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Heiter und tödlich – wie die ARD ausstirbt

Humorvolle Regionalkrimis sollten das ARD-Vorabendprogramm retten. Angesiedelt in Husum, irgendwo in Westfalen (fiktives „Büdringhausen“) und irgendwo im idyllischen Voralpenland. Krimis ohne irgendwas Böses, ohne Brutalität aber mit vielen Postkartenbildern, schönem Wetter und sympathischen Figuren. Ich mag die Reihe „Heiter bis tödlich“ (dienstags bis donnerstags 18.30 h). Nur: ich werde jetzt 55.

Und ich muss gestehen: an den wenigen Tagen, an denen ich im Job um 17 Uhr den Griffel fallen lassen kann, neige ich auf dem TV-Sofa regelmässig dazu, schon vor der Tagesschau einzunicken. Daran hindert mich das TV-Programm nicht, im Gegenteil. Ich verpasse ja nichts. Alles ist so langsam erzählt, dass ich jederzeit wieder reinfinde.

Was mag nur in den Köpfen der Programmmacher vorgegangen sein? Haben sie zuviel mit ihren Eltern geredet. Meine zum Beispiel finden den „Tatort“ schon zu brutal und aufregend. „Inspektor Barnaby“ würden sie verkraften, aber der läuft für sie schon zu spät (22 h, ZDF). Sie gucken nur noch Phönix, und NDR, wenn dort das Ohnsorgtheater wiederholt wird. Diese Alten sind viele und werden immer mehr. Die Kategorie der „werberelevanten Zielgruppe 14-49“ wird sich, wenn sie jemals ökonomisch relevant war, durch den ökonomischen Strukturwandel unserer Gesellschaft bald in Luft auflösen. Ist es das, was die ARD leitet?

Das Problem ist nur, dass die Alten im Durchschnitt auch als erste sterben. Und so schafft „Heiter bis tödlich“ eben auch nur einstellige Marktanteilprozente. Nur niemandem wehtun, niemandem auf die Füsse treten, im Apothekenwerbeumfeld auf keinen Fall irgendetwas Unangenehmes oder Anstrengendes bringen. Das kann die ARD immer noch am besten, denn ihre Führungskräfte und Gremienmitglieder sind in exakt der gleichen Altersgruppe wie ihre verbliebenen Zuschauer.

Nur was hinter ihnen nachwächst, das verstehen sie nicht mehr. Diese wechselnden Moden, die wachsenden Unterschiedlichkeiten, Segregation und Segmentierung, damit kommen die öffentlich-rechtlichen Medien immer schlechter zurecht.

Darum gucken die jungen kein TV mehr. Das funktioniert nur noch bei speziellen Events, also z.B. einer Fußball-WM, oder wenn mal wieder irgendein Stefan-Raab-Popkram angesagt ist. Ansonsten machen sie ihr Programm selbst.

Das wäre die Lehre, die öffentlich-rechtliche Sender, die diesem Adjektiv auch gerecht werden sollen, ziehen sollten. Raus aus der unflexiblen Glotzkiste – sowohl technisch als auch politisch. Und Foren zum Programm-machen und -gestalten anbieten und organisieren. Aber das werden ihre – ebenfalls komplett überalterten – Aufsichtsgremien wohl nicht aushalten.

Auch wenns ruhrbarone-Leser wahrscheinlich gar nicht glauben werden: an deutschen Filmhochschulen wachsen sogar massenhaft ehrgeizige Talente heran, die wirklich was lernen und können. Im öffentlichen-rechtlichen deutschen TV bekommt jedoch nicht 10% von ihnen eine Chance zum Experiment. Warum werfen wir das Potenzial einfach so weg?

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Höddeldipöpp
Höddeldipöpp
12 Jahre zuvor

Früher gab’s im öffentlichen rechtlichen nur in den Sommer-Ferien „saure Gurken“-Zeit. Heute gibt es sie das ganze Jahr.

Früher gab’s zu Weihnachten immer einen aufwändigen mehrteiligen Fernseh-Film, der keine Wiederholung war, z.B. „Der Seewolf“ oder ähnliches. Dieses Jahr gab’s wieder nur eingeschlafene Füße.

Oder diese unendliche Schleife der Terra-X-Sendungen im ZDF. Gleichfalls diese „Unsere Erde“-Sendungen, wo Fernsehfilmer für sich selbst schöne Weltreisen machen dürfen, die uns aber eine global-galaktische Sicht der Erde vermitteln, die an Oberflächlichkeit nicht zu überbieten ist. Jede Menge Tiersendungen aus der Konserve ebenfalls in Endlosschleife. Oder diese Guidoknoppisierung der Republik. Der Mann hat wohl ein lebenslanges Zunft-Monopol für seine Produktionsfirma erworben. Ein Arbeitsleben lang Geschichtswissen vom Fließband. Von den Talkshow-Monopolen von Kerner und Co. ganz zu schweigen.

Das alles wundert einen nicht mehr, wenn eine Monika Piel stolz verkündet, dass man in diesem Jahr keine Gebührenerhöhung benötige, aber auf der anderen Seite der überbezahlteste Journalist Deutschlands für die Sonntags-Talkshow engagiert wurde.

Und wenn man sich anschaut, wer da in den Fernsehbeiräten sitzt – jede Menge Pfaffen, Lobbyisten und Politiker, die auch versorgt werden wollen – dann ist die Hoffnung wohl vergeblich, dass sich an den Zuständen etwas ändert.

Man müsste mal so einen kleinen Volx-Fernsehbeirat gründen. Einfach mal die Guillotinen aus den Museen holen, die Hackebeilchen schärfen und dieser bequemen, unkreativen und unproduktiven Bagage ordentlich die Hölle heiß machen.

Thomas
Thomas
12 Jahre zuvor

Zum Thema „werberelevante Zielgruppe“: für nur 50 Cent mehr Gebühren im Monat könnte der ÖR komplett auf Werbung verzichten, was umgekehrt auch bedeutet, dass es nie notwendig war, im ÖR Werbung zuzulassen. Damit gibt es dann dort aber auch keine „Werberelevanz“.

Aber es geht auch noch abgrundtief schlechter als bei der ARD, wenn man auf die Privaten blickt. Da nicke ich noch nicht einmal mehr ein, sondern schalte schon aus purer Aufregung wegen der mir dort unterstellten Dummheit nach kurzer Zeit wieder um.

trackback

[…] meistens nur Quoten, die weniger als halb so fett waren, wie die aus “Münster”. Die damals von mir verrissene Vorabendreihe “Heiter bis tödlich” war kaum heiter. Ausser die Folgen aus Bayern, “Hubert und Staller”, sowie extrem […]

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