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Sebel: „Es gibt überhaupt keine Szene, keine Kultur, kein Sinn für Kunst und für Musik mehr.“

sebel
Sebel ist ein wahres Multitalent: Musiker, und nebenbei Fotograf und Filmer. Er spielt mehrere Instrumente und ist damit in den letzten Jahren immer erfolgreicher geworden. 
Aus Wanne-Eickel stammend, zog er vor einigen Jahren nach Recklinghausen um. Im Interview erzählt er über seine Musik und darüber, was ihn immer noch im Ruhrgebiet hält. 

Ruhrbarone: Du kommst aus Wanne-Eickel, wie hat dich das Ruhrgebiet in deiner Musik geprägt?

Sebel: (überlegt lange) Das ist schwierig zu sagen. Erst einmal ganz klar die Menschen. Da ist ein ganz bestimmter Schlag Mensch der hier lebt. Was mich auch sehr geprägt hat, vor allem auch bei den neuen Songs: Diese triste Melancholie und dass es hier doch kulturell und in vieler Hinsicht bergab geht. Ich wohne jetzt seit fünf, sechs Jahren in Recklinghausen und immer wenn ich wieder nach Hause nach Wanne-Eickel komm‘ und in die Innenstadt gehe frag ich mich: „was ist hier passiert? Wo sind die Läden hin, die es früher gab. Gibt es hier jetzt nur noch Handyläden und Apotheken?“. Alle sind hier sehr depressiv, kulturell ist hier viel schief gelaufen.Die ganzen alten Clubs die es früher gab, die Jugendzentren in denen wir früher gespielt haben gibt es alles gar nicht mehr. Es gibt überhaupt keine Szene, keine Kultur, kein Sinn für Kunst und für Musik mehr.

Ruhrbarone: Hat dich die Stadt Wanne-Eickel bzw. Recklinghausen besonders beeinflusst?

Sebel: Recklinghausen und Wanne-Eickel sind die Städte in denen es fast am schlimmsten ist. Deshalb haben mich die Städte besonders geprägt und runtergezogen in den „Sumpf“ (lacht).

Ruhrbarone: Was machst du neben der Musik?

Sebel: Bei mir war es immer Zweigleisig Fotografie/ Video und Musik. Da war mal das eine mehr, mal das andere mehr. Das hat sich immer so in drei, vier Jahreswechseln geändert. Das find ich auch total cool, dass es so abwechslungsreich ist.

Ruhrbarone: Die alten Lieder drehen sich oft um ganz andere Themen als die neuen. Woran liegt das?

Sebel: Das hat mehrere Gründe. Einmal liegt es daran, dass die Lieder vom erste Album „Wie deutsch kann man sein“ nicht in der Phase entstanden in der auch das Album entstanden ist. Da sind teilweise Songs dabei, die es schon ganz lange her gab. Klar, als 22,23-Jähriger schreibt man ganz andere Lieder als mit 35. Das erste Album, was ich gemacht hab, ist thematisch das, was ich die letzten acht bis zehn Jahre erlebt habe. Der Song „Scheiss auf die Disco“ ist schon mindestens zehn Jahre alt. Im Nachhinein sehe ich das auch problematisch an, mit 29 oder 30 ein Album aufzunehmen, wo sehr alte Songs drauf sind die man geschrieben hat, als man 22, 23 Jahre alt war. Ich hab aber bei dem Album schon in Liedern wie „Heimat“ und „wie deutsch kann man sein?!“ gemerkt, dass da zwei Seiten in mir schlummern. Einmal dieses Rock ’n‘ Roll Leben, was ich immer noch total geil finde und abfeier‘ und wofür ich lebe. Ich hab aber auch schnell gemerkt dass es auch eine andere Seite gibt. Dass ich das Gefühl habe dass es zwischen den Abenden wo du irgendwelchen Spelunken abhängst mit deinen Jungs und feierst, dass es genau dazwsichen eigentlich auch noch irgendwas anderes da ist, dass man das auch besingen und rauslassen muss.

Ruhrbarone: Was hält dich noch im Ruhrgebiet?

Sebel: Ich weiß es wirklich nicht, ich frag mich das auch sehr oft.

Ruhrbarone: Hast du denn schonmal überlegt wegzuziehen?

Sebel: Ja, ganz oft. Der Wunsch hier wegzuziehen hab ich schon lange. Das ist eigentlich genau das, worum es im Lied „Heimat“ geht. Das wichtigste Wort im Lied ist „trotzdem“ find ich. Heimat ist, wenn du trotzdem glücklich bist. Das heißt: Irgendwo geht mir das total auf den Sack, aber es gibt hier so ein paar Dinge, die mich halten. Ich denke es sind die Menschen, Freunde die ich hier hab‘, meine WG, die ich total super finde und was ich auch in meinem ganzen Lebe vermutlich nie wieder finden würde. Ansonsten hält mich hier wirklich nichts.

Ruhrbarone: Ist das auf-Tour-sein das, was du immer machen willst?
Sebel: Ja, eigentlich schon. Ich kann nicht so weit in die Zukunft blicken aber ich war nie der Typ, der irgendwie Bock hätte ein Haus zu bauen, mit Zaun drum, und immer im gleichen Wort wohnen zu bleiben. Das ständige Unterwegs sein, auf der Suche nach neuen Sachen, auf der Suche nach neuen Leuten und die dann mit Musik zu begeistern ist super geil und das, worauf ich die nächsten Jahre Bock drauf habe.

Ruhrbarone: Führst du wirklich ein Rock ’n‘ Roll-Leben in deiner WG?

Sebel: Das ist schwer zu beschreiben. Es gibt ganz viele Abende wo sich jeder an den Kopf packt und sagt: „Das ist das abgefahrenste, was ich je erlebt habe“. Es ist aber auch teilweise ganz stink-normal. Genau diese Abwechslung ist es auch, die spannend ist und die es immer noch zulässt, dass wir da vernünftig wohnen können. Wenn das jeden Tag so wäre wie es teilweise in dem Video ist, dann würden wir nicht mehr leben. Dann wären wir längst im Krankenhaus oder hätten schon die zweite Leber. Aber es gibt Abende die so sind und in denen solche abgefahrenen Leute in der WG abhängen. Die ganzen Schauspieler, Prominente und Künstler die man so kennenlernt, die genau an dem Ort zusammenkommen. Ich stand schon so oft in der Küche und dachte mir: „Wenn jetzt da ne‘ Kamera hier wäre und das würde jemand aufnehmen was für Leute hier sind.“ Das ist wirklich abgefahren. Aber es gibt auch ganz normale Abende. Heute zum Beispiel wollen wir kochen. Da sitzen wir einfach am Tisch, essen was und trinken Wein und dann geht jeder auch irgendwie in sein Zimmer und guckt Fernsehen.

 

Ruhrbarone: Dein letztes Album ist nun schon etwas länger her. Wann kommst das neue?

Sebel: Ich sag‘ jetzt auf diese Frage immer eine Antwort: Wenn es genug Menschen gibt, die dieses Album haben wollen. Ich arbeite schon sehr lange an dem Album und arbeite sehr akribisch dran. Ich möchte und kann das Album erst dann rausbringen, wenn die Plattenfirma und ich das Gefühl haben, dass wir eine gewisse Anzahl an Menschen haben, die das haben wollen. Sonst verpulvert man das Album und so schnelllebig wie die Zeit ist ist das Album dann drei Monate nachdem man es rausgebracht hat wieder out.

 

Ruhrbarone: Abschließend: wer ist Sebel? Bist das nur du oder ist Sebel eine feste Band?

 

Sebel: Die Band ist ein bisschen aussenstehend, etwas, was es eigentlich nur live gibt. Die Band soll live so bleiben wie sie ist. Die Leute, die uns Live sehen, sollen schon das Gefühl haben, dass Sebel eine Band ist. Trotzdem bin ich Sebel. Ich bin derjenige der schreibt, der produziert und mit den Leuten im Studio arbeitet, mit denen ich produzieren will. Da ist die Band auch kaum involviert. Ich trenne das also. Sebel ist live die Band und ich und das soll auch immer so bleiben. Wir sind Kumpels, wir leben zusammen in der WG und die Leute merken einfach, dass wir uns schon seit Jahren kennen. Und dann gibt’s halt den Sebel der im Hintergrund, wenn wir nicht spielen, an den Songs schreibt und den Rest macht.

 

Sebel’s Tourdaten 2015:
19.02.15 Hamburg, Astra Stube
20.02.15 Lippstadt, Spassverein
22.02.15 Dortmund, Hansa-Theater
21.03.15 Stade, Hanse-Song-Festival
28.03.15 Köln, Kulturcafe Lichtung
09.04.15 Berlin, Auster Club
10.04.15 Magdeburg, Volksbad
14.08.15 Rheinberg, MAP Festival
22.08.15 Recklinghausen, RAH-Festival

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[…] In einem älteren Ruhrbarone-Beitrag hast Du bei uns mal die Kulturlandschaft im Ruhrgebiet kritisiert. Hat sich da aus Deiner Sicht […]

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[…] Ruhrbarone-Stammlesern ist der Name ‚Sebel‘ schon seit Jahren ein Begriff. Der Ruhrgebiets-Rocker mit Herz und Verstand stand uns im Laufe der Jahre immer wieder Rede und Antwort. Sebastian Niehoff, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, begeistert Insider in der Kulturszene des Ruhrgebiets seit Jahren mit schönen, hintergründigen Liedern und starken Meinungen. […]

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[…] aus Recklinghausen. Im Laufe der Zeit hatten wir schon mehrere Artikel und Interviews über das aktuelle Geschehen rund um den leidenschaftlichen Ruhrpott-Musiker hier bei uns im […]

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