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Was Cambridge Analytica (und andere) aus unseren Facebook-Daten herauslesen können: Ein Selbstversuch

Homepage von Cambridge Analytica Quelle: Screenshot


Eigentlich war schon lange bekannt, welche Rolle die Big-Data-Firma Cambridge Analytica in Donald Trumps Wahlkampf gespielt hatte. Schon im Jahr 2016 hatte Alexander Nix, der soeben gefeuerte CEO, einen Vortrag zum Thema „The Power of Big Data and Psychographics“öffentlich gemacht, in dem er anpries, mit welchen Methoden Cambridge Analytica auch extrem unsympathischen und politisch inkompetenten Kandidaten (zuerst Ted Cruz, dann Donald Trump) zu Wahlerfolgen verhelfen konnte (https://www.youtube.com/watch?v=n8Dd5aVXLCc). Unser Gastautor Volker Eichener ist Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule Düsseldorf.

Die Methode wurde wie folgt dargestellt: Als erstes werden über jeden einzelnen Bürger so viele Daten gesammelt wie möglich, insbesondere demographische Daten (Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion, Einkommen, Vermögen etc.), psychographische Daten (Konsumverhalten, Lebensstil, Reaktion auf Werbung, politisches und gesellschaftliches Engagement etc.) sowie Informationen zur Persönlichkeit, wie sie durch das „Big Five“ oder „OCEAN-Modell“ beschrieben werden (anhand der Dimensionen Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus). Dafür greift Cambridge Analytica Daten aus einer Vielzahl von Quellen ab – Alexander Nix präsentierte die Logos von 12 Quellen, darunter bekannten Meinungsforschungsinstituten, Marketingagenturen, Kreditauskunfteien und natürlich auch Facebook.

Als zweites bildet Cambridge Analytica daraus umfassende Persönlichkeitsprofile für jeden einzelnen Bürger. Und zum dritten erhält dann jeder Bürger Online-Werbebotschaften für den auftraggebenden Politiker, die ihn aufgrund seines Persönlichkeitsprofils ansprechen. Nix brachte dazu folgendes Beispiel: Eine Frau mit hoher Neurotizität und hoher Gewissenhaftigkeit erhielt zu Trumps politischer Einstellung zum Thema Waffenbesitz die Botschaft „[Der Anspruch auf Waffenbesitz] ist nicht nur ein Recht. Es ist eine Versicherungspolice“ zusammen mit dem Bild eines Einbrechers. Ein Mann mit geschlossenem, konservativem Weltbild erhielt das Foto eines Vaters, der mit seinem Sohn auf einen Jagdausflug geht, mit der Botschaft „Von Vater zu Sohn. Seit der Geburt unserer Nation.“

Personalisierte politische Werbung ist offensichtlich viel effektiver als die Botschaften auf unseren heimischen Plakatwänden. Vor allem aber hat Steve Bannon, der Vizepräsident von Cambridge Analytica und dann Trumps Chefstratege und Wahlkampfmanager war, die Big-Data-basierte Wahlwerbung genutzt, um genau in den umkämpften Swing States Mehrheiten zu gewinnen, was dazu führte, dass Trump landesweit zwar drei Millionen Stimmen weniger erhielt als Hillary Clinton, aber eine Mehrheit im Wahlmännergremium.

Durch die Recherchen der britischen Zeitungsgruppe Observer/Guardian sind jetzt neue Informationen hinzugekommen:

  • Das psychologische Werkzeug, das die Cambridge Analytica-Gruppe benutzt hat, hat sie über den wissenschaftlichen Mitarbeiter Aleksandr Kogan von der psychologischen Fakultät der renommierten Universität Cambridge abgesaugt, was eine Untersuchung über Missbrauch akademischer Praxis, Verletzung ethischer Standards und möglicher krimineller Handlungen ausgelöst hat.
  • Um Steve Bannons „psychologisches Kriegsführungswerkzeug“ zu entwickeln, hat sich Cambridge Analytica die Datenprofile von über 50 Millionen arglosen Facebook-Nutzern verschafft, indem man 320.000 Nutzer als Quizteilnehmer gewonnen hat und von diesen Nutzern dazu noch die Profile ihrer nichtsahnenden Facebook-Freunde (jeweils durchschnittlich 160) abgesaugt hat.
  • Facebook hat, als ihnen dieser Datenklau bekannt wurde, darauf äußerst lasch reagiert, indem sie lediglich eine nicht überprüfte Erklärung verlangten, dass die Daten gelöscht worden seien (obwohl sie längst mehrfach kopiert und weitergeben worden waren – übrigens unverschlüsselt).
  • Cambridge Analytica verfügt auch noch über Beziehungen nach Russland, das ja bekanntlich ein Interesse daran hat, die westlichen Demokratien zu diskreditieren und zu destabilisieren (wofür ihnen Donald Trump außerordentlich nützlich ist).

Soweit der Stand der medialen Berichterstattung. Wir könnten nun das, was in den USA passiert ist, einfach als äußerst unterhaltsames politisches Theater hinnehmen und uns sagen „was geht uns das an?“ Aber uns geht das eine ganze Menge an, denn auch wir nutzen Facebook und andere soziale Medien. Und wir können ganz einfach herausfinden, was die Algorithmen, die Cambridge Analytica verwendet, aus unseren eigenen Facebook-Daten herauslesen. Ich berichte über einen Selbstversuch.

Cambridge Analytica hat die Technologie der Datenanalyse offenbar vom „University of Cambridge Psychometrics Centre“ übernommen. Auf der Website der Universität wird jedem Besucher angeboten, verschiedene Persönlichkeitstests durchzuführen. Man kann seine eigene Persönlichkeit anhand eines ausführlichen Fragebogens nach den „Big Five“ Dimensionen untersuchen lassen, man kann aber auch einfach einen Algorithmus über das eigene Facebook-Konto laufen lassen. Die website für den Facebook-Algorithmus lautet: https://applymagicsauce.com

Ich habe beides für mich selbst gemacht. Nun muss ich als methodische Vorbemerkung vorausschicken, dass ich ein atypischer Facebook-Nutzer bin, sozusagen eine „harte Nuss“ für die Analyse-Algorithmen, denn:

  • Ich nutze Facebook relativ selten, so dass der Algorithmus nur 148 Posts aus fünf Jahren verwerten konnte.
  • Ich poste fast nur Berufliches sowie Veranstaltungen eines Kulturprojekts, an dem ich beteiligt bin. Ich poste nichts über meine Freizeit, was ich mir gekauft habe, wohin ich gereist bin, was ich gegessen habe oder wie es mir geht. Und ich poste fast nie politische Kommentare.
  • Ich habe sehr viele Facebook-Freunde, die ich persönlich gar nicht kenne, die aber an meiner Arbeit interessiert sind oder an meinem Kulturprojekt oder mal bei mir in einer Vorlesung gewesen sind.

Was hat der Algorithmus nun aus meinen kümmerlichen Facebook-Daten herausgelesen:

  1. Mein digitaler Fußabdruck signalisiert, dass mein Online-Verhalten dem eines 23jährigen ähnelt. Dabei bin ich 58 – aber ich habe berufsbedingt viel mit Studierenden zu tun.
  2. Mein „psychologisches Geschlecht“ ist zu 60% weiblich. Ich sei wahrscheinlich eine Frau, würde aber meine maskuline Seite nicht unterdrücken. – Da hat der Algorithmus schon wieder falsch gelegen, denn ich bin ein Mann, aber verhalte mich zugegeben nicht unbedingt wie ein Macho.
  3. Mein Persönlichkeitsprofil, das auf der Basis meiner Facebook-Postings erstellt wurde, entspricht tendenziell durchaus dem Profil, das aufgrund des ausführlichen Fragebogens angefertigt wurde, aber mit einer Ausnahme: Auf Basis der Facebook-Daten werde ich als eher introvertiert eingeschätzt – was dadurch zu erklären ist, dass ich auf Facebook wenig Persönliches preisgebe.

Aus diesem Selbstversuch können wir schon einige Schlussfolgerungen ziehen:

Es ist schon erschreckend, welche Informationstiefe der Algorithmus aus nichts als den Facebook-Postings ziehen kann, selbst wenn man Facebook nur sehr zurückhaltend nutzt. Wenn diese Persönlichkeitsdaten in falsche Hände geraten, kann damit verdammt viel Missbrauch angestellt werden.

Andererseits macht das Analysewerkzeug auch gravierende Fehler (in meinem Fall insbesondere  beim Alter und beim Geschlecht, was man aber auch anders herausbekommen könnte). Wer den Roman „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ gelesen hat, gewinnt eine Vorstellung, in welche Schwierigkeiten man aufgrund fehlerhafter Einschätzungen geraten kann. Ich stelle mir eine Krankenversicherung vor, die eine fehlerhafte Einschätzung meiner (sehr robusten) Gesundheit vornimmt oder eine Behörde, die  falsche Einschätzungen über meine politischen Einstellungen gewinnt. Horrorszenarien und George-Orwell-Visionen sind realistisch.

Wir können den Selbstversuch aber noch weiter treiben. Es gibt eine website, die ähnlich arbeitet wie die Universität Cambridge oder Cambridge Analytica, die aber reinen Unterhaltungscharakter hat: www.quizzstar.com.

Die Comics auf der Startseite von Quizzstar zeigen: Das ist für das Entertainment von Teenagern weiblichen Geschlechts gedacht. Aber die Tools, die diese Website bietet, sind beängstigend leistungsfähig.

Da kann man nämlich seine Facebook-Daten anhand verschiedener Kategorien analysieren lassen: Zukunft, Persönlichkeit, Leben & Freunde, Liebe, Spaß und Gesichtsanalyse. Unterkategorien lauten dann zum Beispiel:

  • Was ist die Wahrheit über Deine Vergangenheit und Zukunft? (Zukunft)
  • Sieben Fakten (=Persönlichkeitsmerkmale) über Dich. (Persönlichkeit)
  • So fühlen sich die Leute in Deiner Gegenwart. (Persönlichkeit)
  • Wer sind Deine besten Freunde? (Leben & Freunde)
  • Wer ist Dein Seelenverwandter, Vertrauter und ein schlechter Einfluss? (Leben & Freunde)
  • Was sagen Deine Freunde hinter Deinem Rücken über Dich? (Leben & Freunde)
  • Wer fantasiert über eine Beziehung mit Dir? (Liebe)
  • Welche 10 Freunde finden Dich attraktiv und wollen Dich daten? (Liebe)

Darunter sind also viele Fragen, die nicht nur die eigenen Posts auswerten, sondern auch – ohne deren Einverständnis – die Posts der Facebook-Freunde. Mein Selbsttest ergab: Der Quizzstar-Algorithmus arbeitet erschreckend akkurat – und anscheinend viel besser als der Algorithmus der Universität Cambridge. So hat er problemlos meinen ältesten (Jugend-) Freund identifiziert, ebenso die Freundinnen, die mich sympathisch finden, und er hat auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale extrahiert, bei denen ich mich gefragt habe, „Wie können sie das nur wissen?“.

Was der Algorithmus herausfindet, sollte nicht in falsche Hände geraten. Allein die Ergebnisse zum Thema „Liebe“ könnten handfeste Ehe- und Beziehungskrisen auslösen – von dem Peinlichkeitsfaktor einmal abgesehen. Wer möchte schon entlarvt werden, wenn er über eine Beziehung mit mir „fantasiert“?

Ein (australischer) Facebook-Freund hat einmal eine Quizzstar-Analyse seines Persönlichkeitsprofils online gestellt (das ist möglich). Darin stand: „Er hat eine schwere Krankheit überstanden, geht aber wieder optimistisch durchs Leben.“ Wie kommt der Algorithmus zu einer solchen und in diesem Fall auch korrekten Einschätzung?

Erstens ist es leicht, anhand der Posts auf eine schwere Erkrankung zu schließen. Dazu werden einfach Schlüsselwörter wie „krank“, „Hospital“, „Operation“ etc. gezählt. Zweitens wird die psychische Verfassung ebenfalls anhand der Verwendung von Schlüsselwörtern gemessen, in eine Zeitreihe gestellt und der emotionale Zustand vor und nach der Erkrankung miteinander verglichen. Im Fall meines Freundes kam glücklicherweise „optimistisch“ heraus, der Algorithmus könnte aber auch diagnostizieren „nach der Erkrankung in eine schwere, anhaltende Depression gefallen“ – und das sollte zum Beispiel nicht dem Arbeitgeber bekannt werden. Übrigens ist es auch kinderleicht, die emotionale Reaktion auf eine berufliche oder private Veränderung zu messen.

Wozu können solche Big-Data-Algorithmen benutzt werden. Hier nur ein paar Beispiele:

  • Das Trump-Wahlkampfteam (und zuvor das Cruz-Team) hat manipulative Wahlwerbung geschaltet.
  • Alle möglichen Anbieter – von Waren, Dienstleistungen, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen etc. – könnten mich anhand meines Persönlichkeitsprofils mit treffsicherer Werbung überziehen.
  • Eine Spendensammelorganisation fragt sich, auf welchen Knopf sie bei mir drücken muss, damit ich weich werde.
  • Meine Krankenversicherung wäre sicherlich an Gesundheitsdaten interessiert, meine Bank an meinen finanziellen Verhältnissen.
  • Ein Arbeitgeber möchte wissen, ob sich aus dem Privatleben seiner Mitarbeiter Risiken ergeben.
  • Ein Kollege, der mit mir um eine Beförderungsstelle konkurriert (oder irgendjemand anders, der mir Schaden zufügen will), ist an Informationen interessiert, um mich unter Druck zu setzen oder gar zu erpressen.
  • Wenn ich mal etwas Regierungskritisches schreibe, mag eine Regierungsbehörde daran interessiert sein, einen schwachen Punkt bei mir zu finden.

Wie arbeitet Quizzstar? – Der Algorithmus nutzt Facebook-Daten mit Hilfe von Facebook Social Plugins, Facebook Remarketing Pixels und Facebook Visitors Action Pixels: Profilinformationen, Posts, Likes, Bilder, Freunde, E-Mails, Messages, Reaktionen auf Werbung, außerdem nutzt er Google Analytics, Google AdWords & Admob, Google AdSense, Google Double Click und Clicky Web Analytics sowie StatCounter, Criteo und Taboola. Das sind alles Technologien, die persönliche Daten sammeln und auswerten und die die Effektivität von Werbung steigern, indem sie die Werbung an das beobachtete Online-Verhalten anpassen. Neben Facebook liefert also auch Google sensible Daten – wer hätte das gedacht?

Und was sagt das Kleingedruckte? – Quizzstar sichert zu, dass es private Daten niemals an Dritte weiterleiten oder verkaufen wird. Und warum betreibt Quizzstar seine Website mit dem klugen Algorithmus: Der Nutzer stimmt zu, dass er über elektronische Kanäle personalisierte Werbebotschaften erhält. Mein Selbstversuch wird also Folgen haben.

Quizzstar ist nur ein Spielzeug – das aber zeigt, wie mächtig die Big-Data-gestützten Algorithmen zur Persönlichkeitsanalyse und zur individualisierten Manipulation heute schon sind. Immerhin einen Lichtblick gab es: Während der Algorithmus „Was sagen Deine Freunde hinter Deinem Rücken über Dich?“ vor einigen Wochen noch echte Statements ausgeworfen hat, die Facebook-Freunde gegenüber Dritten über einen selber gepostet haben (peinlich, peinlich!), kommen seit einigen Tagen hier nur noch erfundene Standardantworten. Hat Facebook seine Privatsphäre-Politik jetzt doch geändert?

Meine Selbstversuche haben ergeben, dass Cambridge Analytica kein schwarzes Schaf ist, sondern nur die Spitze eines Eisbergs. Welche Schlussfolgerungen sind aus den Befunden zu ziehen?

  • Über die naive Empfehlung, möglichst wenig Datenspuren zu hinterlassen, ist die Entwicklung längst hinweggerollt. Sicherlich ist es sinnvoll, eine andere Suchmaschine als Google zu verwenden. Sicherlich täte es der Welt auch gut, wenn jemand einmal eine Alternative zu Facebook programmieren würde und das Zuckerberg-Unternehmen in den Konkurs gehen würde. Aber eines sollte uns klar sein: Auf jeden Teufel wird ein Beelzebub folgen.
  • Eine Anarcho-Strategie könnte darin bestehen, die Algorithmen zu verwirren, indem man falsche Datenspuren legt, also immer wieder Dinge postet und googelt und twittert, die vollkommen verrückt sind. Die Frage ist nur, ob man sich mit den fehlerhaften Persönlichkeitsprofilen, die man damit provoziert, mehr schadet als nutzt.
  • Ein bisschen können wir uns schützen, indem wir bei Facebook & Co. die Privacy-Einstellungen verändern. Übrigens lassen sich auch bei Quizzstar viele Trackingsysteme abschalten – es tut nur keiner.
  • Man kann auch spezielle Software einsetzen, um Online-Tracking zu blockieren und die eigene IP-Adresse zu verbergen.
  • Ein guter Virenschutz ist selbstverständlich – und am besten nimmt man keinen aus US-amerikanischer, russischer oder chinesischer Produktion, denn dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Dich sogar Regierungsbehörden ausspähen. Es gibt Virenschutz made im Ruhrgebiet – durch das Bochumer Unternehmen GData.
  • Da Igel mitunter schneller sind als Hasen, können wir nur bedingt auf Regulierungs- und Überwachungsbehörden vertrauen – die im Übrigen selber einmal instrumentalisiert werden könnten, um einen Überwachungsstaat zu schaffen.
  • Viel wichtiger sind wache Medien, wache Bürger, wache Wissenschaftler, wache Informatiker sowie konsequente Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie Gesetze und eine Justiz, die Datensammelei nicht als Kavaliersdelikt behandeln. Der Fall Cambridge Analytica hat hierzu Licht und Schatten aufgeworfen. Die Präsentation von Alexander Nix aus dem Jahr 2016 hat irgendwie niemanden erschreckt (das war der Schatten), aber die Enthüllungen von Observer und Guardian haben polizeiliche Ermittlungen, akademische Untersuchungen und politische Debatten ausgelöst (das ist der Lichtstreif).

In die internetfreie Steinzeit können wir nicht mehr zurückfallen. Also müssen wir wachsam sein und lernen, mit den Gefahren umzugehen. Und den Fall Cambridge Analytica-Facebook-Trump sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen – wie gesagt, nur die Spitze eines Eisbergs und eine dumm-dreiste dazu.

 

 

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ke
ke
6 Jahre zuvor

Es ist für mich spannend, ob diese Methode wirklich Erfolge haben. Insbesondere bei Wahlen.
Wir sehen alle, dass Parteien schon jetzt spezielle Wohngebiete intensiv bewerben.
Es gibt immer mehr Spartenmedien, die Werbung zielgenau adressieren.

Offen bleibt doch, in welchem Umfang das Kosten/Nutzen-Verhältnis stimmt.
In diesem Jahr gab es schon genügend Veröffentlichungen bzgl. des Erfolges von Algorithmen, die die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Straftaten beurteilen sollten. Das waren bessere Zufallsgeneratoren.
https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/justiz-ki-hilft-bei-einschaetzung-von-straftaetern-doch-nicht-so-gut

Dass die Anbieter die Technik anpreisen, sollten klar sein. Nur wie sehr hilft sie wirklich. Die Shopping-Portal-Algorithmen scheinen mich bspw. ständig falsch einzuordnen. Die beworbenen Artikel interessieren mich meistens nicht.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Danke dem Gastautor für diesen für mich sehr informativen Beitrag.
Ob dieser dazu führen wird, daß die Facevbook-Fans . u.a. die hier bei den Ruhrbaronen aktiven, mit ihrem "Liebling" unter den sog. sozialen Netzwerken kritischer als bisher umgehen werden, wage ich zu bezweifeln

Alles halb so schlimm. Nichts Besonderes…….
Na, dann.

Volker Eichener
Volker Eichener
6 Jahre zuvor

Äpfel, Birnen, Quitten und Kirschen.

Die Quitte: Die Einbruchsprognose für Wohngebiete ist methodisch primitiv. Aus einer überproportionalen Häufung von Einbrüchen in einem Quartier wird geschlossen, dass dort auch in Zukunft die Einbruchswahrscheinlichkeit höher ist. Ist halt eine Software des Öffentlichen Dienstes.

Die Birne: Wenn Wahlwerbung Strukturdaten von Quartieren benutzt, um Plakatwände und Flugschriften auf deren Sozialstruktur abzustimmen, dann verhält sich das zu Cambridge Analytica wie Tretroller zu Formel-Eins-Fahrzeug.

Der Apfel: Facebook verkauft Nutzerprofile an Werbetreibende, damit diese personalisierte Werbung betreiben können. Amazon hat damit übrigens angefangen ("Wir haben Empfehlungen für Sie"). Diese Nutzerprofile sind recht grob und basieren stark auf dem Browsingverhalten. Die Händler stecken auch nicht immer allzuviel Aufwand und Intelligenz in die Personalisierung, und dadurch kommt es, dass die Online-Werbung mitunter etwas grobschlächtig daherkommt und wenig effektiv ist. Aber sie wird besser: Dynamic Pricing merken Sie als Online-Kunde vermutlich gar nicht, aber es zieht ihnen das Geld aus der Tasche.

Die Kirsche: Das Besondere bei Cambridge Analytica ist, dass sie für jeden einzelnen Wähler ein individuelles Persönlichkeitsprofil erstellen und ihn dann mit einer personalisierten Wahlwerbung überziehen. Das ist ein Quantensprung gegenüber dem "wir-zeigen-dem-50jährigen-Apple-Nutzer-eine-Bose-Werbung". Persönlichkeitsprofil heißt, dass man an Persönlichkeitseigenschaften und persönlichen Schwächen (wie Neurotizismus, Introversion) ansetzen kann. Wenn das nicht psychologische Manipulation ist, was ist es dann?

Und Cambridge Analytica WAR effektiv. Ich habe vor der US-Präsidentschaftswahl die Wahlprognosen sehr genau verfolgt. Da haben sehr erfahrene Institute anhand wöchentlicher Wählerbefragungen extrem genau gearbeitet und mit großer Übereinstimmung eine 90%ige Wahrscheinlichkeit für einen Clinton-Sieg ermittelt. Dass Trump schließlich gewonnen hat, war auf den CA-Effekt zurückzuführen.

ke
ke
6 Jahre zuvor

@5 V Eichener:
Zum Obstkorb :-):

Apfel:
Die großen Player im Internet-Shop und Werbemarkt kaufen seit Jahren Spezialisten im Bereich KI etc. ein. Ich gehe davon aus, dass die Genauigkeit der Algorithmen, die auch auf großen Datenmengen und viele Informationen über den Nutzer basieren, den Stand der Spitzenforschung widerspiegeln.
Jede Verbesserung bringt einfach viel Geld.

Quitte:
Die ersten "Robocop" Presse Artikel haben auch bei mir den Eindruck aufkommen lassen, dass einfachste Algorithmen verwendet werden. Aber die Polizei war in der Defensive und die Verantwortlichen mussten handeln.
In dem von mir verlinkten Artikel ging es hauptsächlich um die Einschätzung der Rückfälligkeit von Straftätern mithilfe von computergestützten Verfahren. Sie waren auch nicht besser als ungeschulte Menschen. Das gilt auch für viele andere KI Systeme, deren Prognosen nicht so gut sind wie ursprünglich angegeben.

Kirsche:
Die personalisierte Werbung muss mind. 2 Voraussetzungen erfüllen, um ihre Ziele zu erreichen:
a) Das Profil muss stimmen
b) Die personalisierte Werbung, die auf ein generiertes Profil angewendet wird, muss ihr Ziel erreichen.
Bei der bedingten Wahrscheinlichkeit ist das sicherlich sehr schwierig, hier relevante Erfolge zu erreichen. Gibt es hierzu Forschungsergebnisse, wie zielgenau dies ist? Insbesondere mit Bezug auf einzelne Ereignisse (z.B. Wahl) und nicht auf langfristige Effekte?

Offen ist dann für mich immer noch, warum es in Fällen wie den US Wahlen so einfach möglich sein soll, viele/die relevanten Menschen zu analysieren/zu manipulieren, während es bspw. zu oft nicht gelingt, die Wiederholungsgefahr von Straftätern einzuschätzen oder einfach nur kleine Schulkinder so zu manipulieren, dass sie nicht gewalttätig werden.

Effektivität:
Die Wahlprognosen haben nach meiner Wahrnehmung in den letzten Jahren gelitten und wurden ungenauer. Sind die Modelle der Meinungsforscher nicht mehr für eine mediale Welt geeignet? Werden die falschen Personen befragt?
Frau Merkels CDU hat in den letzten Tagen vor der Wahl auch kräftig verloren. Mir fallen viele Gründe ein, warum dies der Fall war.
Wenn ich mich richtig an die US Wahl erinnere, waren dort 2 Kandidaten, die eigentlich niemand wählen wollte. Die Sympathien liegen auch oft beim Underdog. Aus meiner Sicht kann in solchen chaotischen Systemen nur schwer ein Einzelfaktor bestimmt werden. Die relevanten paar Prozente, um einen Swing State zu bekommen, können aus vielen versch. Gründen vergeben worden sein.
Die Demokraten waren ja auch aktiv um ihre Wähler bemüht.

der, der auszog
der, der auszog
6 Jahre zuvor

@Walter
Sucht erzeugt nicht selten Abhängigkeit, insofern verhält es sich mit einem Facebookjünger zu seinem Facebook wie mit einem Junkie zu seinem Crack.

Ich glaube, dass die Verantwortlichen bei Facebook genau um dieses Suchpotenzial wissen und sich deshalb keine Gedanken darüber machen müssen, dass dieser Skandal die Existenz des Tech-Konzerns in irgendeiner Weise gefährden könnte. Das kostenlose Überlassen der Daten auch von Dritten ist es den Facebookhardcoreusern alle mal wert, darauf wird Zuckerberg auch in Zukunft bauen können. Aber ist es das auch den Anlegern wert, die in Facebook richtig Geld stecken?

Das, was da derzeit an Entschuldigungen und vermeintlichen Einsichten von Seiten Facebooks inszeniert wird, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass der Börsenwert des Unternehmens dahinschmilzt wie ein Softeis in der Sonne und bislang kein Ende in Sicht ist. Laut Spiegel hat das Unternehmen binnen einer Woche 86 Milliarden Dollar an Wert eingebüßt. Das entspricht so ziemlich dem Börsenwert der Daimler AG (bei einer Wertschätzung von etwas über 70 Milliarden Euro)
——–
Was mich noch interessieren würde:

Wäre Facebook auch aufgeflogen, wenn es keinen Whistleblower wie Christopher Wylie oder die hochstapelnden Aussagen des Exmanagers Alexander Nix von Cambridge Analytica gegeben hätte?

Ist der Skandal um Wahlmanipulationen u.U. nur die Spitze eines Eisberges?

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

DER, DER…
Ich vermute, daß der "Facebook-Skandal" erst an seinem Anfang steht.

Das würde mich nicht überraschen.

Denn die Kombination von informationeller Manipulationsmacht, gewaltigem wirtschaftlichen Potential (Quantität und Qualität von Daten -wichtiger als die klassischen Produktionsfaktioren) und politischem Steuerrungsinstrument- fordert doch geradezu jedermann heraus, der dazu willens und fähig ist, Facebook zu ge- bzw. zu mißbrauchen.

Mir scheint, daß weltweit viele politisch-wirtschaftlich gewichtige Akteure, auch solche in den Medien, dieserhalb bisher zu blauäugig waren, anders kann ich mir ihr jetziges Erschrecken nicht erklären.

DER,DER…
-1-Satz-
"Sucht……"
Ja, so ist das wohl und gegen die kämpft "man" bekanntlich regelmäßig vergebens.
Sie ist ja, wenn überhaupt, dann nur halb so schlimm , wie behauptet.
Und das gilt dann sowohl für die persönliche Betroffenheit als auch für die gesellschaftliche Relevanz jeder Sucht..

DER,DER..
…wäre Facebook auch aufgeflogen, wenn es keine….?.
Es scheint so, daß große Skandale mit weltweiten Auswirkungen immer öfter ihren Anfang nehmen in vorsätzlich oder grob fahlässig gemachten Äußerungen sog. Insider.
Gut so, daß es weltweit einige Medien gibt, die diesen Insidern zur Verfügung stehen bzw. die " sich ihnen direkt oder indirekt anbiieten -auch gegen "gutes Geld". Dazu zählt in Deutschland u.a. der SPIEGEL.

Volker Eichener
Volker Eichener
6 Jahre zuvor

@Walter Stach "zu blauäugig"

Wie hat das denn begonnen? – Ohne Suchmaschinen konnten wir das Internet nicht richtig nutzen. Also haben wir Altavista (erinnert sich da noch jemand dran?), Yahoo, Fireball oder Google genutzt. Google war die beste Suchmaschine und hat die anderen verdrängt. So richtig hat sich niemand Gedanken gemacht, wie Google Geld verdient hat. Ist doch schön, dass uns ein paar kalifornische Nerds diesen Service kostenlos bieten! Dafür nehmen wir auch ein paar harmlose Werbebanner in Kauf. Bis bekannt wurde, dass Google Verhaltensprofile erstellt und verkauft, dauerte Jahre und die meisten Netznutzer wollen es bis heute nicht wahrhaben und nach Alternativen suchen.

Ähnlich verhielt es sich mit Facebook, WhatsApp, Twitter und vielen anderen kostenlosen Diensten, die so wunderbar bequem sind. Das gilt übrigens auch für Zeitungen und andere Medien, die ihre Artikel kostenlos ins Netz stellen.

Im ersten Semester Politikwissenschaft haben wir gelernt, "there is no free meal" (politische Parteien haben früher Arbeitern kostenlose Mahlzeiten serviert, um deren Stimmen zu erhalten). Irgendwie werden diese Dienste dann doch bezahlt.

Als bekannt wurde, dass sich die kostenlosen Webdienste durch Verkauf von Nutzerprofilen für personalisierte Werbung finanzierten, haben wir gedacht: "Macht doch nichts; ich bin doch intelligent genug, solcher Werbung zu widerstehen." Und unbekümmert weiter genutzt.

Der Fall Cambridge Analytica hat zweierlei deutlich gemacht:

Erstens, welche Qualität die Nutzerprofile inzwischen erreicht haben: CA hat komplette psychologisch-soziographische Gutachten für 50 Millionen Facebook-Nutzer erstellt, die extrem sensible und intime Informationen beinhalten.

Zweitens reicht es nicht, wenn ich selber gegenüber Werbung robust fühle. Cambridge Analytica hat einen Donald Trump an die Macht gebracht und der kann die ganze Welt an den Rand eines Abgrunds führen. Und auch wir werden unseren Teil abbekommen.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Volker Eichener -7
1.
Ich erhebe keine Widerrede.

Im übrigen gehörte auch ich zu den von mir sog. "Blauäuigen", die erst sehr spät, "eigentlich" erst jetzt zu begreifen beginnen, über welches "Machtpotential" -wirtschaftlich, politisch Facebook und Co. verfügen.

2.
Ich habe so eben bei SPIEGEL-online einen Beitrag von Sascha Lobo gelesen: " "Das Märchen von…."
Dieser Beitrag ist für meinen Willensbildungsprozess ebenso interessant wie Ihrer im obigen "Gastkommentar".
Sascha Lobo ist tendenziell , so wie ich ihn verstanden habe, wohl ehe bei der Meinung von Ke bezüglich der "begrenzten" Wirksamkeit der Werbung -im wirtschaftlichen, im politischen Bereich. Er bezichtigt in diesem Zusammenhang diejenigen, die eine "extreme Wirkung" ihrer diesbezüglichen Werbung -wirtschaftlich, politisch- behaupten, "der Manipulation".

Volker Eichner,
ist es meinerseits vermessen oder gar ungehörig, wenn ich hier den Wunsch äußere, zum Beitrag von Lobo Ihre Meinung zu erfahren?
Ich bin dieserhalb "interessierter Laie" und folglich an allen fachkompeteten Meinungsbeiträgen interessiert, vor allem dann, wenn sich aus ihnen -nach meiner Wahrnehmung- unterschiedliche Auffassungen entnehmen lassen.

Volker Eichener
Volker Eichener
6 Jahre zuvor

@#8:

Mache ich gern.

Lobo schreibt erstens, dass Facebook und Google zusammen 77% des gesamten Online-Werbemarktes kontrollieren. Das nennt man ein fettes Oligopol und das schreit nach wettbewerbsrechtlichsen Maßnahmen, entweder Zerschlagung der beiden Großunternehmen (hat man mal mit AT&T gemacht) oder engmaschige staatliche Überwachung der Beinahe-Monopolisten (wie es in Deutschland beispielsweise mit Telekommunikationsunternehmen oder Banken gemacht wird.).

Zweitens schreibt Lobo, dass Facebook und Google mit z.T. betrügerischen Maßnahmen (wie bots) die Statistiken zur Wirksamkeit der Werbung schönen. Wer keine Skrupel hat, seine Nutzer zu belügen, wird auch nicht davor zurückschrecken, seine Kunden zu betrügen.

Drittens schreibt Lobo, dass es nicht bezweifelt werden kann, dass Online-Werbung wirkt, dass sie die Nutzer manipuliert und dass politische Werbung auch zu Propagandazwecken missbraucht werden kann. Die Kunden, die viel Geld für Werbung bezahlen, treiben natürlich auch Werbewirksamkeitsforschung. Keiner vermplempert Millionenbeträge für etwas, dessen Wirkung nicht nachgewiesen worden ist.

Viertens schreibt er, dass man leider nicht genau wisse, WIE Online-Werbung wirkt. Das ist natürlich ein Armutszeugnis für einen Journalisten: über ein Thema zu schreiben, von dem man keine Ahnung hat.

Lobo befasst sich in seinem Artikel ausschließlich mit Konsumgüterwerbung. Mein Thema ist dagegen die politische Werbung. Hierzu wissen wir ein bisschen mehr als Sascha Lobo über die Konsumgüterwerbung weiß.

Vor der US-Präsidentschaftswahl 2016 gab es sage und schreibe 538 Wahlprognosen, die mit sehr unterschiedlichen, ganz überwiegend aber wissenschaftlich abgesicherten, erprobten und bewährten Methoden erstellt wurden: Wählerbefragungen mit unterschiedlichen Stichproben, Expertenbefragungen, ökonometrische Modelle, Prognosebörsen. Aus der Forschung wissen wir, dass die allerbeste Prognose zustandekommt, wenn wir den Durchschnitt aus all diesen Einzelprognosen (mit ihren spezifischen methodenbedingten Schwächen und Stärken) bilden. Und dieser Durchschnitt lautete am Morgen des Wahltags: 323 Wahlmännerstimmen für Clinton und 215 für Trump (zusammengestellt von John Sides, Professor für Politikwissenschaft an der George Washington University). Am Abend des Wahltags waren es tatsächlich 232 für Clinton und 306 für Trump.

Das war der dritte Beleg für die Wirksamkeit der Cambridge-Analytica-Strategie (der erste war der Aufstieg von Ted Cruz in den Vorwahlen und der zweite der Sieg von Trump in den Vorwahlen). Cambridge Analytica war genau dreimal aktiv und hat dreimal gewonnen – jeweils gegen alle Wahrscheinlichkeiten und alle Voraussagen. Erfolgreicher kann man als Kampagnenagentur wohl nicht sein.

Und WIE das Cambridge-Analytica-Modell wirkt, haben uns Steve Bannon, Alexander Nix und jüngstens Christopher Wylie ja genauestens erklärt – Nix dabei sicherlich auch etwas prahlerisch.

Mit dem Standardargument "Bei mir wirkt Werbung gar nicht" (das ich seit Veröffentlichung meines Artikels sehr oft höre, nicht nur hier) würde ich sehr vorsichtig sein. Erstens ist das Argument unehrlich – wenn man ehrlich zu sich selbst ist, muss man eingestehen, dass man sich auch selber gelegentlich von Werbung zum Kauf verführen lässt. Zweitens geht es bei Wahlen um viel mehr als um den Kauf eines Konsumguts für 2.95€. Und drittens reicht es ja, um eine Mehrheit zu erzielen, eine relativ kleine Gruppe von Wählern zu manipulieren, die dann als Zünglein an der Waage den Ausschlag gibt, welche Seite gewinnt. Glücklicherweise ist das gute alte deutsche Verhältniswahlrecht hier nicht so anfällig wie das amerikanische Mehrheitswahlrecht, auch wenn wir uns dann manchmal über ewig lange und mitunter scheiternde Koalitionsverhandlungen ärgern. Lieber lauwarme Koalitionskompromisse als einen Psychopathen an der Spitze des Staats (hatten wir allerdings auch schon einmal, trotz Verhältniswahlrechts)!

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

Lobo schreibt zunächst mal um die These herum, dass die Online-Giganten einen Tanz auf der Klinge aufführen, wenn sie gegenüber ihren Kunden behaupten müssen, dass Werbung (vor allem ihre) wirkt und gleichzeitig gegenüber der protestierenden, sich betrogen fühlenden Öffentlichkeit behaupten müssen, dass Werbung *natürlich nicht* wirkt. In diesem unlösbaren Widerspruch wird sich mit entspr. aufklärender Begleitung der Netzgemeinde über kurz oder mittelfristig das Thema Facebook selbst erledigen, wenn sie sich nicht komplett neu erfinden.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Volker Eichener,
schön -jedenfalls für mich-, daß Sie sich zu dem Lobo-Beitrag bei Spiegel-online so dezidiert geäußert haben.

Das gilt u.a. für die Feststellungen, daß wir -u.a. also die Politikwissenschaftler- über die politische Werbung mehr wissen als über die von Lobo primär angesprochene Konsumgüterwerbung.
Überzeugend -jedenfalls für mich- belegt ist auch die Aussage über "Wahl- bzw. die Wählerwirksamkeit" des Cambridge-Analytika-Modells.

Deshalb stellt sich für mich noch mehr als bisher die Frage nach den Gründen für die relative Gleichgültigkeit in Staat und Gesellschaft in Deutschland gegenüber dieser von Facebook ermöglichten Wahl-/Wählermanipulation.

Ist das die sog. personalisierte Verhältniswahl in Deutschland weniger anfällig für diesbezügliche Manipulationen als das sog. Mehrheitswahlsystem, speziell mit Blick auf dessen Besonderheiten bei der Präsidentschaftswahl in den USA, denn dort ist ja letztendlich mit Trump jemand zum Präsidenten gewählt worden wider "die reine Lehre von der Mehrheitswahl". Bekanntlich hat er unionsweit nicht die Mehrheit der Wähler hinter sich gebracht?
Es spricht Einiges für Ihre These.
Es spricht zugleich Vieles dafür, daß "man" sich in jeder Demokratie unabhängig vom herrschenden Wahlsystem mit den "Wahl-/Wählermanipulationsmöglichkeiten" zu befassen hat, für die Facebook die Basis geschaffen hat und der man sich derzeit nach Belieben bedienen kann.

Ich befürchte, daß derjenige, der dieserhalb nach staatlicher/nach internationaler Regulierung ruft, sehr schnell in die Ecke des "Antiliberalen" gestellt werden wird und "man" sich, wie stets bei vergleichbaren Geschehnissen, darauf beruft, dass der "freie Markt" von sich aus fähig und willens ist, solche "Mißbräuche" auszuräumen -auch wenn es um den "politischen Markt und den freien Wettbewerb um Wählerstimmen" geht.

Ob und ggfls. wie Facebook selbst auf diesen politischen Skandal reagieren wird, bleibt abzuwarten.

Denn dieses OB und ggfls. dieses Wie
werden mutmaßlich n i c h t bestimmt werden von neuen Erkenntnisgewinnen bei Facebook über die gravierenden Folgen von Wahl-/Wählermanipulationen für jedes demokratische Gemeinwesen, so wie sie jetzt aufgedeckt worden sind, und durch eine daraus resultierende "politisch-moralische" Verantwortlichkeit gegenüber jedem demokratischen Gemeinwesen,

sondern sie w e r d e n ausschließlich danach bestimmt werden, ob das weiterhin Facebook allein bestimmende Interesse an einer höchstmöglichen Verfügungsmacht über die höchstmögliche Zahl an Daten über die Menschen, über menschliches Verhalten weltweit dieses erfordern.

Irgendwo habe ich heute die Schlagzeile aufgegriffen:
" Es geht nicht um die Zerstörung von Facebook durch den Staat -durch die internationale Staatengemeinschaft-, sondern um die Regulierung von Facebook durch den Staat, durch die Staaten, durch die internationale Staatgemeinschaft."

Mir scheint, daß das parteiübergreifend zumindest in Deutschland so gesehen werden könnte.

Allerdings -sh.oben im Absatz 3 -, könnte die schon jetzt von mir wahrgenommen Gleichgültigkeit gegenüber dieser Problematik in Gesellschaft und Staat sich mit wachsendem Abstand zur Aufdeckung des Skandales in ein so großes Desinteresse steigern, daß es "den Parteien" allesamt nicht lohnend erscheinen könnte, sich intensiv und zielgerichtet -sh.Regulierung- der Problematik anzunehmen.

Volker Eichener
Volker Eichener
5 Jahre zuvor

Zwei Ergänzungen:

1. Soeben ist bekannt geworden, dass es technisch problemlos möglich ist, dass Facebook persönliche Daten aus WhatsApp übernimmt. Die Sender-Empfänger-Verschlüsselung von WhatsApp-Nachrichten ist wirkungslos, weil die Apps schon im Smartphone miteinander Daten austauschen können, bevor die Nachricht verschlüsselt und gesendet wird. Zuckerberg bestreitet zwar, dass diese Möglichkeit genutzt wird, aber kann ein CEO wissen, was seine Programmierer so alles machen? – Gegenmaßnahme: Die Facebook-App auf dem Smartphone deinstallieren und Facebook stattdessen mit dem Browser aufrufen.

2. Soben hat ein Experte für IT-Sicherheit den obenstehenden Artikel gelesen. Seine Reaktion auf den Artikel: "Das ist einer der Gründe, weshalb ich für WhatsApp eine Handynummer aus den USA benutze: Compartmentalization. Durch das Benutzen verschiedener Nummern aus verschiedenen Ländern können die Daten nicht mehr so leicht verknüpft werden."

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