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Eine Million Kinder ermordet, und das soll Gott unberührt gelassen haben? Nach Auschwitz gibt es Theologien, wie es sie vorher gab, so wie es alles gibt, was es gab, das Auschwitz möglich gemacht hat. Es gibt aber auch Theologien, die sich von Grund auf in Frage gestellt sehen. Nicht, weil Auschwitz ein metaphysisches Ereignis gewesen sei, sondern weil dies der deutsche Name ist für 50° 2′ N, 19° 14′ O, einen Ort, an dem es unmöglich wird, Geschichte als Heilsgeschichte zu entwerfen oder als diskrete Evolution oder als Lernparcours. Nur sind es derzeit just Historiker – Jürgen Zimmerer, Achille Mbembe, Dirk Moses -, die behaupten, Auschwitz komme „häufiger“ vor und „überall“, es sei ein „verbreitetes Muster“. Auffällig, dass sie dies theologisch begründen: Wer Auschwitz für singulär halte, bedeuten sie, verehre den „Holocaust als heiliges Objekt“, bete einen „Fetisch“ an und einen „Katechismus“ nach. Im theologischen Sprech, das sie sich borgen, steckt mehr als Verkaufe: Abgeräumt werden alle Versuche, Hitler nicht noch im Nachhinein siegen zu lassen.
Dass etwas geschieht, was nie zuvor geschehen ist, haben Zeitgenossen erkannt, bevor Auschwitz errichtet wurde. Am 30. Januar 1939 hatte der Reichskanzler – „ich will heute wieder ein Prophet sein“ – öffentlich „die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ angekündigt, die Frankfurter Zeitung betitelte Hitlers Rede mit „Ich glaube an einen langen Frieden“. Am ersten Tag des langen Krieges beginnt Chaim Kaplan, Rektor einer Sprachschule, in Warschau ein Tagebuch: