weil die Überreste des Fordismus, der kontrollierte Zerfall und das bisschen Phoenix für die Welt da draußen genug ungesehene Bilder liefern. Aber können Förderturm, Gebläsehalle, Dampfmaschine wirklich gegen Istanbul anstinken und Weltfragen: Wo beginnt und endet Europa? Wie groß ist Istanbul, das zweite Rom, wie jung, modern, kopftuchlos, kultiviert ein islamisches Land? Sagen wir es so: Zeche Fritz trifft auf die Hagia Sophia.

Ruhr 2010 wird also doch kein Selbstläufer! Und hoffentlich nicht nur White Trash, ein Volksfest auf der A40. Ich sehe schon diese Szene vor mir, eingefangen vom BBC-Worldservice, ein einsamer, alternder Jogger wackelt durch Industrienebel, denn über Ruhr 2010 wird erst im Herbst berichtet, weil es leider doch nicht abgeht.

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Stefan Laurin
Admin
16 Jahre zuvor

Istanbul, oder um meinen griechischen Vorfahren eine Freude zu machen, Konstantinopel, hat alle Chancen im Rennen um die Aufmerksamkeit 2010 den ersten Platz zu machen. Die Geschichte dieser Stadt ist so ungeheuer spannend, die Geschichten, mit denen man sie verbindet bis heute so aktuell, dass es das Ruhrgebiet sehr schwer haben wird.

Thomas
16 Jahre zuvor

>Istanbul, oder um meinen griechischen Vorfahren eine Freude zu machen, Konstantinopel, hat alle Chancen im Rennen um die Aufmerksamkeit 2010 den ersten Platz zu machen.

Absolut. Die Stadt ist groß. Da brechen sich die Wellen, da landet viel an. Ich bemühe mich, immer wieder gern da zu sein. Mit den Billigfliegern kann man ja sowas schnell übers Wochenede einstielen.

Und als jemand, der gewissermaßen in Klein-Istanbul, einem spannend und anomisch lebendigen Kiez einer Hafenstadt seinen Erstwohnsitz hat, ist mir auch das Phlegma dorten vertraut. Jedenfalls das Subkulturelle.

https://deutsche.wordpress.com/2006/11/23/hintergrund-ist-hochfeld-uberall/

Ich glaube generell, das Stanbul, um meinen türkischstämmigen Nachbarn eine Freude zu machen, größer ist als das Revier es in Zukunft sein wird. Weil: Da lebt was auf. Während hier es verstorben ist.

Außerdem bin ich natürlich ein großer Fan von Bodrum, bzw Halikarnassos, um Deinen griechischen Vorfahren eine Freude zu machen. Im Spätherbst. Wenn man das Wetter aushalten kann. Auch wenn die reichgewordenen Mittelschichtsrussen, vorher waren es Engländer, Brits, das jetzt okkupiert haben. Die sich Europa on the sunny Side gönnen wollen, deswegen also nicht mehr auf der Krim urlauben.

Aber – das ist eine andere Geschichte.

Arnold Voß
Arnold Voß
16 Jahre zuvor

Von der Substanz her – für die Kulturhauptstadt zählt ja nicht nur was schon da ist sondern was durch die diesbezüglichen Bemühungen dazu kommt – sehe ich es nicht ganz so düster. Wenn ich mir aber anschaue wie jetzt, wo wirklich alle Kräfte im Ruhrgebiet als gutes Team zusammenspielen sollten, genau das Gegenteil passiert, kriege ich allerdings Bauchschmerzen.

Die einzige gemeimnsame Klammer, der RVR, wird wieder einmal (das wievielte Mal eigentlich?)aus den eigenen Reihen angeschossen.Die Stadt Essen vermarktet sich mal wieder im Rahmen der neuen Karstadtmall als einzige „wirkliche“ Weltstadt des Ruhrgebietes. Die Werbekampagne des Initiativkreises sorgt für mindestens zwei konkurrierende Vermarktungslogos.Das Programm wird auf Grund der vorherigen Personalquerellen sowieso erst auf der letzten Minute fertig und damit auch das zugehörige Tourismusprogramm.Und Ruhr als Begriff kennt bislang kaum einer auf der Welt.
Das kann also gar nicht einfach „gegen“ Istambul werden, obwohl die ja eigentlich Partnerstadt und nicht Konkurrenzmetropole ist. Aber es wird auch noch Konkurrenten ganz in der Nähe geben. Düsseldorf und Köln werden es sich nicht entgehen lassen, Ruhr mit ihrem Veranstaltungsprogramm für 2010 zu zeigen wer an Rhein und Ruhr „wirklich“ was zu bieten hat.Und dann sind da noch Berlin und Paris und London, die ein ganzes Stück näher am Ruhr liegen als Istambul und auch ohne Kulturhauptstadtsiegel ne Menge Kultur zu bieten haben.

Hoffentlich begreifen dass langsam auch unsere Oberbürgermeister.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
16 Jahre zuvor

Ja, gute Gründe für den sich hier abzeichnenden Abgesang auf die Ruhrkulturhauptstadt in 2010 gäbe es reichlich ? keine Frage. Seit der Vergabe des Titels an das Ruhrgebiet sind zwei sagenhaft lange Jahre vergangen (die Hälfte der Vorbereitungszeit!) und wir merken alle, wie wenig wir eigentlich wissen über unsere Hauptstadtplanungen. Die nächsten beiden Jahre werden allerdings brutal kurz ? und damit wird auch die Versuchung größer, aus sog. ?Zeitgründen? auf sog. ?Bewährtes? zurückzugreifen. Schon jetzt proklamiert der Künstlerische Direktor für die ?Stadt der Möglichkeiten?, diese – also die ?Stadt der Möglichkeiten? ? sei ja seit der IBA bereits vorhanden und müsse für das Kulturhauptstadtjahr nur noch möglichst effektvoll (mit wenigen, aber großartigen Bildern) inszeniert werden. ?IBA reloaded? (plus ein bisschen ?creative cities?). Das ist nicht wenig. Aber auch nicht viel. Und so richtig fröhlich kommt mir dieser Pragmatismus auch nicht vor.

Was tun?

Lasst uns mal über Demokratie sprechen (und nicht über Kunst, Kultur, Tourismus etc.)! Wo findet Demokratie statt in dieser ?Kulturhauptstadt neuen Typs?? Wo wollen wir, dass sie stattfindet? Gibt es etwas, dass in dieser Kulturhauptstadt demokratisch entschieden werden sollte? Wenn sich ?Stadt? verändert (und das ist im Ruhrgebiet ja offenkundig), wie muss sich demokratische Teilhabe an dieser Stadt verändern? Kann die Kulturhauptstadt da eine Vorreiterrolle einnehmen? Braucht es dafür ein konkretes Projekt? Braucht es womöglich einen Ort, den es bislang nicht gibt?

Arnold Voß
Arnold Voß
16 Jahre zuvor

Gott im Himmel, die IBA ist schon mal international abgegrast worden und die Industriekultur gibt´s mittlerweile auch woanders.Die in einem Industriedenkmal befindliche neue Tate-Gallery in London alleine hat im letzten Jahr fast genauso viele Besucher gehabt wie das ganze Ruhrgebiet einschließlich der gesamten Route der Industriekultur zusammen.Das Ding steht eben mitten in einer echten und angesagten Metropole und nicht am Rande der „Weltstadt“ Essen.

Aber dafür muss sich niemand schämen. Er muss sich nur ganz schnell vom im Ruhrgebiet zur Zeit grassierenden Metropolenfieber befreien. Anders sein ist nicht eine Frage der Größe.Witzig und neu sein erst recht nicht.Und total interessant ist eben auch sehr attraktiv.(Das Woody Allen Prinzip eben)

Eine Stadt braucht keine Skyline um aus der Menge herauszuragen.Wer schön wenn das auch Herr Petzinka begreifen könnte.Aber ein bisschen anders, ein bisschen witzig und ein bisschen neu reicht eben auch nicht.Und Weniger ist in diesem Fall auch Mehr.Das gibt dann auch die wenigen aber großartigen Bilder, die natürlich in der heutige Medienwelt gebraucht werden.

Wer die alte Nummer weiter durchziehen will, dem empfehle ich stattdessen eine riesige ( mindest doppelt so hoch wie der Gasometer in Oberhausen) Statue von Karl – dem Schal – Ganser. Der berühmte Halsschmuck sollte nachts rot angeleuchtet werden, damit die SPD auch ihre Freude dran hat und echt im Wind wehn (notfalls künstlich erzeugen) . Sagen wir so von Dortmund bis Duisburg. Wenn das keine Skyline ist, dann weiß ich es auch nicht mehr.

P.S.Nichts für ungut Herr Ganser, sie wissen dass ich sie sehr schätze, aber das musste jetzt einfach sein

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
16 Jahre zuvor

Die IBA ist DIE städtebauliche Tradition, für die das Ruhrgebiet international anerkannt ist; daran anzuknüpfen, also die IBA weiter zu bauen, ist nicht mehr und nicht weniger als eine intellektuelle und ökonomische Selbstverständlichkeit. Und das wird niemand ernsthaft kritisieren wollen (auch dann nicht, wenn andere Städte mittlerweile ebenfalls ?in Industriekultur machen?). Das enorme Potenzial an Andersartigkeit, das diese Region gegenüber konventionellen Stadtkonzeptionen aufweist ? es steckt nun mal besonders in jenen Räumen, die mit der IBA entdeckt wurden. Dass dieses Potenzial an Andersartigkeit nicht immer genutzt, des öfteren auch zerstört wurde, steht auf einem anderen Blatt.

Vielleicht ist zehn Jahre nach Ende der IBA der kollektive Kopf des Ruhrgebiets noch nicht frei für etwas substanziell Anderes. Wo soll es auch herkommen? Diejenigen, die noch vor zehn Jahren IBA-Beauftragte ihrer Städte waren, sind womöglich heute die RUHR.2010-Beauftragten der gleichen Städte. Und sie sind mit der IBA eben noch längst nicht ?fertig?.

Wer also mehr will als ?IBA reloaded?, ?Ruhrtriennale XXL? und ?Loveparaiderabad? auf der A40, der sollte nicht auf die Oberbürgermeister oder Herrn Petzinka schauen. Das hilft nicht (und das wissen wir auch alle).

Arnold Voß
Arnold Voß
16 Jahre zuvor

Die haben aber in Ruhr zur Zeit ne Menge zu sagen, oder? Und das enorme Potential an Andersartigkeit dieser Region liegt keineswegs nur in den von der IBA entdeckten bzw. neu- und umdefinierten Räumen. Überhaupt konnte die IBA ganz schlecht mit dem umgehen, was ich den „realen Ruhr-Stadt-Dschungel“ nenne, sprich mit Unwegbarkeit,Leere und Undefiniertheit.Können Architekten und Städtebauer herkömmlicher Coleur sowieso nur ausnahmsweise.Sie können halt nicht ihren Entwerferkopf abschalten. Da muss am Ende dann doch immer was anders sein als vorher. Da muss räumlich Struktur rein und irgendein Konzept von Ästhetik.Leere muss gefüllt und Unwegbarkeit muss zumindest Orientierungspunkte bekommen.Ich habe da grundsätzlich nichts gegen. Hier wäre aber an einigen Stellen weniger Gestaltung sinnvoller gewesen.

Auch was die Gebäude selbst betrifft.Warum konnte die Jahrunderthalle nicht im wesentlichen (und natürlich unterfüttert durch Erhaltungsmaßnahmen)so bleiben wie sie war? Dieser überwältigende Gebäudekomplex hätte seine Nutzer gefunden bzw. hätte man ihn so wie er war weltweit und jährlich als Kunstraum „ausschreiben“ können. Vom Ansatz her wie sie und ihre Team, Herr Haas, es jetzt sozusagen in der Fläche mit Land for Free machen wollen.Allerdings jedes Jahr mit einem anderen Programm und nicht als Inkubator für darüber hinausreichende Konzepte.

Mit der richtigen Werbepower (die insgesamt auch über die Jahre unendlich viel weniger gekostet hätte als das was jetzt mit dem Gebäuden gemacht wird) wäre dieses Ensemble und das Ruhrgebiet international noch viel bekannter geworden. Und die Besucher kämen nicht zum größten Teil aus Ruhr und Umgebung.Und es wären wahrscheinlich sogar mehr,wenn wirklich spannende Künstler u.ä.sich dieser Räume angenommen bzw. sie auf Zeit umgenutz und umgestaltet hätten. (Ich habe das übrigens „damals“ in einem Essay quasi öffentlich als eine alternative Perspektive aufgezeigt)

Ansonsten gebe ich ihnen recht.

Arnold Voß
Arnold Voß
16 Jahre zuvor

P.S. Ich weiß, nach Hinten schauen bringt im Moment nicht allzuviel. Aber diese kritiklose „Anhimmelung“ der IBA ist wirklich nicht die beste Voraussetzung, sie konstruktiv weiter zu bauen.Es wäre vielmehr eine „intellektuelle Selbstverständlichkeit“ und zugleich höchste Zeit die beabsichtigten Wirkungen mit den eingetretenen zu vergleichen und sich zu fragen, was man besser machen könnte bzw. was „damals“ wohlmöglich auch falsch gelaufen ist.Wäre eigentlich auch ein Thema für die Kulturhauptstadt.

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