ARD nach Schlesingers Rücktritt: Alles muss auf den Prüfstand

Patricia Schlesinger Foto: re:publica Lizenz: CC BY-SA 2.0


Die ARD im Schock, ihre Vorsitzende Patricia Schlesinger flieht nach nicht einmal einen Monat, in dem ihre Verfehlungen ans Tageslicht kamen, von der Spitze des öffentlich-rechtlichen Senderverbunds. Ihre Hoffnung, als rbb-Chefin jetzt die Zügel in die Hand zu nehmen und die Aufklärung von vorne zu betreiben, ist zum Scheitern verurteilt.

Patricia Schlesinger sollte sich lieber heute als morgen ehrlich machen und auch ihre Aufgaben als rbb-Intendantin gänzlich niederlegen. Weitere Enthüllungen drohen und können das schon jetzt schwer angeschlagene ARD-Schiff komplett zum Kentern bringen.

Der Sender für Berlin und Brandenburg zitierte Schlesinger am Abend in einer Pressemitteilung: „Die öffentliche Diskussion um in meinen Verantwortungsbereich fallende Entscheidungen und Abläufe im rbb berührt inzwischen auch die der ARD. Die Geschäftsleitung des rbb und ich sehen unsere Hauptaufgabe jetzt darin, zur Aufklärung dieser Vorwürfe beizutragen.“ Den Vorsitz der ARD übernimmt interimsweise Tom Buhrow (WDR). Ab Anfang 2023 soll dann SWR-Intendant Kai Gniffke die ARD-Aufgaben übernehmen.

Wie bei allen großen Affären geht es auch beim rbb um Geld, um viel Geld. Es soll höchst dubiose Beraterverträge geben, fehlerhaft abgerechnete Abendessen in der Privatwohnung, der Dienstwagen soll mitunter auch familiär eingesetzt worden sein – die Enthüllungen von „Business Insider“ sind ein Fass ohne Boden.

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann der Rücktritt der Vorsitzenden nicht bedeuten, dass jetzt Ruhe einkehren muss und alles weiterläuft wie bekannt. Im Gegenteil, Buhrow muss jetzt den Startschuss für die ARD-Modernisierung geben. Wozu braucht es so viele Senderanstalten? Sind überhaupt so viele Sender notwendig? Und muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich so viel kosten oder geht es auch ein wenig günstiger? Alles muss auf den Prüfstand.

Ernsthafte Fragen müssen sich aber auch die obersten Journalisten im Land stellen lassen. Es ist gut, dass Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands und damit quasi so etwas wie der Erste Reporter im Land, schon vor Tagen maximale Aufklärung beim rbb gefordert hat. Aber wie kommt es, dass Journalisten den inneren Kompass verlieren und über Stränge schlagen, die sie als Reporter noch kritisiert hätten? Junge Journalisten sollten so etwas lernen wie Ethik. Wer den Finger in die Wunde bei anderen legen möchte, sollte selbst keine Angriffsflächen bieten. Der oft herablassende Ton in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender sollte der Vergangenheit angehören.

Der Dank der Öffentlichkeit geht an die Recherche-Großmeister beim „Business Insider“: Chefredakteur Kayhan Özgenc und Jan C. Wehmeyer, Leiter Investigative Recherche und Mitglied der Redaktionsleitung, haben seit der ersten Berichterstattung vor etwas weniger einen Monat stoisch die richtigen Fragen gestellt. Wohltuend, ohne Schaum vorm Mund, sich auch von Medienjuristen nicht ins Bockshorn jagen lassen.

Wenn ich Mathias Döpfner wäre, würde ich heute, oder von mir aus in den kommenden Tagen mein Team in den Club einladen und ihnen für ihre exzellente Arbeit für die Gesellschaft danken. Und das auch im Namen der Zeitungsverleger, als dessen Vorsitzender er ja noch bis zum Herbst amtiert.

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yohak
yohak
1 Jahr zuvor

Warum Rücktritt nur als ARD-Vorsitzende, aber nicht als RBB-Intendantin? Es dürfte wohl daran liegen, daß Schlesinger ihr üppiges Gehalt als RBB-Intendantin verdient. Der Rücktritt als ARD-Vorsitzende ist ein „Bauernopfer“, um die Gemüter zu beruhigen, ohne
wirklich Pfründe zu verlieren.

ruhr reisen
ruhr reisen
1 Jahr zuvor

Richtig. alles muss auf den Prüfstand. Und zuallerst: Wozu braucht Buhrow 400.000 Euro Gehalt von uns finanziert – und vor allem für was? Kommt da jetzt noch ne Schüppe obendrauf – wenn er den Vertretungsjob -mal eben – nebenbei macht – und wie ist das überhaupt möglich bei all seinen wichtigen Aufgaben? Mit welchem Recht werden derart astronomische Leitungskosten aus öffentlichen Gebühren bezahlt? Es braucht endlich eine klar verständliche, öffentliche Liste, was der ÖR mit den Milliarden macht, was er u.a. durch Dauerwiederholungen einspart – und wofür dann noch zusätzliche Werbeeinnahmen nötig sind.
Was es dringend braucht,ist ein regionaler, lokaler Journalismus, der das macht, wofür Journalisten früher gut waren: Politikern und Mächtigen auf die Finger zu schauen und zu bohren, was in der unmittelbaren Umgebung mittlerweile unkommentiert bleibt: Man schaue sich nur als ein kleines Beispiel das Baustellen-Chaos in BO seit JAHREN an, dass die gesamte Stadt lahmlegt wo die linke Hand nicht weiss, was die rechte tut –
Diese seichte Sch…wie die aktuelle Stunde und Co braucht kein Mensch .
Geld genug dafür ist da – aber offenbar eher für die Luxusfantasien der ÖR-Führungskräfte und ihrer Ausstattung.

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