Kraftwerk ‚Datteln 4‘: Totgesagte leben länger!

Foto: Robin Patzwaldt

Es ist wirklich erstaunlich! Plötzlich ist das Thema ‚Datteln 4‘ doch noch einmal aus der Versenkung aufgetaucht. Und das nicht nur, weil es seit Tagen auffällig dampft und qualmt rund um das 180 Meter hohe Kraftwerk im Kreis Recklinghausen. Im Zuge der laufenden Klimadebatten scheint das Thema tatsächlich noch einmal an Bedeutung zu gewinnen.

Auffällig dabei ist eine offenkundige Zweiteilung des Lagers der Kraftwerkskritiker, die es in dieser Ausprägung bisher nicht zu beobachten gab.

Da ist zum einen die Fraktion der betroffenen Anwohner rund um den Vertreter der ‚Meistersiedlung‘ aus Datteln, Rainer Köster. Dieser erinnerte am Donnerstagabend in einem Bericht der WDR-Lokalzeit Dortmund noch einmal konkret an das Problem des Standorts, welches ja vor rund 10 Jahren die Diskussionen in der Region bestimmte.

Köster beklage, dass das Kraftwerk aus seiner und der Sicht vieler seiner Mitstreiter niemals dort hätte gebaut werden dürfen, wo es jetzt steht. Politik und Verwaltung hätten dann an den Rahmenbedingungen zu basteln versucht um das Kraftwerk an diesem gerichtlich monierten Standort dennoch in Betrieb gehen zu lassen. Die Meistersiedlung und viele weitere Anwohner der Gegend fühlten sich dadurch ‚veräppelt‘ und im Stich gelassen.

Und dann trat im selben Bericht auch Dr. Thomas Krämerkämper vom BUND auf. Sein Kritik-Schwerpunkt lag ganz bei den Emissionen. Krämerkemper rechnete gegenüber dem Kollegen Frank Stach vom WDR vor, warum es aus seiner Sicht keine Lösung sein dürfe Datteln 4 in Betrieb zu nehmen und dafür ältere Meiler von Uniper vom Netz zu nehmen.

Zwei Kritiker derselben Sache, mit augenfällig völlig unterschiedlichen Ansätzen. Zurückgehen tut diese Spaltung der Kritiker meiner Beobachtung nach auf die Gründung des inzwischen längst vergessenen Bündnisses gegen Datteln 4 im Jahre 2014.

Damals beschlossen einige Kritiker des Kraftwerks sich in der Zukunft mit überregionalen Kohlegegnern zu verbünden um sich dadurch zu stärken. Ein Plan, der mächtig in die Hose ging. Zum einen kam das Bündnis nie wirklich in die Gänge, zum anderen konzentrierte sich die Anti-Kohle Lobby schon kurz darauf auf den Braunkohletagebau rund um den Hambacher Forst. Der Protest rund um Datteln 4, der ohnehin nie besonders stark war, verlor so dramatisch an Kraft.

Zurück blieben damals lediglich ein paar unentwegte rund um Rainer Köster und seine Mitstreiter aus der Meistersiedlung.

Durch die laufende Klimadebatte und die inzwischen entflammten Diskussionen um den geplanten Kohleausstieg bis 2038 könnte der Kampf gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks in Datteln nun aber offenbar doch noch einmal ungeahnten Schwung bekommen.

Urplötzlich scheinen nämlich jetzt, wo es fast zu spät zu sein scheint, auch junge Klimakämpfer das Thema für sich neu zu entdecken. So war zum Beispiel am Donnerstag eine durchaus als vollmundig anzusehende Kampfansage von Luisa Neubauer und Kathrin Henneberger in der Frankfurter Rundschau zu lesen. Dort tätigten die beiden Klimaaktivistinnen in einem Gastbeitrag durchaus spannende Aussagen mit Blick in Richtung Datteln.

Unter anderem heißt es dort: „Der Bundestag wird es dem fossilen Energieriesen Uniper wohl erlauben, im Sommer das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz zu bringen. Ja, ein neues Kohlekraftwerk im Jahr 2020. Im deutschen Kohleausstiegsgesetz. Das ist Realsatire, die wir uns nicht leisten können.“

Und weiter schreiben sie: „Datteln 4 ist ein Brandbeschleuniger und hätte niemals gebaut werden dürfen. Die Klimagerechtigkeitsbewegung wird alles daran setzen, dass das Kraftwerk nicht ans Netz geht.“

Schon interessant. Denn bisher war von dieser Bewegung in und um Datteln seit Jahren nichts zu sehen oder zu hören. Noch vor wenigen Wochen geriet die Fridays for Future-Demo in Datteln zum Flopp.

Handelt es sich hierbei also um echte Pläne und Entschlossenheit, oder haben wir es lediglich mit hohlen Phrasen zu tun?

Fakt ist, dass in dem Beitrag der beiden nicht vom ursprünglichen Problem der Planung, dem Standort zu lesen ist. Auch den beiden geht es um den grundsätzlichen Kampf gegen Kohle. Sie thematisieren die Schadstoffe, die Importkohle, die Arbeitsbedingungen etc.. Alles Themen, die auch schon das ‚Bündnis gegen Datteln 4‘ vor rund sechs Jahren angesproche hatte. Damals ohne irgendeine nennenswerte Wirkung.

Mit dem ursprünglichen Kampf von Rainer Köster und seinen Mitstreitern hat das ohnehin wohl nur ganz am Rande zu tun, wenn beide Gruppen auch das gleiche Ziel teilen, das Kraftwerk in letzter Minute doch noch vom Netz fernzuhalten.

Im Sommer soll das weit über eine Milliarde Euro teure Kohle-Kraftwerk in die Strom-Produktion dauerhaft mit einsteigen. Zumindest dann, wenn es nach Bauherr Uniper geht. Die Zeit drängt also für die Kritiker und Gegner.

Hätte die „Klimagerechtigkeitsbewegung“ die Anwohner vor Ort nicht so lange alleine auf weiter Flur stehen lassen, die Chancen auf einen finalen Erfolg ihres Kampfes würden jetzt womöglich deutlich besser stehen.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
4 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Michael Finke
Michael Finke
4 Jahre zuvor

Hallo Herr Patzwaldt,,
ich habe aufgehört Ihren Artikel zu lesen, als ich zu der Stelle kam, wo Sie behaupten, dass es eine Spaltung der Kritiker von Datteln IV geben würde. Nun ja, die Bewohner*innen der Dattelner Meistersiedlung verweisen als betroffene Anwohner natürlich auf den fehlenden Abstand des Bauwerks, der BUND als Verein, der dem Schutz der Umwelt verpflichtet ist, verweist naturgemäß auf die umweltbelastenden Faktoren des Betriebs, insbesondere den Ausstoß von Treibhausgasen.
Ich erkenne hierbei keine Spaltung, es werden halt zwei Gründe angeführt, warum das Kraftwerk besser abgerissen als in Betrieb gehen sollte.
Interessanter fand ich aber die Diskussionen unter dem verlinkten Artikel zum Aktionsbündnis gegen Datteln IV. Dort schrieb Norbert Schmitz vor sechs Jahren folgendes:
„.Ich habe in meinen fast 40 Berufsjahren als Lokalredakteur (davon 35 Jahre in Datteln) stets den persönlichen Kontakt zu meinen Informanten gepflegt und nachgefragt, wenn nach Klärungsbedarf bestand. Dies hätte der „Kollege“ Patzwald auch tun sollen. Für mich steht fest, dass ich die „Ruhrbarone“ künftig nicht mehr mit Informationen versorgen werde, weil diese möglicherweise so zurechtgebogen werden, wie es dem kommentierenden Berichterstatter in den Kram passt.“
Ich habe mit Ihnen ähnliche Erfahrungen gemacht.
Mir scheint es, Sie versuchen krampfhaft das Internet voll zu schreiben. Seien Sie gewiß, es wird Ihnen nicht gelingen.
Michael Finke

Didi
Didi
4 Jahre zuvor

Am Anfang hieß es noch, dass einige Kraftwerksblöcke in Herne-Baukau (Steag) und weitere Kraftwerke im Umkreis abgeschaltet werden sollen, wenn Datteln 4 ans Netz geht. An sich hatte ich das deshalb am Anfang auch befürwortet, da es ein immenser Gewinn für die Bevölkerung gewesen wäre. Davon hört man aber heute NICHTS mehr. Heute heißt es, dass Uniper lediglich alte Kraftwerke in anderen Bundesländern abschalten WÜRDE.

So oder so dürfen wir festhalten:
1. Im Ruhrgebiet TRAUT MAN SICH also, weiterhin solchen Dreckschleudern Raum zu bieten (Strukturwandel können die also auch nicht)

2. Wird das Kraftwerk im Grunde überhaupt nicht gebraucht. WARUM steht es da und warum wurde es gebaut? FÜR WAS, wenn andere Kraftwerke nicht mit sofortiger Wirkung stillgelegt werden. Und ich verstehe nicht, wie die Politik "Bedarf" für ein weiteres Kraftwerke "erkennen" konnte. Wird damit wieder Strom produziert, um es einfach nur wieder ins Ausland zu verkaufen?

3. Das Ruhrgebiet kriegt nach wie vor NICHTS hin. Die reden hier immer über Weiterentwicklung etc. pp aber ich sehe davon NICHTS.

trackback

[…] In der Vorwoche kündigte ‚Fridays for Future‘ in der Frankfurter Rundschau zwar mit markigen Worten an, dass man sich in Zukunft gegen ‚Datteln 4‘ engagieren […]

Werbung