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Ampel: Die Enttäuschung der Klimaschützer ist vorprogrammiert

Greta Thunberg. Quelle Wikipedia, Foto: Anders Hellberg, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die erfolgreichen Sondierungsgespräche in Richtung einer Ampelkoalition waren in den vergangenen Tagen auch mein Politik-Thema der Woche. Ganz ehrlich: Ich habe mich, für mich selbst auch etwas überraschend, über den Auftritt der drei Parteien auf der Pressekonferenz am Freitag sogar innerlich gefreut. Als Christian Lindner, Annalena Baerbock, Robert Habeck, Olaf Scholz und das (dort etwas überflüssig wirkende) Führungs-Duo der SPD vor die Kameras und Mikrofone trat und von guten Gesprächen zu berichten wussten, die in dieser Woche in offiziellen Koalitionsverhandlungen münden sollen, verspürte ich etwas von der erhofften Aufbruchstimmung. Ich habe überraschend viel von dem frischen Wind gespürt, den ich mir für die Zeit nach der Bundestagswahl gewünscht hatte.

Wenn natürlich auch die Inhalte des vorgelegten Papieres noch wenig konkret waren, große Hürden zu überwinden sind, bevor SPD, Grüne und FDP die neue Bundesregierung bilden werden/können/dürfen, versprühten die Vertreter der Parteien in Berlin durchaus die Energie, die es brauchen wird um dieses Land in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

Erschreckend fand ich hingegen den postwendend folgenden Widerspruch, den bekennende Klimaschützer im Nachgang der Pressekonferenz öffentlich gemacht haben. Sie offenbarten dadurch (einmal mehr) eine gehörige Portion politischer Naivität.

So kritisierten zum Beispiel Jakob Blasel und Luisa Neubauer von Fridays for Future konkrete Maßnahmen, die in den Verhandlungen in Sachen Klimaschutz als Ziele ausgegeben wurden. Ihnen gehen die ersten formulierten Maßnahmen der ‚Ampel‘ nicht weit genug. Auch die Grüne Jugend hat das zwölfseitige Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP für Koalitionsverhandlungen zu einer möglichen Ampel-Koalition kritisiert.

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte der Blasel, dass es harte Koalitionsverhandlungen brauchen werde, „damit das 1,5-Grad-Ziel nicht völlig außer Reichweite gerät“. Das betreffe vor allem den Verkehrs- und Landwirtschaftssektor. Neubauer rügte öffentlich, problematisch sei nicht, was in dem Papier stehe, sondern eher, was darin nicht enthalten sei. So finde sich dort weder ein verbindlicher Kohleausstieg noch eine gerechte CO2-Bepreisung.

Unabhängig davon wie man persönlich zu diesen Punkten stehen mag, zeigen die Reaktionen doch, wie naiv viele selbsternannte Klimaaktivisten offenbar an die Sache herangehen. Ähnlich weltfremd hatte sich zuletzt ja immer wieder auch ihr Vorbild Greta Thunberg geäußert, die bei ihren Reden und Interviews häufig durchblicken ließ, dass sie sich selbst offenbar dazu in der Lage sieht, nur durch eine wiederholt vorgetragene Forderung an andere, das Weltgeschehen nachhaltig und erfolgreich nach ihren Vorstellungen zu verändern.

Auch Blasel und Neubauer scheinen allen Ernstes zu erwarten, dass sich die ‚Forderungen‘ der Klimaaktivisten in der Politik einer zukünftigen Bundesregierung vollends wiederfinden werden. Das wird, auch bei einer Beteiligung der Grünen, aus vielen verschiedenen Gründen natürlich nicht der Fall sein.

Zuallererst vertreten die Grünen ja nur rund 15 Prozent der Wähler in Deutschland. Dann geht man in solche Verhandlungen natürlich auch nicht mit dem Anspruch alle seine Anliegen zu 100 Prozent durchsetzen zu können. Und zudem waren ja die Forderungen der Grünen im Wahlkampf 2021 vielen Klimaaktivisten schon nicht weitreichend genug.

Dass die zukünftige Bundesregierung, egal wie sie am Ende zusammengesetzt sein wird, den Klimaschutz deutlich vorantreiben dürfte, ist klar. Trotzdem wird es natürlich keine Regierung sein, die alle Forderungen von Fridays for Future oder ähnlicher Organisationen vollumfänglich umsetzen kann und wird. Der Glaube daran ist schlicht weltfremd.

Wie schnell man mit solchen Vorstellungen vor die Wand läuft, das habe ich persönlich übrigens schon vor gut zehn Jahren miterleben müssen, als ich seinerzeit extra Mitglied der Grünen geworden bin, um eine Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks ‚Datteln 4‘ zu verhindern, dann aber entsetzt feststellen musste, dass die in diesem Punkt offensiv formulierten Forderungen der Grünen aus dem Wahlkampf 2010, nach der Wahl völlig unter den Tisch gefallen sind.

Eine wackelige Minderheitsregierung der Landesgrünen hier in NRW, gemeinsam mit der damals eher Kohlefreundlichen SPD, sorgte nach der Landtagswahl 2010 dafür, dass man sich bei dem für mich so wichtigen Thema seitens der Grünen schlicht wegduckte, um den Koalitionsfrieden und wohl auch die eigenen Posten in der Landesregierung nicht zu gefährden. Ein ähnlicher Verlauf dürfte jetzt auch hier drohen.

Selbst wenn man davon ausgehen kann, dass der Klimaschutz in einer zukünftigen Bundesregierung ein wichtiger Punkt sein wird, dürfte die Realität längst nicht vollumfänglich den Vorstellungen von Fridays for Future, ja nicht einmal denen der der Grünen entsprechen.

Aber das werden Thunberg, Neubauer & Co. vermutlich auch noch lernen. Das ging mir damals ja nicht viel anders. 😉

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Arnold Voss
Arnold Voss
2 Jahre zuvor

Tempo 130 hätte ich allerdings schon erwartet, dafür dass die FDP ihre als Wachstumsdynamik Förderung kaschierte "Pro-Reiche-Steuer-Politik" durchsetzen konnte.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
2 Jahre zuvor

Es gibt viele Gründe warum ökologische Forderungen schwer umsetzbar sind.
Die meisten hängen direkt mit Wohlstands- und Besitzstandseinbußen zusammen, die daran hängen.
Ein zweiter wichtiger Grund ist die völlige anthropologische und philosophische Fehleinschätzung des Subjektes Mensch.
Der Mensch ist zwar zum vernünftigen Handeln fähig, aber diese Vernunft steht schon rein biologisch höchstens an dritter Stelle.
Schematische Logik, wie die Klimajünger betreiben ist daher zwar logisch aber anthropologisch völlig unvernünftig, wie sehr viele der Geisteswissenschaft entsprungene logischen Schlüsse.
Solange der Mensch keine Logikmaschine ist werden daher die Fehlschlüsse aus dieser Richtung sogar noch zunehmen.
Die jüngsten Ergebnisse der biologischen Forschung müssen erst in die Geisteswissenschaftlich verarbeitet werden, solange das nicht geschehen ist, fehlt es einfach an einer Grundlage um richtige Schlüsse über die richtigen Methoden zu ziehen.
Fridays for Future jedenfalls befinden sich in einer Naivitätsfalle, die eigentlich dieser Generation schon bewusst sein sollte.
so hat sich zwar das Umweltbewusstsein deutlich erhöht, aber praxistaugliche Vorschläge stehen noch auf dem Stand der 60ziger Jahre, mit eine paar Vor- aber auch Rückschritten

Werntreu Gol9
Werntreu Gol9
2 Jahre zuvor

Sie geben den jungen Leuten doch indirekt recht, wenn Sie Ihre eigenen Erfahrungen schildern. Mit Lindner wird man das Steuer nicht rumreissen können. Das hätte nach dem Wahlergebnis, wenn überhaupt nur mit einer ganz großen "Verfassungskoalition" von SPD, CDU und Grünen geklappt.

Es mag sein, dass sich Habeck, Lindner und Co. Ihnen gegenüber gut verkauft haben, mich können die aber nicht täuschen. Eine Klimawende, die niemanden etwas kostet, wird es nicht geben. Und weil SPD und FDP letztrlich das größere Sagen haben, wird im Zweifel mehr darauf geachtet, dass es sozial gerecht zugeht und gleichzeitig die Reichen nicht belastet werde. Das geht dann wie im Fall Datteln zu lasten der Umwelt.

Helmut Junge
Helmut Junge
2 Jahre zuvor

Von dem, was ich bisher erfahren konnte, bin ich nur deshalb nicht enttäuscht, weil ich so etws erwartet hatte. FFF wird massiv Zulauf bekommen, und wer die Grünen schon im Wahlkampf kritisiert hat, wird sich bestätigt fühlen. Einzig die FDP wird von ihren Anhängern gelobt werden.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
2 Jahre zuvor

“damit das 1,5-Grad-Ziel nicht völlig außer Reichweite gerät”.
Für ein Weltrettungsprogramm sollte man auch nicht zu provinziell sein. Der 1,5⁰-Drops ist bereits gelutscht. Alles was nicht über 3⁰ geht, werden wir als Erfolg feiern müssen.
https://climateactiontracker.org/countries/
Bei den größten Emittenten unter den Staaten ist mit stark steigenden Werten zu rechnen. In China stehen Fabriken an vielen Tagen still, weil es an Strom mangelt. Dieser Mangel wird auf die Schnelle nur mit Kohlekraftwerken zu beheben sein.
https://www.nzz.ch/data/wirtschaft/china-europas-firmen-leiden-unter-der-energiekrise-ld.1650133
Woher der NZZ-Autor den Optimismus nimmt, Xi Jinping wäre das Klima im Vergleich wichtig genug nicht zu Kohle zu greifen, wenn die Planung dazu bereits steht, bleibt eine offene Frage. Weil er es versprochen hat?
Dann ist ja gut, dann gibt es auch keine "Umerziehungs"-Lager.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
2 Jahre zuvor

In der Tat besteht die Gefahr das wir im falschen Hamsterrad rennen und am Ende zu wenig dort investieren, wo die Folgen abgemildert werden.
Leider ist auch Dank des populistischen Opportunismusses der grünen Informationspolitik und der Privatisierung der Forschung mittlerweile öffentlich von Fachunkundigen nicht mehr herauszubekommen, welche realistischen Optionen bleiben.

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