Kampf dem City-Leerstand! – Kann eine Waltroper Initiative beispielhaft für andere Städte sein?

Waltrop im Januar 2015. Foto(s): Robin Patzwaldt
Waltrop im Januar 2015. Foto(s): Robin Patzwaldt

Viele Ruhrgebietsstädte veröden bereits seit Jahren. Da bildet auch Waltrop im Kreis Recklinghausen längst keine Ausnahme mehr. Das früher einmal sehr schmucke und gepflegte 30.000-Einwohner-Städtchen verfällt aktuell vor den Augen der Bürger in rasanter Geschwindigkeit.
Gerade in den letzten Monaten jagten wieder etliche Schreckensmeldungen von Geschäftsschließungen traditioneller Familienunternehmen durch die Lokalpresse und sorgten so für weitere Unruhe bei Bürgern und der Kaufmannschaft.
Aber was kann man vor Ort wirklich tun um den Einkaufsstandort wieder attraktiver zu machen, den Niedergang zu stoppen? Guter Rat scheint diesbezüglich tatsächlich teuer und auch ziemlich rar zu sein. Wirkliche Antworten kann offenbar bisher niemand liefern.
Diesen lähmenden Zustand, den Abwärtsstrudel, versuchen in Waltrop nun ganz aktuell betroffene Bürger zu stoppen.

Diese starteten kürzlich eine gut angenommene Aktion, welche durchaus auch das Potential zur Nachahmung an anderen Orten haben dürfte.

 

Bei näherer Betrachtung wird dem Boabachter rasch klar, dass es sich bei Claus Volke und Michael Hohoff, den Initiatoren von www.Waltroper-Initiative.de, keineswegs ’nur‘ um reine Privatleute bzw. vom Niedergang der Innenstadt betroffene Bürger handelt: Volke ist ein derzeit in Waltrop tätiger Rechtsanwalt, Hohoff betreibt seit Jahren u.a. eine örtliche Bäckerei.

So ganz ohne eigene wirtschaftliche Interesse im Hintergrund setzen sich die Beiden also hier vermutlich dann wohl auch nicht für Verbesserungen ein, dürfte es somit doch auch vermutlich in ihrem ureigensten Interesse liegen den Wirtschaftsstandort Waltrop (wieder) zu stärken, zukunfstssicherer zu machen, und ihre eigenen Unternehmen damit auch langfristig gegen den Abwärtstrend zu schützen, der durch den Niedergang der ganzen Region zuletzt auch ihre Geschäftsinteressen derzeit zu bedrohen scheint. Doch schmälert das letztendlich wirklich ihr aktuelles Engagement, wie einige kritische Stimmen den Initiatoren vorwerfen? Nicht wirklich, wie ich finde.DSC01687 (600x450)

Was aber haben die beiden denn nun konkret gestartet um die Waltroper City wieder attraktiver zu machen, ihren Niedergang zu stoppen?

Auf ihrer neu gestarteten Homepage, welche als ein Portal zur Bündelung von Informationen und Vorschlägen rund um die Waltroper Geschäftswelt verstanden werden kann, befragen Sie aktuell die ortsansässigen Bürgern nach Ihrer Meinung zum Zustand und zur Zukunft der City.
Über 500 Waltroper sollen innerhalb des ersten Tages bereits teilgenommen haben, ihre Meinungen und Erwartungen rund um die örtliche Geschäftswelt dort bereits anonym kundgetan haben. Bis Ende März läuft diese Umfrage noch.

 
Hohoff und Volke wollen daraus letztendlich wertvolle Informationen gewinnen, was sich die Bürger zukünftig von ihrer Innenstadt erwarten um es Geschäftstreibenden am Ort leichter zu machen die Bedürfnisse und Erwartungen vor Ort besser einschätzen zu können. DSC01676 (600x450)
Auf ihrer Internetseite bieten die engagierten Waltroper jedoch noch weit mehr als die laufende Umfrage. Es entsteht dort aktuell u.a. eine Datenbank über akute Leerstände, zuständige Ansprechpartner und auch Fördermöglichkeiten für Existenzgründer am Ort. Insgesamt soll hier einmal ein funktionierendes Netzwerk rund um die Entwicklung der Geschäftswelt am Ort entstehen.
Ihre Seite soll es zukünftig einfacher und übersichtlicher machen alle notwendigen Informationen für Gewerbetreibende zentral aufzufinden, es den Bürgern leichter machen ihre konstruktive Kritik unterzubringen. Und dabei wollen sie nicht ausschließlich auf Hilfe von Außen warten: „Der Ruf an die Politik und die Stadtverwaltung ist zwar grundsätzlich berechtigt, gleichwohl nicht immer fair oder gar sinnvoll. Es sind doch in erster Linie einmal die Eigentümer und potenzielle neue Mieter, die im Rahmen eines strategischen Gesamtkonzeptes schnell und möglichst einfach zu einander finden sollten und müssen.“

 
DSC01679 (600x450)Die Organisatoren sind sich der dabei drohenden Schwierigkeiten anscheinend aber auch schon bewusst: „Auch wir wissen nicht, ob wir diese gewaltige Aufgabe wirklich bewältigen können, aber wir wollen und werden es dennoch versuchen, auch wenn wir dafür sicher auch vielfacher Kritik ausgesetzt sein werden. Wir wagen es dennoch, denn Waltrop ist es uns einfach wert!“
Klingt ja alles toll! Ob sich der rasante Niedergang der Innenstadt so also tatsächlich abbremsen oder gar aufhalten lässt, dass muss aber in der Tat wohl erst einmal noch abgewartet werden.
Die ersten Reaktionen in Geschäftswelt und Bürgerschaft vor Ort waren jedoch überwiegend positiv. Wenngleich man von einer solchen Aktion natürlich auch keine Wunderdinge erwarten darf. DSC01685 (600x450)
Wenn in einer Region kein Wachstum, keine Nachfrage herrscht, dann kann man sie natürlich auch so nicht einfach herbeizaubern. Ein interessanter, privater Ansatz zur Verbesserung der Situation in einer konkreten Innenstadt des Reviers ist und bleibt es trotzdem.
Und vielleicht lassen sich ja so auch Bürger und Geschäftsleute in anderen Städten der Region inspirieren selber etwas für die Verbesserung der Situation ihrer Städte zu unternehmen.
Eine konkrete Möglichkeit etwas für eine Entwicklung wieder in die richtige Richtung beizutragen bieten Michael Hohoff und Claus Volke damit zumindest für ihren Ort jetzt erst einmal ganz frisch an.

 
Was am Ende daraus wird bleibt aktuell dabei noch abzuwarten. Aber ein privat, von örtlichen Gewerbetreibenden organisierter Anfang ist damit getan.
Vielleicht folgen ja bald andernorts auch noch weitere Nachahmer.

Nähere Infos unter: www.Waltroper-Initiative.de

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WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Robin,
möglicherweise haben ja auch schon ‚mal „Ruhrbarone“ Waltrop besucht.

Ich denke, wenn das in letzter Zeit geschehen ist, könnten sie als Besucher Positives oder Negatives entdeckt haben, was den Waltroper entgangen, aber für die Initiatoren des Projektes von besonderem Interesse sein könnte.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Ich oute mich mal als Jemand, der häufiger in den letzten Jahren Waltrop durchquert und besucht hat. Seit der Jahrtausendwende bin ich zu Spargelzeiten regelmäßig von Mengede aus kommend rechts abbiegend am Waldstadion vorbei zu den Höfen an der Borker Str. nördlich des Datteln-Hamm-Kanals unterwegs und habe Waltrop mehr als eine Art „Straßendorf“ wahrgenommen, weil es für mich keine erkennbare Signale oder Hinweise gab, aufgrund derer ich die beiden Landstraßen in andere Richtungen hätte verlassen wollen.

Dann war ich in den letzten drei Jahren mehrmals beruflich am Markt und in der Hagelstraße tätig und muss dort konstatieren, dass es für mich kein richtiges Unterscheidungsmerkmal zu anderen kleineren Städten in Waltrop-Größe sowohl im nördlichen Ruhrgebiet als auch im westlichen Sauerland gibt. Der Markt selbst ist groß, aber total unpersönlich, ohne weiterführende Blickachsen. Große Sparkassen-Gebäude sind per se der architektonische Tod von Innenstädten.

Die Fußgängerzone lebt vom typischen Kleinstadt-Einzelhandelsangebot in teilweise gefakter Fachwerkoptik und ist zwar immer noch wesentlich lebendiger und atmosphäriger als so mancher Dortmunder Vorort, aber eben zu beliebig, um sich daran durchaus positiv zu erinnern und einen Wiederkommen-wollen-Effekt auszulösen. Ich hatte sogar einmal mehr Zeit, um einen kleinen Bummel zu machen, bin aber durch nichts darauf aufmerksam gemacht worden, die wirklich historischen Ecken inkl. Kirchplatz zu entdecken. Irgendwie ist da blicktechnisch was „verbaut“ worden.

Eine vergleichbare städtische Struktur hat für mich z.B. Herdecke a.d. Ruhr mit der alles erschlagenden Umgehungsstraße, allerdings gibt es trotzdem überall Hinweise auf die Altstadt – und vor allem gibt es dort sehr häufig auch überregional angekündigte u. plakatierte Märkte und Feste. Wäre evt. eine Anregung füs Marketing bei euch.

WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Klaus,
interessante Anmerkungen zu Waltrop
Arnold,
danke für den Hinweis.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Robin:
Der Satz aus dem WZ-Artikel: „Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass den Kämmerern und NRW-Städten die Kredite in Schweizer Franken von der NRW-Bank und der Gemeindeprüfungsanstalt nachdrücklich empfohlen worden.“ ist ein Paradebeispiel für die Realitätsverweigerung der Kommunen und der Landesregierung und vielleicht auch ein Indiz, weshalb hier so viel den Bach runtergeht.

Die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA NRW) hat den Kommunen nichts „nachdrücklich empfohlen“, sondern nur festgestellt, dass Kommunen solche Derivate-Geschäfte machen können, *wenn* sie gewisse Regeln einhalten – u.A. entsprechende Rücklagen bilden und ein funktionierendes Risiko-Management aufbauen, welches mit Fachkenntnis glänzt. Da die Schweiz ihre Minimum-Kopplung an den Euro schon früh als temporäre Maßnahme bezeichnet hatte, musste jedem Kämmerer und auch den weniger gebildeten Ratsmitgliedern das hohe Risiko klar sein. War es aber nicht, weil Kadavergehorsam und Scham über völlige Unkenntnis im Finanzwesen solche Räte nur zum Abnick-Kasper machen (das GPA-Doc „Bilanzierung von Derivaten“ lässt sich als PDF hier laden: http://gpanrw.de/media/1352810510_bilanzierung_von_derivaten_end190111.pdf ).

Und zu Deinem „Ärger“-Posting:) – Kann ich absolut nachvollziehen, wenn ich an meine frühen Jahre im Dortmunder Süden und Westen denke, in denen auch die langweiligsten Marktplatz-Sanierungen mit Hang zum Großparkplatz vor Sparkassen-Betonklötzen als Bereicherung und Verschönerung gesehen wurden. Man muss halt immer überlegen, wie öd und brach manche Vor- und Kleinstädte nach dem Krieg für lange Jahre einfach liegengelassen wurden, bevor etwas Neues passierte – was dann leider für noch mehr Jahrzehnte der Standard blieb und wo heute einfach das Geld fehlt, solche städtebaulichen Sünden gründlich zu korrigieren.

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Rein marktwirtschaftlich gesehen dürften Ladenlokale nicht allzu lange leerstehen, weil die Eigentümer mit dem Preis so lange runtergehen, bis die Miete für einen Interessenten erschwinglich ist.
Wenn das so nicht passiert, ist es interessant zu erfahren, woran es hapert. Halten die Eigentümer an überhöhten Mietvorstellungen fest, weil sie auch von den leersteehenden Wohnungen indirekt irgendwie profitieren? Oder rechnen sie einfach darauf, dass sich die Konjunktur in absehbarer Zeit bessert?
Das wär doch mal eine Frage, mit der sich ein aufstrebender Journalist profilieren könnte!

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Zur Logik von Leerständen etwas ausführlicher:

http://www.ruhrbarone.de/vom-sinn-und-unsinn-der-zwischennutzung/15345

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