Die Politisierung der Clowns

Die Politisierung der Clowns
Humorkartell: Martin, Yannick, Jan und Nico

Wir leben in Zeiten, in denen Politiker Lieder im Bundestag singen und Witze über Toiletten fürs dritte Geschlecht erzählen, während Clowns bei Parlamentswahlen antreten. Ist diese Politisierung der Clowns eigentlich gut?

Der Youtuber mit dem Pseudonym „Rezo“ zerstört die CDU, Jan Böhmermann gibt’s der FPÖ ordentlich und Martin Sonneborn und Nico Semsrott ziehen ins Europaparlament, um dort ihren Schabernack zu treiben. Was diese vier alle gemeinsam haben, ist, dass sie Faxenclowns sind. Faxenclowns, die Faxen machen. Das ist natürlich nicht schlimm. Menschen zu unterhalten und zum Lachen zu bringen ist ein ehrbarer Beruf. Faxenclowns sind nicht dümmer als andere Menschen, häufig sogar im Gegenteil. Natürlich dürfen sie eine eigene politische Meinung haben und diese auch äußern.

Die aktuelle Entwicklung, ist eine der Politisierung der Clowns. Daher ist es vielleicht an der Zeit sich einmal grundsätzliche Gedanken über dieses Phänomen zu machen. Dabei wäre zunächst zu erwähnen, dass es ja nicht allein in Deutschland so ist. Der Komiker Beppe Grillo gründete in Italien die 5-Sterne-Bewegung, die inzwischen gemeinsam mit der rechtspopulistischen Lega die Regierung stellt, der Komiker Wolodymyr Selenskyj hat die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine gewonnen und der Komiker Marjan Šarec ist seit 2018 Ministerpräsident Sloweniens, seine „Liste Marjan Šarec“ ist zweitstärkste Kraft im Parlament. Der Komiker Jón Gnarr, der von 2010 bis 2014 Bürgermeister von Reykjavík war, fasste seine Sicht in einem Interview mit dem Spiegel einmal erstaunlich offen zusammen: „Ich habe auch versprochen, dass ich all meine Versprechen brechen würde. Ich fühle mich niemandem verpflichtet. […] Ich schulde niemanden irgendetwas.“

War doch nur Spaß!

Damit hat er natürlich Recht. Letzten Endes sind Komiker niemandem Rechenschaft schuldig. Freiheit der Kunst, Satire darf alles. Ein Faxenclown der Faxen macht eben. Deswegen kann Böhmermann auch im Privatleben seiner Zuschauer herumschnüffeln, ihre Profile in den sozialen Medien stalken und die Ergebnisse in seiner Sendung präsentieren. Ist ja nur Spaß. Deswegen können Sonneborn, Semsrott und ihre „PARTEI“ auch fordern alten Menschen das Wahlrecht zu entziehen, oder vielleicht gleich die Maschinen abzuschalten. Ist ja nur Spaß. Und für den guten Zweck. Bei einem Komiker ist alles was er sagt, tut, oder nicht tut, im Zweifelsfall nicht ernst gemeint gewesen. Ein Faxenclown muss keine Kompromisse eingehen, er ist niemandem Rechenschaft schuldig und man kann auch überhaupt keine Erwartungen an ihn richten.

Das Problem entsteht dann, wenn ein Faxenclown, wie Sonneborn zum Beispiel, zum Politiker wird. Was ist denn, wenn ein Politiker verschwörerisch andeutet, dass man über Juden keine Witze machen dürfe? Naja, es ist eben Sonneborn. Der meinst das nicht ernst. Will Semsrott wirklich alten Menschen das Wahlrecht entziehen? Der wird das schon nicht ernst meinen. Aber was meinen sie eigentlich ernst? Was wollen sie eigentlich wirklich? Welche Agenda verfolgen sie eigentlich? Gar keine? Eine noch?

Nicht böse gemeint!

„Ist halt mein Job, haha. Nicht böse gemeint.“ rappt Böhmermann in seinem Lied „Blasserdünnerjunge macht sein Job“. Und das stimmt natürlich. Sie meinen es ja gar nicht böse, die Faxenclowns. Sie meinen es nie böse. Ihr Mandat ist nicht die Vertretung, ihr Mandat ist die Unterhaltung. Sie sagen nie die wirklich unbequemen Dinge. Sie sprechen „unbequeme Wahrheiten“ aus, die im Grunde gesellschaftlicher Konsens sind und für die sich in jeder Meinungsumfrage Zustimmungswerte jenseits der 70% finden lassen würden. Und wenn sie in die Politik gehen, dann ist ihr Angebot an ihre Wähler dieses wohlige Gefühl, dieses Gefühl gleichzeitig exklusiv Eingeweihter, Teil einer Gemeinschaft der Guten und Mitglied einer Rebellion zu sein. Und wenn sie dann doch mal was Blödes sagen oder tun, etwas das vielleicht sogar bei einigen ein unangenehmes Gefühl hervorrufen könnte, dann war es eben nur ein Scherz. Ironie. Ein lustiger Witz. Hahaha, lach doch mal!

Hahaha, lach doch mal!

Deswegen geht mit der Politisierung der Clowns allzuhäufig auch eine Clownisierung der Politik einher. Deswegen singen SPD-Vorsitzende im Bundestag Pippi Langstrumpf und CDU-Vorsitzende erzählen Witze über Gendertoiletten. Sie wollen auch mal dieses wohlige Gefühl bei den Leuten hervorrufen. Und weil man sich dafür zum Clown machen muss, machen sie sich halt zum Clown. Hahaha, lach doch mal!

Vielleicht wäre es besser, wenn Politiker einfach Politik machen und Faxenclowns Faxen. Und wenn ein Politiker Faxen machen will, dann soll er ein Faxenclown werden und wenn ein Faxenclown Politik machen will, dann soll er Politiker werden. Aber vielleicht sind Mischformen aus beidem auch einfach das neue Ding. Vielleicht ist das jetzt einfach so.

Vielleicht geht unsere Demokratie ja gar nicht in brutaler Gewalt unter, sondern in infantilem Gekicher. Vielleicht hat Orwell ja Unrecht und die Zukunft der Menschheit ist gar kein Stiefel der immer und immer wieder in ein Gesicht tritt, sondern ein lustiger Mann aus dem Fernsehen, der immer wieder sagt: „Hahaha, lach doch mal!“

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Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
5 Jahre zuvor

Es geht, glaube ich, aktuell um Idiotie.
Im klassischen Sinne ist ein Idiot der, der sich nicht für die öffentlichen Belange interessiert. Damals wurde das antagonistisch verstanden. In Zeiten, in denen das private für politisch gehalten wird, lässt sich so eine binäre Weltsicht kaum durchhalten. Er wäre darum heute eher zu sagen, man kann nicht nicht-politisch sein.

Im Umkehrschluss darf man darum eine Politik, die Partikularinteressen bedient, als idiotisch bezeichnen, als im Sinne öffentlicher Belange bedeutungslos. Für den Clown als Idiot erweitert sich durch eine hinreichend idiotisch erscheinende Politik das Tätigkeitsfeld bis hin zur vollständigen Absorption einer einst antagonistisch verstandenen Sphäre. Der umgekehrte Weg ist darum ebenso geebnet, der Politiker kann oder soll sich sogar zum Clown machen. Entsprechendes werden die meisten schon häufiger erlebt haben.

Will Politik aus der Clownsnummer raus, hat sie es erstens so weit wie möglich zu unterlassen sich in individuelle Belange einzumischen und zweitens so weit wie möglich zu unternehmen Privilegien abzubauen. Dabei allgemein akzeptierte Grenzbereiche zu definieren ist die Kunst. Weder eine Kümmerer- statt emanzipatorischen, noch eine erfolgs- statt leistungsorientierte Partei kann das.

Einem Clown der sowas von CDU ist, indem er einerseits eine miese Ökobilanz mit heißem Herzen anprangert und sich andererseits einen Kleinlaster in die Garage stellt, um den eigenen zarten Arsch von A nach B zu kutschieren, kann das völlig egal sein. Er ist ein Idiot.

Die Frage ist, wer sagt das dem Publikum? Und wenn es einer gesagt haben sollte, wen interessiert's?

Yilmaz
Yilmaz
5 Jahre zuvor
nussknacker56
nussknacker56
5 Jahre zuvor

Ein gelungener Beitrag zum weitverbreiteten Komiker-Unwesen. Die meisten davon sind einfach nur begabte Opportunisten, die ein gutes Gespür dafür haben, was ihr Publikum hören will. Sie verstehen ihren Job nicht darin, die Ressentiments ihrer Zuhörer auf die Schippe zu nehmen, sondern „witzeln“ die Sachen so zurecht, dass diese sich in ihrem Glauben bestärkt fühlen, sie hätten A) keine persönlichen Niederungen und B) einen besonderen Sinn für Humor. Sonneborn bildet da keine Ausnahme.

Am besten finde ich immer noch diejenigen, die sich in ihrem Programm im Wesentlichen mit den komischen Situation des Alltags beschäftigten. Da gibt es genug Grund zum Lachen.

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[…] Recht lesens­wert als Hin­ter­grund fin­de ich die­sen Text. […]

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