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Sebel im Interview: „…keine Menschenseele…und der Himmel…der ist grau!“

Sebel single-coverMultitalent Sebastian Niehoff, alias ‚Sebel‘, ist ein klassisches Kind des Ruhrgebiets.  Ursprünglich aus Wanne-Eickel stammend, zog es ihn vor einigen Jahren nach Recklinghausen. Dort wohnt er aktuell in einer kunterbunten WG direkt über der dortigen Diskothek ‚Moondock‘. Der ambitionierte Musiker betätigt sich übrigens seit Jahren schon quasi ’nebenbei‘ auch noch als Fotograf und Filmemacher.

Für Mitte Februar 2016 hat ‚Sebel‘ aber nun ganz aktuell eine neue Single angekündigt.  Im Ruhrbarone-Interview wirft der Wahl-Recklinghäuser mit uns heute zudem einen kurzen Ausblick auf seine ganz persönlichen Pläne für das Jahr 2016, und es gibt von ihm auch eine kurze Einschätzung zur derzeitigen Lage im ‚Pott‘.

Ruhrbarone: Hallo Sebel! In wenigen Tagen erscheint also Deine neue Single `Nicht tot‘. Erzähl uns doch bitte einmal kurz etwas darüber. Was verbindest Du mit diesem Song?

Sebel: Vor ein paar Jahren sagte mal ein einflussreicher Mensch aus der Musikbranche zu mir: „Sebel…einen Song wie HEIMAT schreibt mal nur 1x in seinem Leben“. Ich liebe diesen Song, klar, und ich spiele ihn auch sehr, sehr gerne, doch ich konnte diese Aussage von Anfang an nie richtig nachvollziehen, weil ich persönlich (vielleicht sehen es andere anders) nie das Gefühl hatte mit „Heimat“ einen richtig großen Song geschrieben zu haben.
Mit „Nicht Tot“ hatte und habe ich dieses Gefühl endlich. Und das hängt nicht davon ab wie erfolgreich diese Nummer wird. Ich kann mich sehr gut daran erinnern als ich den Song in Hamburg schrieb und erst einen Tag später, auf der Heimfahrt im Auto begriffen habe, was dieser Song eigentlich für mich bedeutet und was er einmal bedeuten wird. Einen Tag vorher hatte ich aus dem Bauch heraus Zeilen geschrieben, hin und her gereimt, eine Melodie gefunden, und dachte Abends: „krass…ein Song über deinen eigenen Tod?!“ Als ich das Demo am nächsten Tag im Auto in Schleife hörte, kamen mir sofort die Tränen (was selten vorkommt) und ich heulte die ganze Rückfahrt wie ein Schlosshund. Es lief mir eiskalt den Rücken herunter, Die Haare im Nacken sträubten sich…es war eine anstrengende Zeit für mich auf der A1 an diesem Abend. Es waren sehr, sehr viele persönliche Dinge, Geschichten, Ängste und Erinnerungen plötzlich aus dem Unterbewusstsein aufgetaucht, verpackt in Bildern und Metaphern. Und ich versuchte diese Bilder zu analysieren. Wer waren die „Piraten gegen die ich immer kämpfte“?, Hab ich wirklich nach dem „Schatz gesucht, und ihn nicht entdeckt“?, Was soll das mit dem Ijsselmeer? Vielleicht weil ich als Kind mit meinem Vater das Ijsselmeer besegelte?
In diesem Moment war mir klar, dass ich etwas ganz besonderes geschaffen habe…für mich persönlich…ganz egal was andere darüber denken, für immer in Stein gemeißelt…bis zu meinem eigenen Tod?!
Jedes Mal , wenn ich „Nicht Tot“ live spiele spüre ich teilweise wieder diese Symptome von der Rückfahrt aus Hamburg, was toll ist, aber auch unglaublich anstrengend! Hatte ich auch noch nie.
Diese 4 Minuten fühlen sich nachher ähnlich an, wie ein richtig schwerer 3 stündiger Film!
Für mich ist das der Song, den ich nur einmal im Leben schreibe!

Ruhrbarone: Wird es auch bald ein neues Album geben? Was planst Du sonst noch für das Jahr 2016? Womit beschäftigst Du dich gerade?

Sebel: Ja, das Album ist längst fertig und kommt dieses Jahr. Es hat deshalb so lange gedauert, weil ich das Gefühl hatte, dass das Album lange Zeit niemand verstanden hat. Mit Niemand meine ich nicht die Leute da draußen, sondern ein paar Leute aus der Musikbranche, die Musik veröffentlichen und promoten usw.. Mir haben viele Leute den Rücken gekehrt. Es sind halt keine Songs, in die man mal eben in der Mittagspause zwischen der neuen Katy Perry Single und Mark Forster hört. Und das meine ich keinesfalls abwertend den Kollegen gegenüber. Es sind schwere, traurige, bitter-süße, persönliche und kritische Songs, die erst nachdem 2. oder 3. Mal hören funktionieren. Auch die Produktion entspricht alles andere als den „heutigen“ Pop-Produktionsstandards. Wer nimmt heutzutage noch echte Streicher auf? Oder zusammen mit anderen Musikern in einem Raum?
Und trotzdem hat dieses Album, welches fast schon ein kleines Konzeptalbum ist, einen poppigen und mainstreamigen Charakter und das gefällt mir so sehr daran. Das Album heißt übrigens „Album vom alleine sein“.

Ruhrbarone: Wird man Dich auch bald wieder in der Band von Stoppok erleben können? Geht Ihr auf Tournee?

Sebel: Ja. Stoppok arbeitet gerade mit uns an einem neuen Bandalbum und ich kann nur so viel verraten…es wird GEIL! Auch wir nehmen sehr traditionell auf, spielen viel live ein. Wer kann und macht sowas heute noch? Einfach ein paar Freunde, die ewig zusammen musikmachen in einem Raum, und natürlich gute Songs, mehr brauchst du nicht! Im November planen wir dann eine große Tournee mit dem neuen Album durch die Republik.

Ruhrbarone: Ende 2015 hast Du ja ein großes Jahresabschlusskonzert in Recklinghausen gegeben. Wie war das für Dich? Ich selber konnte leider nicht mit dabei sein, habe aber sehr emotionale und schöne Bilder davon gesehen…. Du wirst ja auch immer sehr direkt mit dem Ruhrgebiet in Verbindung gebracht. Was bedeutet das Ruhrgebiet für Dich ganz persönlich?

Sebel: Das Jahresabschlusskonzert war super. Bei diesen selbst veranstalteten Konzerten kann ich endlich auf der Bühne das machen, was ich machen will. Nämlich beide Seiten zeigen, den dreisten Rock n Roller, und den sehr nachdenklichen und ernsten Songschreiber. Auch unser Publikum hat das mittlerweile verstanden…sie mögen beide Seiten und wollen nicht mehr nur das laute und rockige.
Das Ruhrgebiet ist ein wunder Punkt für mich. Es ist meine Heimat, ich lebe hier seit 35 Jahren und ich mag alles was man hier schon so lange kennt. Ich mag die Sprache und die Menschen, auch wenn sie oft einfach gestrickt sind.
Doch als Künstler mit ‚pfoffo‘ im Hintern hat man es hier schwer nicht in eine Depression gezogen zu werden. Gerade mein Umkreis (Recklinghausen und Wanne-Eickel)…da willze dir einfach manchmal n Strick nehmen und dich erhängen…wenne an nem Montagabend…im Winter…durche Stadt läufs! Doch man macht es sich hier halt gemütlich…ich liebe immer noch meine WG-Wohnung und all die Leute um mich herum…das ist HEIMAT.
Und jetzt gucke ich während ich diesen letzten Satz hier schreibe aus dem Fenster und sehe den matschigen Parkplatz der Diskothek Moondock, eine total verkommene KFZ-Bude, ein paar verrostete Container, Autoreifen, keine Menschenseele…und der Himmel…der ist grau!

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