Kanzler Scholz und die Ampel: Eine niedriger Erwartung kann auch eine Chance sein

Olaf Scholz mit dem Koalitionsvertrag der Ampel Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons Lizenz: CC BY-SA 4.0

Jetzt geht es los: Olaf Scholz (SPD) ist der neue Bundeskanzler. Seine Ampel-Koalition hält. Doch die Begeisterung über das selbsternannten Fortschrittsbündnis hält sich sowohl bei den Bürgern als auch bei den Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP in Grenzen. Das muss kein Nachteil sein.

Der Bundestag hat heute Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt. 369 Stimmen hätte er gebraucht, 395 von 707 abgegebenen Stimmen erhielt er. Die Wahl war nicht knapp, aber die Ampel verfügt über 416 Stimmen. Ein guter Start sieht anders aus. Auch bei den Bürgern hält sich die Begeisterung über Kanzler Scholz und seine Ampel in Grenzen: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Deutsche Presseagentur glauben fast zwei Drittel der Bürger, das Scholz höchstens vier Jahre Bundeskanzler bleibt. 20 Prozent gehen davon aus, dass die Ampel nicht einmal bis zur nächsten Bundestagswahl hält.

Die Ampelkoalition und Bundeskanzler Scholz lösen keine Euphorie aus. Die Ampel ist nicht, wie Rot-Grün 1998 ein von vielen herbeigesehntes „Projekt“ und auch nicht die erhoffte bürgerliche Politikkorrektur, als welche Schwarz-Gelb 2009 gesehen wurde.

Olaf Scholz ist kein Menschenfischer, SPD; Grüne und FDP keine Traumkombination. Die drei Parteien passen eigentlich nicht zusammen und bis weit in den Sommer hinein glaubte niemand, dass Scholz Kanzler werden könnte.

Aber die geringe Erwartungshaltung ist auch eine Chance: Die Traumkombinationen Rot-Grün und Schwarz-Gelb enttäuschten die Wähler sehr schnell. SPD und Grüne gerieten nach der verlorenen Wahl 2005 in eine tiefe Krise. Die FDP flog 2013 aus dem Bundestag raus.

Da die Ampel kaum jemanden begeistert, kann sie auch nicht viele enttäuschen. Die meisten wären schon froh, wenn das Land in den kommenden Jahren nicht weiter absackt, Energie nicht unbezahlbar wird, nicht zu viele Jobs wegbrechen und der Abstand zu anderen Industrieländern nicht noch größer wird.“

Die Politik der großen Koalition und ihre schwarz-gelbe Vorgängerregierung haben die Bundesrepublik auf diesen Pfad geführt: Die Energiewende, die mangelnden Investitionen in die Infrastruktur und die langsame Enteignung immer mehr Menschen durch die Inflation sind ihre Hinterlassenschaft. Und auch was die Bekämpfung von Corona betrifft, erwies sich die träge Faxrepublik nicht als Musterland.

Wenn es der Ampel gelänge, den Abstieg zu stoppen, wäre das schon viel. Ob sie es schafft, werden wir sehen.

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Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Politik, die begeistert…..
Politik, die Euphorie auslöst………..

Wenn es so wäre, würde das bei mir besonders kritisches Nachdenken bnefördernn -über eine solche Politik und über die, die sie repräsentieren.

Eine sachorientierte, zielgerichtete, vernunftgeleite, effiziente und effektive und transparente Politik, "gemacht" von Politikern, die nicht das Ziel haben, geliebt sondern respektiert zu werden. Das ist es, was ich von Politik/von Politiker erwarte, auch von der Regierung Scholz. Ob meine Erwartungen annähernd bzw. weitgehend erfüllt oder aber enttäuscht werden, wird die Bilanz nach 4 Jahren zeigen und nicht das, was am Tage der "Regierungsübernahme passiert oder nicht passiert, allerdings in einer Demokratie und nach den Regeln der Verfassung möglicherweise schon vor Ablauf der 4 jährigen Legislaturperiode.

yohak
yohak
2 Jahre zuvor

Weitestgehend Zustimmung, aber mit einer wichtigen Ausnahme bezüglich der Grünen.
Die Grünen und ihre Vorfeldorganisationen haben seit langem den Eindruck erweckt, daß die Klimaziele der früheren, rotschwarzen Koalition viel zu bescheiden seien und daß man sie problemlos übertreffen könne, ohne daß dies zu Härten und erheblichen Wohlstandsverlusten für breite Bevölkerungsschichten führe. Tatsächlich aber sind bereits die Klimaziele der vergangenen rot-schwarzen Koalition extrem ehrgeizig und schwer zu erfüllen: Während in den letzten Jahrzehnten die klimarelevanten Emissionen um ca. 10% pto Jahrzehnt sanken, ist für das kommende Jahrzehnt bis 2030 nicht weniger als eine Halbierung der Emissionen gegenüber Januar 2020 geplant. Ohne einen massiven Umbau zahlreicher Infrastrukturelemente (und sowas dauert in Deutschland Ewigkeiten, siehe BER oder Stuttgart 21) ist es aber kaum vorstellbar, den Emissionslevel mal eben so zu halbieren. Entsprechend schwierig wird es für die Grünen werden, ihre Wähler nicht massiv zu enttäuschen.

Hans Meier
Hans Meier
2 Jahre zuvor

Die Koalition unter Kanzler Olaf Scholz wird versuchen die Krise zu managen in, der sich die frustrierte Bevölkerung vorfindet, der die bisherige Politik größte Probleme bereitet.
Es braucht neue Perspektiven, die vormaligen sind durch bescheuerte, hektische Politik ohne Sachverstand zerstört.
Die allgemeine Sehnsucht nach unbeschwerter Freiheit, sich sicher und mit Respekt, als normaler Bürger, der Wertschätzung durch einen neuen politischen Stil erfährt, ist dringend angesagt.
Die Zeit der hysterischen Übertreibungen, im politischen Rausch haben nichts Gutes, aber einen „schweren Kater“ gebrochener Versprechen verursacht.
Die von ständigen Enttäuschungen verärgerte Stimmung in der Bevölkerung wird nicht verfliegen. Die Regierung braucht das brave Volk um im Amt zu bleiben, daran kommt auch die neue Führungs-Riege nicht vorbei. Das kann auch die Journaille ändern.

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