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Dortmunder Nordstadt: „Frau Dr. Hetmeier schickt Bläser auf den Straßenstrich!!“

Foto: Barbara Underberg

Zum Thema Dortmunder Nordstadt/Straßenstrich erreichte uns ein Leserbrief. Dafür haben wir zwar eigentlich die Kommentare, aber dieser Leserbrief von Jens Heubes ist dann doch etwas Besonderes. Deswegen veröffentlichen wir ihn:

Frau Dr. Hetmeier schickt Bläser auf den Straßenstrich!

Frau Dr. Hetmeier marschierte am 06.05 um 18:00 Uhr mit ca. 5 Gästen/Zuschauern und mehreren Bläsern/Bläserinnen auf den Straßenstrich und blies zu einem Konzert für sich und Ihre Begleiter. Sie wollte damit Ihr persönliches Ziel die Schließung des Straßenstrichs und die sich damit angeblich verbundene wundersame Auflösung der Kriminalität in der gesamten Nordstadt feiern. Sie zelebrierte diesen Sieg vor den Augen der Mitbürger, und stellte sich auf die Straße und tanzte zu den Klängen Ihres Konzertes. Die derzeit Ihrer Arbeit

nachgehenden Damen und Ihre Kunden fühlten sich dadurch verspottet, erniedrigt und ihrer Rechte beraubt.
Es ist einfach ein geschmackloses Verhalten, für welches man sich als anständiger Dortmunder einfach nur schämen kann, aber Ihr Verhalten wird durch die lokale Presse unkritisch begleitet.

Ich will jetzt gar nicht über das für und wieder des Straßenstrichs diskutieren, dieses Thema wurde in den letzten Monaten genug diskutiert. Ich sehe die Selektion in gesellschaftlich akzeptierte und diskreditierte Arbeitnehmer/innen kritisch, aber diese Art der Selektion ist uns Deutschen ja nicht unbekannt.
Ich finde es sehr bedenklich, dass dieses feindselige und zynische Verhalten in Kreisen der Nordstadt SPD gefördert wird. Aber selbst in Kreisen der Polizei scheint das Verhalten von Frau Dr. Hetmeier schützenswert zu sein.

Vielleicht soll Frau Dr. sich mal überlegen, ob sie nicht langsam die Partei wechseln möchte, da solch ein menschenfeindliches und narzisstisches Verhalten wie Sie es mit dieser Aktion an den Tag gelegt hat, in keinster Weise „sozial“ ist.

Jens Heubes

Der Brief ging auch anderen Redaktionen zu. Frau Hetmeier, Ratsfrau der Dortmunder SPD, hat den Inhalt des Leserbriefs bestätigt.

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Torti
Torti
12 Jahre zuvor

Lieber Jens Heuber,

besonders gelungen finde ich dieses Verhalten nun auch nicht. Aber ich war als Mitglied der Schulpflegschaft der Kl. Kielstrasse und der Nordstadteltern massgeblich an dem Druck der Anwohner auf die Politik beteiligt. Wir haben innerhalb von drei Wochen 6200 Unterschriften von Anwohner für die Schliessung gesammelt. Um die Zahl mal einzuordnen für ein Bürgerbegehren braucht man in Dortmund ca. 13000. Wenn wir das organisiert hätten, wären die locker zusammengekommen.

Leider wird in der Presse so getan, als wäre die Forderung der Schliessung ein Law & Order Projekt der Stadtpolitik. Das stimmt nicht.

Wir Bewohner der Nordstadt haben in mehreren Sternmärschen auf die katastrophale Entwicklung hingewiesen.

Dies kommt leider in der Presse nie vor. Ich hatte mit den Nordstadteltern vor seiner Entscheidung Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem RP Bollermann.
Wir haben ihn mal daraufhingewiesen, das die schwächsten Bewohner der Nordstadt nicht die Prostituierten sind, sondern die Kinder die dort aufwachsen.
Denn die Nordstadt ist der kinderreichste Dortmunder Stadtteil.

Aber sich für Kinder zu engagieren kommt in Deutschland nach Tieren und Prostituierten.

Wir haben übrigens nie das völlige Verbot der Prostitution in der Nordstadt gefordert. Die Linienstrasse bleibt erhalten. Dort können Sie weiterhin Ihrem Beruf nachgehen von den Anwohner völlig aktzeptiert.

Ich verwahre mich aber gegen Ihr Vokabular, dass Sie von Nazis abgucken.

Von dem Zeigefingern den Sie ausstrecken zeigen vier Finger auf Sie zurück.

Mir sind alle Nationen in der Nordstadt willkommen. Aber es hat ein Entwicklung geben, und damit meine ich nicht nur die Kriminalität, die Ihren Ankerpunkt auf dem Strassenstrich hat.

Wir Nordstadteltern verweigern uns einer Wahrnehmung welche die Nordstadt ausschliesslich über Ihre angebliche Randständigkeit definiert.

Ausserdem sind wir sehr stolz die Schliessung durchgesetzt zu haben. Aus einem Engagement als Bürger vieler Nationen ohne die fürsorgliche Betreuung von Urban, EU und Sozialarbeit.

Man muss unsere Meinung nicht teilen, aber Sie alles rechtpopulistischen Mob herabzusetzen ist unredlich und beleidigt alle Menschen in der Nordstadt, welche dort ihre Kinder ohne Prostituierte und ihr Umfeld, ohne Spritzen im Sandkasten und ohne leere Wodkapullen in Parks, ohne totale Vermüllung ihrer Strasse.

Ich schäme mich jedenfalls nicht dafür in der Nordstadt einzutreten.

Andi
Andi
12 Jahre zuvor

@Torti: „6200 Unterschriften von Anwohner“

Hmm, entweder ist das ’ne Hochhaussiedlung chinesischen Ausmasses, oder der Begriff „Anwohner“ ist arg grosszügig ausgelegt.

Jedenfalls eine sehr interessante Idee, den Sieg über einen Straßenstrich mit Blasmusik zu feiern.

Torti
Torti
12 Jahre zuvor

@Andi
Da fällt mir nur ein Zitat von Dieter Nuhr drauf ein.

Andi
Andi
12 Jahre zuvor

@Torti: 6200 Personen sind fast ein Zehntel aller Nordstädter und verteilen sich durchschnittlich auf drei Quadratkilometer Dortmund. Das erscheint mir sehr reichlich, um noch von „Anwohnern“ zu sprechen (zumal es meinem Verständnis nach vorwiegend um einige hundert Meter Strasse am Rande eines Industriegebiets geht). Mehr wollte ich gar nicht zum Ausdruck bringen. Aber wenn dir dazu lediglich Nuhr einfällt, verweise ich höflichst auf Goethe.

dr_Opir
dr_Opir
12 Jahre zuvor

@Torti
Sie schreiben: „Leider wird in der Presse so getan, als wäre die Forderung der Schliessung ein Law & Order Projekt der Stadtpolitik. Das stimmt nicht.“

Nach so einer Aussage erwartet man ein „sondern“ – was ist diese mit Gesetz und Ordnungsmacht (Law & Order) durchgesetzte Maßnahme denn stattdessen? Diese Erklärung bleiben Sie schuldig. Was Sie schreiben, ist:

„Wir Bewohner der Nordstadt haben in mehreren Sternmärschen auf die katastrophale Entwicklung hingewiesen. “

Welche katastrophale Entwicklung meinen Sie?
Wissen Sie, ich bin, aus der Mittelschicht kommend, Anfang des Jahres bewusst in die Nordstadt gezogen, weil ich sie von früher (2003-2007) als sehr lebendiges, vielfältiges und interessantes Viertel mit günstigen Mieten und schönen Altbauten in Erinnerung hatte. Ich wählte eine Wohnung in einem von der Vermietergesellschaft ausgezeichnet verwalteten Gebäudekomplex zwischen Nordmarkt und Straßenstrich. Seitdem muss ich mich nicht nur vor Außenstehenden, sondern offenbar sogar von Leuten wie Ihnen, also Einwohnern, dafür rechtfertigen. Denn sie alle eint die Ansicht, dass dieses Viertel kaputt ist: Gewalt, Drogen, Alkohol, Kriminalität seien an der Tagesordnung. Und das, obwohl die Nordstadt IMMER NOCH ein sehr lebendiges, vielfältiges und interessantes Viertel mit günstigen Mieten und schönen Altbauten ist – und eben kein gemeingefährlicher Slum.

Zugegeben, natürlich gibt es negative Vorfälle hier. ABER wir werden nicht von ihnen beherrscht, und man muss auch nicht davor Angst haben, drei Messer im Rücken zu haben, sobald man aus der Haustür tritt – sondern eher davor, einen Fußball von den zahlreich im Viertel spielenden Kindern an den Kopf zu bekommen. Offenbar beeinträchtigt der Straßenstrich diesen Zustand überhaupt nicht. Oder wollen Sie mir erzählen, dass nach dem 16.5. plötzlich NOCH MEHR Kinder hier auf den Straßen spielen? Ich habe mal drauf geachtet: wenn ich zum Kaufland einkaufen gehe, sehe ich regelmäßig mindestens genau so viele Kinder wie Erwachsene. Wo gibt es sowas denn sonst? Das ist einzigartig und ein toller Beweis dafür, wie lebendig die Nordstadt ist. Selbst den Nordmarkt teilen sich die Kinder mit den – überwiegend friedlichen – Alkoholikern.

Was also ist Ihr Problem? Was ist kinderunfreundlich an einem gut gesicherten und mit Beratungs- und Hilfseinrichtungen gesegneten Straßenstrich, der zudem von einer großen Hauptstraße räumlich vom Wohngebiet abgetrennt ist? (Ich wohne direkt nebenan und kriege so gut wie NICHTS davon mit! Ich kann das überhaupt nicht verstehen, wieso da so ein Bohei drum gemacht wird! Aber ich habe Angst, dass ich demnächst was davon mitkriege, falls die den Strich illegalerweise zu mir vors Fenster verlegen!)

Dem Leserbriefschreiber kann ich übrigens nur beipflichten: Frau Hetmeiers Aktion war menschenverachtend. Ich bin gespannt, was sie sagt, wenn die Prostituierten demnächst in den kleinen Straßen um ihr Büro rum illegal ihre Dienste anbieten; jedenfalls diejenigen, die nicht demnächst wieder regelmäßig in irgendwelchen schäbigen Wohnwagen an Bundesstraßen und Autobahnen vergewaltigt werden, weil dort keine Sicherheit für sie besteht. Können Sie mit dieser Schuld eigentlich leben? Sind Sie und Frau Hetmeier da ernsthaft stolz drauf?

Und wieso meinen Sie eigentlich, für die Nordstadt einzutreten, wenn Sie sie als ein Viertel darstellen, in dem es NORMAL ist, in Sandkästen Spritzen und Wodkaflaschen zu finden und auf den Straßen Unmengen an Müll? Ich gehe oft durch die Straßen, und ja, es ist an manchen Ecken Müll zu sehen – aber das war’s auch schon. Und wie viele Fälle von Kindern mit Verletzungen durch Spritzen und Flaschen kennen Sie? Ich sehe immer nur volle Spielplätze mit fröhlichen Kindern hier!

Also, halten Sie doch bitte mal den Ball flach. Ist zwar zu spät, aber kann ja nicht schaden.

dosron
12 Jahre zuvor

In der Einladung zu dieser „Veranstaltung“ schrieb Frau Dr. H. „Wir blasen ohne Gummi“.

blah
blah
12 Jahre zuvor

wieso, ist doch eine naheliegende Frage.

politchaos
politchaos
12 Jahre zuvor

Also: Auch ich kann die Kritik an Hetmeier nachvollziehen, die in Sachen Straßenstrich inzwischen jedes Maß verloren hat.
Allerdings: Der indirekte Vergleich mit der Nazi-Zeit in dem Leserbrief (Selektion kennen wir Deutschen ja), ist ebenfalls ziemlich daneben.
Und der Hinweis in einem der Kommentare, die Dortmunder Presse verkaufe die Schließung des Straßenstrichs nur als Erfolg der Stadtpolitik und verschweige die Protestmärsche der Nordstadt-Anwohner ist schlicht falsch. Über die Protestmärsche oder auch den so genannten Angstatlas von Nordstadt-Kindern wurde sehr ausführlich berichtet. Man darf vor lauter eigentlicher Befindlichkeit nicht blind werden.

politchaos
politchaos
12 Jahre zuvor

@torti schrieb
„Wir Bewohner der Nordstadt haben in mehreren Sternmärschen auf die katastrophale Entwicklung hingewiesen.
Dies kommt leider in der Presse nie vor“

– das ist, mit Verlaub, dummes Zeug. Die Presse hat ausführlich über die Sternmärsche berichtet. Vielleicht einfach mal Zeitung lesen.

Torti
Torti
12 Jahre zuvor

@dr_Opir
Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir machen eine Sammelaktion.
Für jede von Elterninitiativen eingesammelte, benutze Spritze
spenden Sie 5 € an ein Drogenhilfeprojekt.
Für jede auf Spielplätzen eingesammelte Alkohlikaflasche 1 € plus den Flaschenpfand an die Haltestelle.
Wir laden die Presse am Zähl- und Zahltag in das Elterncafe der Kl. Kielstrasse.
Über die Ruhrbarone können wir das starten.

Übrigens haben Sie uns mit Ihrer Miete schon unterstützt. Ihre WBG war und ist eine der wichtigsten Unterstützer der Anwohnerinitiativen zum Verbot des Strassenstrichs. Danke dafür !

nutcase
nutcase
12 Jahre zuvor

Finde die Aktion der Frau Dr. Hetmeier ebenfalls geschmacklos.

@dr_Opir

Bin nach ca. 10 Jahren Nordstadt vor ca. einem Jahr aus dem Stadtteil weg gezogen. Mir wurde es einfach zu viel.

Bin etliche Male von den zum Monatswechsel lauthals feiernden Alkoholikern mitten in der Nacht unter der Woche geweckt worden. Dazu eine Kneipe an der Ecke, die regelmäßig unter der Woche mitten in der Nacht mit Balkantechno abgenervt hat. Weiterhin mit Vollgas und quietschenden Reifen durch die Straßen brausenden „Asikarren“. Sehr häufig beim Verlassen der Wohnung neuen Müll vor der Haustür gefunden. Jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit auf nüchternem Magen an Kotzeflecken vorbei gelaufen. Fast jedes Mal auf dem Weg zum Eisenhauer von Prostituierten angesprochen worden. Dort auf dem Bürgersteig dafür sorgen müssen, dass eine zugedröhnte Junkiebraut nicht umkippt und auf die Strasse fällt. Ein symphatisches Nachbarsehepaar in meinem Alter mit Kind ist weggezogen, weil Junkies ihre benutzten Spritzen im Kinderwagen im Hausflur abgeworfen hatten.

Man muss das nicht dramatisieren. Aber man muss es auch nicht marginalisieren.

Es ist ein lebendiges Viertel. Aber man wird auch häufig mit der Not anderer Menschen konfrontiert und das ist gelegentlich in dieser Konzentration schwer zu ertragen. Das ist nicht so zynisch gemeint, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Man fühlt sich angesichts des Elends manchmal auch einfach ohnmächtig und hilflos und droht abzustumpfen.

Hab mal mit zwei türkischen Jugendlichen gesprochen und wir kamen auf das Thema Müll. „Is halt Nordstadt. Das macht hier jeder so.“
Die Verhältnisse etablieren und verfestigen sich auch dadurch, dass sie auf Dauer als Normalität wahrgenommen werden. Und das wiederum führt dazu, dass zum Teil schon Leute aus anderen Stadtteilen nachts ihren Sperrmüll in die Nordstadt karren und dort abwerfen. Ebenso kommen Alkoholiker aus dem gesamten Stadtgebiet, um auf dem Nordmarkt zu trinken. Klar, ist ja auch ein freies Land und jeder darf sich aufhalten wo er mag. Es zeigt aber, dass die Verhältnisse vor Ort durchaus eine Sogwirkung haben.

Ebenso wie es Gentrifizierungsprozesse gibt, gibt es auch die gegenteilige Bewegung. Dass ein Stadtteil abrutscht und es immer schlechter wird. Dass fitte Leute wegziehen, weil es ihnen zu viel wird. Und irgendwann ist es dann vielleicht auch kein lebendiges Viertel mehr. Wenn der Bioladen zu macht, und das Programmkino und die schöne Kneipe an der Ecke.

Es gilt also eine Balance zu finden. Und da ist die Frage legitim: „Warum muss die Nordstadt das eigentlich alles tragen?“. Die Alkoholikerszene, die Junkieszene, den Strassenstrich, den Arbeiterstrich. Muss das wirklich alles in einem Stadtteil sein? Die Bezirksbürgermeister der anderen Stadtteile freuen sich bestimmt darüber, wenn dadurch „ihre Hood“ schön sauber und stressfrei ist.

Tortist
Tortist
12 Jahre zuvor

@nutcase
Besser kann ich es nicht sagen, aber als Alleinerziehender kann ich es mir nicht leisten wegzuziehen. Und will es auch nicht. Danke !

uranya
uranya
12 Jahre zuvor

Irgendwie vermisse ich in den ganzen Kommentaren den Kern in der Sache: Scheinbar ist es wichtiger sich an einem potentiellen Nazivergleich aufzuhängen. Ich denke wir Deutschehn haben nicht nur zur Zeit des dritten Reichs bewiesen, dass wir ein Talent zu Selektion haben – Ich sag nur Krankenversicherung: Privat vs. Staat, wir leisten uns ein vielschichtiges Schulsystem: Haupt-, Real-, Gesamtschule und Gymnasium, außerdem gibt es in kaum einem anderen Land ein so kompliziertes Steuersystem und bei vielen Mitbürgern sehe ich – genau wie Herr Heubes – dass sogar zwischen gesellschaftskonformen Jobs und unschönen Arbeitsverhältnissen unterschieden wird. Deswegen finde ich es eher beschämend, wenn auch aussagekräftig, dass sofort an unsere rechtsextreme Vergangenheit gedacht wird, als auf das zu reagieren, was so offensichtlich heute in Deutschland schief läuft.
Herr Heubes wollte augenscheinlich durch seine krasse Wortwahl die Menschen wachrütteln, die für normale Artikulation nicht zugänglich sind. Und das scheint ihm hervorragend gelungen zu sein, sofern man die breite Spanne an Kommentaren betrachtet.
Nun zum eigentlichen Thema:
Die Dreistigkeit, mit der Frau Hetmeier (als Vertreterin im Stadtrat, Person von öffentlichen Interesse) sich in Szene gesetzt hat empört mich ungemein. Zumal die SPD es war, die Prostitution in Deutschland legalisiert hat. Legal, das ist das Stichwort – bis zum Inkrafttreten der Sperrzone ist die Arbeit, der die Dame auf dem Strich nachgehen vollkommen legal! Also soll Frau Hetmeier nicht so tun als habe sie selbst der Stadt den Teufel ausgetrieben!
Nicht nur, dass den Damen ihre Lebensgrundlage – ihr Arbeitsplatz – weggenommen wird, sie müssen sich durch Frau Biedermann und Konsorten auch noch während ihrer Arbeitszeit verhöhnen lassen. Welcher Bürger würde es akzeptieren, wenn ihm sein Arbeitsplatz genommen würde und die Verantwortlichen kurz vor Dienstschluss kämen und vor ihm einen Freudentanz mit dem Fingerzeig der Öffentlichkeit aufführten? Frau Hetmeier hat genau das getan und sogar Polizeischutz für diese Aktion bekommen. Ist das wirklich akzeptables Verhalten in unserer Gesellschaft?
Wenn ja, dann brauche ich keinen Nazivergleich aus dem Ärmel zu schütteln, um auf die Selektion in unserer Gesellschaft hinzuweisen.

dr_Opir
dr_Opir
12 Jahre zuvor

@Torti
Hören Sie mal, ich wohne in der Nordstadt, so eine Aktion kann ich mir nicht leisten. 😉 Im Ernst: Wenn es so furchtbar sein soll auf den Spielplätzen – wieso sind da so viele Kinder drauf? Konkret auf den Plätzen am Keuninghaus, Frdenbaumpark, Nordmarkt und Stollenpark, die wirklich extrem gut frequentiert sind, aber auch zwischendurch immer mal wieder – leere Plätze sieht man wirklich selten.

Mit meiner Miete habe ich niemanden unterstützt, sondern für Wohnraum bezahlt. Mieten ist nicht dasselbe wie Spenden.

Nach wie vor glaube ich, dass die Schließung des Strichs eher negative Folgen haben wird und dass der Strich eher wenig mit den Problemen, die das Viertel hat, zu tun hat (da geht es nämlich eher um klassische Unterschichtproblematiken, die in einer kapitalistischen Gesellschaft schlicht und einfach unvermeidbar sind); es wäre natürlich schön, wenn ich mich irre und es in einem Jahr hier NOCH SCHÖNER ist.

@nutcase
Sie haben Recht, täglich Elend zu sehen ist belastend. Deshalb habe ich vor langer Zeit schon gelernt, meinen Blick eher auf Positives in meiner Umgebung zu lenken, denn ich sehe Elend nicht nur in Vierteln wie der Nordstadt, sondern im ganz normalen Alltag eines im Kapitalismus als Arbeitskraftbehälter vernutzten Menschen – was meinen Sie, wo sog. Familiendramen herkommen und wo die stattfinden? Aber das würde jetzt zu weit führen, der Punkt ist: Elend gibt es hierzulande an jeder Ecke. Aber es gibt verschiedene Formen davon, und es gibt überall auch Schönes. Für mich überwiegt in der Nordstadt das Schöne: die spielenden Kinder vor meinem Balkon und auf den Plätzen, die herrlichen Jugendstilhäuser, die nahezu perfekte ÖPNV- und Einkaufssituation, die günstigen Mieten, die Parks, der Kanal, die traditionsreiche Geschichte, die vielfältige Kulturlandschaft (das Programmkino hat übrigens gerade wieder ERÖFFNET, die schönen Kneipen gibt es nach wie vor, und einen Bioladen braucht heutzutage kein Mensch mehr!) usw. Es ist ein Viertel, in dem das Randständige durchaus schöne Blüten trägt, um es mal blumig auszudrücken, und das gefällt mir. Wenn ich von einem Besuch bei meinen Eltern, die in einer totenstillen Reihenhaussiedlung mit überwiegend verwaisten Spielplätzen leben, zurück komme, freue ich mich jedes Mal über die Lebendigkeit hier, und dann ist mir irgendein Kotzfleck (hatte ich übrigens erst zweimal, das „Vergnügen“, einmal verursacht durch eine Studentenparty…) auch egal. Und ich denke, dass dieser positive Blick auf die Nordstadt den meisten Dortmundern durch die grauenhafte Presse in den letzten Monaten unmöglich geworden ist – ganz zu schweigen von den rassistischen Vorurteilen, die ja leider viele haben. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen“ (!) sagte mir neulich bei der Arbeit ein 13jähriger Junge, dem ich von der schönen Fassade meines Wohnhauses vorschwärmte. Und „aber das sind keine deutschen Kinder, oder?!“ antworteten zwei ganz normale deutsche Frauen, denen ich von dem vollen Spielplatz hier im Innenhof erzählte, unabhängig voneinander in abschätzigem Ton. Ich finde das traurig. Und dem gegenüber fühle ich mich dann eher ohnmächtig und hilflos.

Es ist eine Frage der Perspektive, wie man mit Vierteln wie der Nordstadt umgeht, wie man sie betrachtet und bewertet. Zur Zeit überwiegt in der öffentlichen Meinung beinahe ausschließlich ein negatives Bild (Ausnahmen wie der „Lokalzeit“-Bericht über das „Velokitchen“-Projekt bestätigen die Regel), und da befürchte ich, dass das dann zu einer tatsächlichen weiteren Abwertung des Stadtteils führt, weil potentielle Mieter abgeschreckt werden. Erst recht, wenn Maßnahmen wie die Schließung des Straßenstrichs nicht die gewünschte Wirkung entfalten.

Torti
Torti
12 Jahre zuvor

@dr_opir
Ja auch mein Sohn geht auf Spielplätze, und die sind auch immer voll. Aber nur weil Eltern einfach wortlos dafür sorgen das alles gefährliche verschwindet.
Sie haben offensichtlich keine Kinder. Da Sie keine Verantwortung übernehmen müssen sehen Sie offensichtliches nicht. Sie haben recht eine Frage der Perspektive. Schade das Sie nicht den Mut, haben sich der Sammlung zu stellen.

Auch ich lebe gerne hier. Aus den von Ihnen genannten Gründen übrigens.

Ich bin aber mit ihrer heile-Welt-Hei-Tei-Sicht nicht einverstanden. Besonders dann nicht wenn Sie Engament gegen Problem einfach beschimpfen und herabsetzen.

Und schon gar nicht wenn Sie diese mit der Moralkeule totschlagen, wie der Frage ob ich mit der Schuld leben kann.

Das ist respektlos und scheinheilig. Man kann durchaus kontroverser Meinung sein. Aber für sich die moralische Überlegenheit zu beanspruchen ist schäbig.

dr_Opir
dr_Opir
12 Jahre zuvor

@Torti
Schön, dass wir uns in den wichtigsten Punkten offenbar einig sind. Ich habe allerdings keine Heile-Welt-Sicht, ganz im Gegenteil. Und genau deshalb erscheint mir die Agitation gegen den Straßenstrich als so verkehrt: Wenn der sich nämlich in die Illegalität verlagert, wird die Welt noch kaputter. Den Vorwurf der moralischen Überheblichkeit könnte ich auch zurückgeben, denn es sind doch Frau Hetmeier und die Elternverbände, die legale Prostitution auf einem abgesicherten und von Wohngebieten abgetrennten Areal immer wieder in einem Atemzug nennen mit Gewalt- und Drogenkriminalität. Dass ich mit meiner Frage übers Ziel hinausgeschossen bin: geschenkt; da habe ich mich wohl von Frau Hetmeier und ihrem irren Blaskonzert inspirieren lassen.

Ingrid
Ingrid
12 Jahre zuvor

Welche Immobilienhaie sind an der Nordstadt interessiert? Werden nun bald nach der Säuberung die Mieten steigen? Und welche Gruppierung fällt als nächste durchs Sieb?

Das Verhalten einer Frau Hetmeier ist an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten, auch für mich steckt da eine Ideologie dahinter, die eigentlich in einer SPD nichts zu suchen hat. Anstatt sich darüber aufzuregen und dies zu kritisieren wird pingelig und auch heuchlerisch an Formulierungen bzw. an einem unangenehmen Vergleich herumgekrittelt.

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