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Der Traum vom NRW-Gas

Bohrturm Foto: ExxonMobil

Der Boden Nordrhein-Westfalens ist voller Gas. Allerdings kann nur ein Bruchteil davon wirtschaftlich gefördert werden.

Neidvoll richtet sich der Blick Nordrhein-Westfalens seit Jahrzehnten gen Holland: Das eigene Erdgas war einer der Gründe der zeitweiligen wirtschaftlichen Stärke des Nachbarlandes. Ohne billiges Gas würde Gemüse aus Holland zum Beispiel nicht die hiesigen Supermärkte dominieren.

Und so waren die Hoffnungen groß, als vor wenigen Wochen bekannt wurde, dass auch NRW über gewaltige Erdgasvorkommen verfügt: 2200 Kubikkilometer Erdgas, so die Schätzungen, warteten in NRW darauf, gefördert zu werden. Zum Vergleich: In den Niederlanden waren die Vorkommen 2850 Kubikkilometer-Gas groß.

Zahlreiche Unternehmen nehmen an dem Rennen um die Gasvorkommen teil, die vor allem im Münsterland und Rheinland liegen: Von den kleinen Stadtwerken Hamm über das australische Unternehmen Queensland Gas Company bis zum Weltkonzern ExxonMobil (Handelsmarke: Esso) haben sie Claims abgesteckt und planen Probebohrungen. Am schnellsten war ExxonMobil: Das Unternehmen will schon bald mit Probebohrungen beginnen. Ganz oben auf der Liste der Bohr-Standorte steht der kleine Ort Nordwalde im nördlichen Münsterland. Dort ist man von der Aussicht ein Gasabbaustandort zu werden nicht begeistert. Kaum wurden die Gasvorkommen bekannt, gründete sich schon eine Bürgerinitiative gegen den Abbau. Sie sorgen sich vor allem um das Grundwasser: „Neben der Stelle, an der gebohrt werden soll, ist ein Trinkwasserreservoir für alle Städte zwischen Münster und Rheine. Wir haben Sorge, dass Chemikalien ins Grundwasser gelangen“, sagt Mathias Elshoff von der Interessengemeinschaft gegen Gasabbau.

Denn der massive Einsatz von Chemikalien ist notwendig, um an die Gasvorräte im Münsterland heranzukommen. Die liegen nicht, wie in Holland, in Sandstein sondern in Kohle- und Schieferschichten. Die müssen mit dem aufwendigen Fracking-Verfahren erst Abbaufähig gemacht werden. Dabei werden Wasser und Chemikalien in die gashaltigen Schichten gepresst um kleine Risse zu erzeugen, in denen sich das  Gas sammeln kann.

Ein Verfahren nicht ohne Risiko. In den USA kam es dabei immer wieder zur Verseuchung des Grundwassers. Im Bundesstaat New York wurde Fracking durch den Senat aus diesem Grund verboten.

Viele Münsterländer sorgen sich indes schlicht um den Erhalt der ländlichen Idylle. Rainer Lagemann, Abgeordneter der Grünen im Steinfurter Kreistag: „ Die Menschen wollen nicht hinter ihrem Garten eine Großindustrieanlage.“

Dabei ist die Interessengemeinschaft nicht generell gegen die Gasförderung im Münsterland. Elshoff: „Wir wollen, dass die Förderung sicher ist und es nicht zu Verseuchungen kommt. Und wir wollen vernünftig informiert werden. Bisher hat ExxonMobil nur PR-Leute vorbei geschickt. Wir wollen mit Experten diskutieren.“

Dieser Forderung nach mehr Offenheit will das Energieunternehmen nachkommen. In einer Pressemitteilung kündigte ExxonMobil an, das gesamte Erprobungs- und Abbauverfahren von einer unabhängigen Expertenkommission begleiten zu lassen. Die Gasabbau-Skeptiker bestehen darauf, dass dort auch Kritiker eingebunden werden und misstrauen der angeblichen Offenheit von ExxonMobil.

Vielleicht nicht ganz zu Unrecht: Trotz mehrfacher Nachfrage fand sich in der Hannoveraner-Niederlassung des Unternehmens, das für die Gasfelder in NRW zuständig ist, niemand, der für ein Gespräch zur Verfügung stand.

Im Wirtschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen nimmt man die Sorgen der Anwohner ernst: „Wir wollen, dass sich die Unternehmen mit den Bürgern an einen Tisch setzen und ihre Pläne offen diskutieren. Die Menschen wollen ernst und mitgenommen werden“, sagt Ministeriumssprecher Stefan Grönebaum. Auch der Vorschlag der Interessengemeinschaft, kritische Experten in eine unabhängige Kommission zu berufen, findet die Unterstützung des Ministeriums. Eine Gefahr für das Trinkwasser sieht man im Ministerium nicht – zu tief seien die Gasfelder, um mit dem oberflächennahe Trinkwasser in Berührung zu kommen. Zudem erwarte man von den Unternehmen technische Lösungen, die auch bei Fehlfunktionen der Förderanlagen eine Umweltverschmutzung verhindern.

Allerdings bremst man in Düsseldorf auch zu hohe Erwartungen an den künftigen Gasreichtum des Landes. Die Förderung der Vorkommen in NRW sein teuer und kompliziert und mit der Situation in den Niederlanden nicht zu vergleichen. Nur ein Teil der Vorkommen sei überhaupt zu fördern – und das lohne sich für die Unternehmen auch nur bei hohen Gaspreisen.

Die Gasvorkommen in NRW seien eher mit dem Ölschiefer in Alaska zu vergleichen: Eine Reserve, die zu heben es sich lohnt, wenn die konventionellen Gasvorkommen erschöpft sind. Was allerdings auf absehbare Zeit geschehen wird.

19 Gasfelder gibt es in NRW. Allein ExxonMobil will in naher Zukunft zehn Probebohrungen durchführen. Beantragt hat das Unternehmen bislang allerdings noch keine einzige.

Wann es zu ersten Probebohrungen kommt ist damit noch vollkommen unklar. Nach dem ersten Antrag beginnt ein aufwendiges Genehmigungsverfahren nach dem Bergrecht, an dem auch die betroffenen Kommunen beteiligt werden Das gefällt den Grünen im Land nicht, die gerne die Verfahrenshoheit im Umweltministerium sehen würden, ist aber nun einmal der rechtliche Rahmen wenn es um Rohstoffförderung geht.

Der Gasreichtum Nordrhein-Westfalens wird das Land nicht radikal verändern. Es wird, wenn es denn einmal gefördert wird, die Abhängigkeit von Importen verringern und Teil des Energiemixes des Landes werden. Ein schöne Option für die Zukunft – und das auch nur, wenn es gelingt, die Bürger von der Sicherheit der Abbauverfahren zu überzeugen.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form in der Welt am Sonntag

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Philip
Admin
13 Jahre zuvor
Marxty
Marxty
13 Jahre zuvor

**Ein schöne Option für die Zukunft – und das auch nur, wenn es gelingt, die Bürger von der Sicherheit der Abbauverfahren zu überzeugen.**nicht nur Überzeugen …. sondern auch Beweisen das das Grundwasser sicher ist.

Weil Sicherheit und Gas-Öl-Industrie doch nicht ganz so zusammen passen. Da gibt es ja noch so die Problemkomponente Profit dazu. Denn Sicherheit kostet Geld.

Marxty
Marxty
13 Jahre zuvor

Klar … wollen wir das alle … und auch bezahlbares sauberes Trinkwasser. Wenn das geklärt ist, dann ist das auch kein Problem.

Auch im irgenwieauchimmer gearteter Marxismus wäre wahrscheinlich auch Geld für die Sicherheit da. Wenn ich mir so die Umwelt und Sicherheitsschäden im alten Ostblock anschaue.

Hab auch nichts gegen Profit …. aber nicht um jeden Preis.

Und ob man im Kapitalismus immer Recht und Gerechtigkeit bekommt wenn man sich nicht die gute teurer Anwaltskanzlei leisten kann weiss ich nicht. Sollte man mal jemanden in bestimmten Markwirtschaftlichen Gesellschaften in deren Knästen erfragen.

Gibt genug Diktaturen die Kapitalistisch sind und bestimmt nicht rechtsstaatlich.

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