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Corona und Katastrophenschutz: „Was Du hast, musst Du nicht suchen“

Magnus Memmeler mit Maske Foto: Privat


Wenn man bedenkt, dass die Pandemie uns seit mehr als 7 Wochen im Griff hat und alles nicht mehr ist, was uns bisher als normal und gottgegeben vertraut war, tröstet allein das schöne Wetter darüber hinweg. In den vergangenen Wochen haben wir über viele Facetten des Krisenmanagements und auch schon über die Wirkungen der Lockerungsmaßnahmen gesprochen. Letzteres wird uns heute vornehmlich beschäftigen.

Auch die Frucht vor der zweiten Welle wurde medial transportiert, weil sich die mittlerweile sehr bekannten Virologen und anderen Experten nachdenklich dazu äußerten. Es ist ihre verhaltene Kritik an den Lockerungsmaßnahmen, bei denen gerade Nordrhein-Westfalen besonders heraussticht. Gerade die Kommunen, die für die geplanten Laden- und Möbelhausöffnungen eine Maskenpflicht ordnungsbehördlich statuierten, trieben auf einmal die Landesregierung und insbesondere ihre Heimatministerin Scharrenbach von sich her. Jetzt haben wir die Maskenpflicht, nur keine Masken in ausreichender Zahl. Wie schwer Bevölkerungsschutz in Deutschland ist, verdeutlicht jetzt die Corona-Krise. Vorteile und Schwächen der föderalen Staatsstruktur treten für alle erkennbar zu Tage.

Ruhrbarone: Für den Bevölkerungsschutz gab es vor Jahren auf Bundesebene bereits Szenarien, in denen es um eine Pandemie ging. Letztlich wurde die dazugehörige Kommission abgeschafft. Wie sehen sehen Sie diesen Umstand und wie gefällt Ihnen gegenwärtig die Bund-Länder-Zusammenarbeit?

Magnus Memmeler: Ich bin zufrieden, dass es endlich eine landes- und bundesweit einheitliche Regelung zum Tragen von sog. Alltagsmasken gibt. Wir müssen jedoch ehrlich sein und sagen, dass diese aufgrund von öffentlichem Druck und Druck der Kommunen entstanden ist. Zumindest gilt dies für NRW. Die ersten Schulöffnungen in NRW erfolgten am 23.04.2020 für Prüfungsjahrgänge. Die Maskenpflicht in NRW kommt morgen am 27.04.2020. Haben Sie den Fehler gefunden? Alltagsmasken schützen nicht den Träger, darüber müssen wir uns im Klaren sein. Alltagsmasken schützen meine Kontakte z.B. im Supermarkt vor meiner eventuellen Infektion, wenn ich eine solche Maske trage, da ich nicht weiß, ob ich potentieller Virusträger bin. Schützen wir uns alle gegenseitig, sind wir nachhaltiger voreinander geschützt.

Ich glaube nicht, dass der Virus bis heute 24:00 Uhr ungefährlicher war, als dies ab morgen 00:00 Uhr der Fall sein wird. Die Kommunikation der letzten 14 Tage sorgte jedoch dafür, dass sich unsere Mitbürger genau so verhalten, als sei die Gefahr gut handhabbar. 86% aller Bundesbürger befürworten laut Tagesschau die Maskenpflicht. Beim gestrigen Einkauf für meine Mutter trugen jedoch nur ca. 20% den Menschen in den Geschäften eine Maske. Neugierig wie ich bin, konnte ich mir die Frage nach dem Warum nicht verkneifen. Die Antwort von zwei befragten Miteinkäufern lautete, dass man bis Montag noch die Freiheit genießen will. Statt Schwarmintelligenz treffen wir leider auf den Herdentrieb der Dummheit. Diese gefühlte und leider auch intensiv gelebte neue Freiheit kann mit der Beatmung durch den Schlauch, lebenslangen Gesundheitsschäden und dem Ableben extrem enge Freiräume mit sich bringen.
Die Basisreproduktionszahl gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, wenn noch niemand immun ist. Dieser Wert lag vor dem zurückliegenden Interview bei 0,78 und hat bei vielen, dank der euphorischen Diskussion um Lockerung der Maßnahmen für trügerische Sicherheit gesorgt. Am Montag nach unserem Interview lag der Wert bereits wieder bei 0,9.

Entstanden ist dies durch sogenannte Verschleppungseffekte, die durch zum Beispiel Treffen im Freundeskreis entstehen. Sie können sicher sein, wenn vor unserer Tür spontan bekannte stehen, da sie Abwechslung und das Gespräch mit meiner Frau und mir suchen, bleibt die Tür zu und wir telefonieren durch die geschlossene Tür. Im Telefonat würde ich dann sehr deutlich die Frage formulieren, was mein Gegenüber an der klaren Anweisung, genau das nicht zu tun, nicht verstanden hat.

Der Virologe Christian Drosten befürchtet eine zweite Infektionswelle durch eben diese Verschleppungseffekte. Die große zusätzliche Problematik, die durch diese Verschleppungen entsteht ist die Nachvollziehbarkeit von Infektionswegen. Die Kumpels sind fröhlich mit dem Rad zum 8km entfernt wohnenden Bekannten gefahren. In der Firma der Kumpels wird am Tag drauf ein Verdachtsfall bekannt. Das nun in der Recherche geforderte Gesundheitsamt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts vom gestrigen Besuch erfahren, da man ja nur ganz kurz zu Besuch war und dann ja wohl nichts passiert. Sollte es zu Infektion der besuchten Freunde kommen, steht das Gesundheitsamt vor dem großen Rätsel, wo denn diese Neuinfektion ihren Ursprung hat. Die Menschen benötigen eine sehr klare Ansprache von Medien, Wissenschaft und Politik, sonst wird eine Empfehlung stets als unnötige Handlung begriffen. Ein Beispiel für völlig unangemessene Kommunikation ist Prof. Stefan Homburg (Ökonom der Universität Hannover). Der Mann erreicht über YouTube ein Massenpublikum und behauptet angesichts der Reproduktionszahlen vom 15.04.2020, dass der Lockdown vom 23.03.2020 völlig unnötig gewesen sei. Die Entscheidung des Lockdown basierte jedoch auf bis zum 22.03.2020 massiv steigender Zahlen von Neuinfektionen. Mit diesem Vergleich von Äpfeln und Birnen verunsichern die an der öffentlichen Diskussion Beteiligten nur und verstärken die Begehrlichkeiten zur verfrühten Rückkehr zur Normalität. Drosten sagt sehr klar, dass er befürchtet, dass wir den Vorsprung, den wir vor anderen europäischen Ländern hatten, weil verspätet mit Infektionen konfrontiert, derzeit leichtfertig verspielen. Am 22.04.2020 wurde Drosten sehr deutlich, indem er sagte, die ersten sehr rigorosen Maßnahmen zur Kontaktminimierung hätten nur noch wenige Wochen aufrecht erhalten werden müssen, um die Reproduktionszahl auf 0,2 zu senken. Dieser Wert würde eine wesentlich weitreichendere Lockerung der Maßnahmen ermöglichen, als das nicht abgestimmte schrittweise Vorgehen, welches wir derzeit erleben.

Ruhrbarone: Für den Bevölkerungsschutz gab es vor Jahren auf Bundesebene bereits Szenarien, in denen es um eine Pandemie ging. Letztlich wurde die dazugehörige Kommission abgeschafft. Wie sehen Sie diesen Umstand und wie gefällt Ihnen gegenwärtig die Bund-Länder-Zusammenarbeit?

Memmeler: Der im Bevölkerungsschutz sehr bekannte und anerkannte Experte Peer Rechenbach war über sehr viele Jahre im angesprochenen Beraterstab der Bundesregierung und hat gemeinsam mit Experten des BBK und anderen Bevölkerungsschutzexperten die Bundesregierung beraten. Unlängst hat er sehr deutlich auf das Problem hingewiesen, welches ich in der vergangenen Woche angesprochen habe. Das Gesundheitswesen kann nicht Katastrophenschutz denken und leben. Die Schutzkommission, die die Landesinnenminister und die Bundesregierung beraten hat, hat 2013 und 2015, vor dem Hintergrund von Risikoanalysen bei Pandemielagen erneut eine erhöhte Materialvorhaltung in der BRD gefordert, um die Behandlungsfähigkeit bei einem befürchteten Massenanfall von Erkrankten sicherzustellen. Bereits im Jahr 2009 entstand eine Rechtsgrundlage für die ergänzende Sanitätsmaterialbevorratung des Bundes. Ein Pilotprojekt dazu ist damals gescheitert, weil es von den Entscheidern im Gesundheitssystem nicht richtig umgesetzt wurde. Alle Bevölkerungsschützer werden Ihnen sagen, dass der Kontakt mit dem Gesundheitssystem eine vollkommen andere Welt ist, als die im Katastrophenschutz.

Der Bevölkerungsschutz, also auch die Strukturen der Innenministerien, die im Bevölkerungsschutz involviert sind, wollen und müssen Vorsorge leisten. Das Gesundheitssystem und das Gesundheitsministerium wollen sparen. Der Gedanke an vorbeugender Vorhaltung passt da einfach nicht und ist deshalb wahrscheinlich politisch nicht gewollt gewesen.

Um aktuell zu bleiben, will ich die Aussetzung der telefonischen Krankmeldung vom letzten Wochenende aufgreifen. Am Freitag den 17.04.2020 beschloss der gemeinsame Bundesausschuss aus dem Gesundheitsressort, nachdem Herr Spahn darauf gedrängt hatte, die Aussetzung der Möglichkeit zur telefonischen Krankmeldung. Am Montag den 20.04.2020 erfolgte die inzwischen bekannte Rückkehr zur telefonischen Krankmeldung, weil die betroffene Ärzteschaft auf die fehlende Schutzkleidung und die unnötigen Risiken hingewiesen hat. Ein Bevölkerungsschützer hätte die vorhandenen Ressourcen betrachtet und seine Optionen abgeleitet. Im Gesundheitswesen dominieren die Wirtschaftlichkeit und die Begehrlichkeiten der Interessensgruppen. Im gemeinsamen Bundesausschuss waren die Mediziner in der Minderheit, weshalb Krankenkasseninteressen die Entscheidung in bekannter Form beeinflussen konnten.

Die Nichtumsetzung der Empfehlungen ist mit dem Wissen von heute und der Absehbarkeit des Eintritts einer Pandemielage schlicht eine Katastrophe. Am Freitag hat mir noch ein Bevölkerungsschützer in meinem Heimatkreis die alte Weisheit des Bevölkerungsschutzes zitiert: „Was Du hast, musst Du nicht suchen“. Hier ging es allerdings um die in NRW versehentlich beendeten Pläne zur Schaffung von Behelfsunterbringungen zur Betreuung von nur leicht erkrankten Covid 19 Patienten.

Ruhrbarone: NRW hat versehentlich die Schaffung von Behelfsunterbringungen gestoppt?

Memmeler: In der vergangenen Woche habe ich über die Vorgaben zur Isolierung von Verdachtsfällen in Seniorenheimen und den damit verbundenen Umsetzungsschwierigkeiten berichtet. Der nachvollziehbare Protest der Seniorenhausbetreiber hat zur Aussetzung dieser Verordnung geführt. Leider wurde im gleichen Papier auch die Schaffung von Behelfsunterbringungen für nur leicht erkrankte und pflegerisch zu versorgende Personen geregelt. Bis zur Erneuerung einer entsprechenden Anordnung des Landes, setzen nun alle Kreise, die Bereitstellung dieser Behelfsunterbringungen aus. Klug handelnde Kreise und Städte bereiten sich dennoch weiter darauf vor:
„Was Du hast, musst Du nicht suchen.“

So wie in den Ländern alle Kommunen darauf warten, welcher Erlass und welche Verordnung am Freitag vor dem Wochenende aus Düsseldorf kommt, warten die Länder derzeit auf die Ergebnisse der Beratungen am 30.04.2020. Leider manövrieren sich die Länder, durch verfrühte Ankündigungen im Vorfeld solcher Verhandlungen, Beratungen würden objektiver geführt, schon in eine Position, aus der heraus die gemeinsamen Beschlüsse länderspezifisch interpretiert und somit auch umgesetzt werden. Das ist ganz großer Murks, da hierdurch die eingangs geforderte und notwendige klare Kommunikation unmöglich und der Bürger verunsichert wird. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hat am 21.04.2020 einen Erlass zur Durchführung von Transporten von Patienten mit bestätigter Infektion an die Beteiligten im Rettungsdienst verschickt. Hierdurch ist es den lokalen Gesundheitsämtern möglich, bestimmte Transportmittel zum Transport von Patienten mit bestätigter Infektion mit SARS-CoV-2 festzulegen. Hierdurch sollen Ressourcen im Rettungsdienst geschont werden, da die eigentlich nach jedem Transport vorgesehene Desinfektion nur noch nach Schichtende durchgeführt werden müssen. Diese Umsetzung ist mir nur aus Hessen bekannt. Bremen hat den „Hanse Sani“ eingeführt. Hier werden speziell geschulte Notfallsanitäter zu Notrufen mit unklarer Lage zur Transportnotwendigkeit geschickt, um keine Rettungsmittel zu binden. Durch Telemedizin und Rückkopplung mit einem Mediziner konnten so durchschnittlich 68% der Einsätze ohne Transport abgewickelt werden, weil auf einen niedergelassenen Arzt verwiesen werden konnte. Ich möchte an dieser Stelle keine der beiden Lösungen zum ressourcensparenden Einsatz im Rettungsdienst kritisieren. Die unterschiedlichen Lösungsansätze lassen jedoch erkennen, dass es derzeit ganz klar an einer einheitlichen Struktur fehlt. Mit einer einheitlichen Vorgehensweise hätten eventuell alle Bundesländer beide Maßnahmen für den Rettungsdienst eingeführt. Derzeit macht ein Großteil der Länder nichts von beiden.

Der Rettungsdienst ist, wie man am seinem Beispiel sieht, ein gutes Beispiel für die föderale Struktur im Bereich Gesundheit. Alle Bundesländer regeln den Rettungsdienst in unterschiedlichen Ressorts. Hessen im Ministerium für Soziales und Integration, hier hätte der Laie den Rettungsdienst wohl nicht vermutet, NRW im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und die meisten anderen im Innenministerium, wo der Rettungsdienst nach meiner festen Überzeugung auch hingehört, da er die „Speerspitze“ im großen Konstrukt des aufwachsungsfähigen Bevölkerungsschutz darstellt. Außerdem wird der Rettungsdienst fast überall durch die dem Innenministerien zugeordneten Feuerwehren geregelt und überwacht. Da wir aber weder in NRW, noch in vielen anderen Ländern die Katastrophe festgestellt haben (Ausnahme ist Bayern), bleiben die erprobten Mechanismen der Bund-Länderausschüsse, die von den Innenministerien geprägt sind, lediglich in der beratenden Rolle.

Fazit ist, die Abschaffung der Konferenz, die die Bundesregierung beraten hat, sollte Rückgängig gemacht werden und die Führung bei der Planung von Maßnahmen zur Vorbeugung zum Beispiel, für den Fall von Pandemien, sollte im Innenressort liegen, wie es für den Fall von flächigen Stromausfällen schon der Fall ist.

Als anekdotische Notiz stellt sich hier die Beschaffung von Atemschutzmasken durch das Verkehrsressort des Bundes dar. Herr Scheuers Ressort hat 11 Mio. Schutzmasken beschafft, die leider völlig ungeeignet sind, da keine erforderlichen Eignungsprüfungen für die Masken vorliegen. Jeder Beschaffer einer Kreisfeuerwehrbehörde weiß, dass derzeit viel ungeeignetes Material angeboten wird. Herr Scheuer und seine Mannen vertrauten aber auf das Gute im Menschen. Diese Zuversicht auf Gelingen seiner Pläne hat schon einmal richtig viel Geld gekostet.

Ruhrbarone: Wie können sich die Menschen, gerade die mit geringen Einkommen oder gar Hartz-4-Leistunge sich ausreichend mit Masken versorgen? Und wann stehen allen Menschen, insbesondere den sog. systemrelevanten, die erforderlichen Tests zu Verfügung?

Memmeler: Ich weiß zu beiden Fragen keine Antwort, die ich mit einem Datum versehen könnte. Die zum Beispiel kostenneutrale Versorgung von einkommensschwachen Haushalten mit Alltagsmasken ist nach meiner Kenntnis nicht vorgesehen. Hier würde es wohl nur helfen, wenn die Städte zu spenden aufrufen und eine unbürokratische Abwicklung ermöglichen. Ihnen und mir täte es nicht weh, wenn wir jeweils 10-20 Alltagsmasken finanzieren, die pro Stück bereits für fünf Euro zu haben sind. Ich gehe davon aus, dass es in jeder Stadt eine Menge Menschen gibt, die gerne die Möglichkeit erhielten, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass wir gut durch diese Zeit kommen, statt von Woche zu Woche auf neue Erkenntnisse warten zu  müssen, ohne selbst helfen zu können.

Die finanzschwachen Städte im Ruhrgebiet können eine kostenlose Ausgabe von Masken nicht stemmen, da die Maßnahmen, die auf kommunaler Ebene jetzt schon finanziert werden müssen, aus der bereits leeren Tasche finanziert werden. Also rufen wir beiden die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister an dieser Stelle dazu auf, diese Zweckgebundenen Spenden zu ermöglichen. Gemeinsam mit den vielen Menschen, die bereits seit geraumer Zeit nähen, sollte so eine Lösung möglich werden.

Wenn wir der DFL glauben sollen, sind 20.000 Tests für die Bundesliga wichtiger als für Pflegekräfte. Karl Lauterbach kritisiert dies lautstark und aus meiner Sicht zu Recht. Die Laborkapazitäten werden derzeit weiter ausgebaut, aber deshalb nie kostenneutral und bis auf weiteres leider wohl auch ein rares Gut bleiben.

Die Spaltung unserer Gesellschaft wird durch diesen Virus leider noch deutlicher. Wir können uns Masken leisten und es würde uns nicht in den Ruin bringen, anderen zu helfen. Einige schon sehr wohlhabende Menschen verdienen aktuell an der Krise. Und viele andere werden noch weiter abgehängt. Hoffentlich können wir in der kommenden Woche über Fortschritte beim Impfschutz und plötzlich einsetzende Vernunft in Politik, Presse und Bevölkerung sprechen.

Ruhrbarone: Vernunft und Solidarität?

Memmeler: Lassen Sie uns zum Abschluss noch kurz bei der Vernunft und dem vermeintlich größten Lacher bleiben. Der große Denker Trump hat uns alle zum Lachen und zum Schaudern gebracht, als er die Idee formulierte, man könne ja testen, ob das Injizieren oder Gurgeln mit Desinfektionsmitteln oder ähnlichen Produkten hilft. Dieser an Dummheit nicht zu überbietende Gedanke sollte die letzte Bestätigung für eine notwendige klinische Behandlung eines Wahnsinnigen sein. Als tags drauf das Bundesamt für Risikoeinschätzung eine Warnung an die Bevölkerung formulierte, dachte ich nur „oh, für so dumm haltet ihr die Bevölkerung“. Wenige Stunden später bestätigten US-Giftnotrufzentralen die massive Zunahme an Notrufen, da US- Bürger Desinfektionsreiniger gegurgelt oder getrunken haben – ich war sprachlos. Das Beispiel zeigt, wir müssen sehr klar in unseren Aussagen werden. Dazu zählen auch einheitliche Strafen für Verstöße gegen notwendige Anordnungen. Wenn gegen die Maskenpflicht im ÖPNV verstoßen wird, kann es nicht sein, dass diese in NRW noch nicht mit einem hohen Bußgeld geahndet wird. Der Ladeninhaber aber 5.000,00 € zahlen muss, wenn ein Käufer den Laden ohne Maske betritt. Auch wenn das aus meinem Mund komisch klingt, hier wünsche ich mir die spürbar hohen Ordnungsstrafen, wie sie in Bayern gelten. Vernunft kehrt leider bei vielen Bürgern erst ein, wenn es auch mal weh tut.

Es schaudert mich, dass Maßnahmen und Maßnahmenlockerungen in der Wahrnehmung an einem Datum festgemacht werden. Am 30. April  und am 6. Mai kommt es zu erneuten Telefonschalten der Länderchefs. Diese Termine dürfen aber durch Politik und Presse nicht als Termine angekündigt werden, an denen die nächsten Lockerungen und den damit verbundenen Schutzmaßnahmen beschlossen werden. Die klare Aussage muss sein – Maßnahmen werden anhand von validen Daten zu erreichten Reproduktionszahlen entschlossen und deshalb können wir den Bürgern kein konkretes Datum nennen. Bevölkerungsschützer und Normalbürger schütteln sich, wenn Presse stets den Superlativ sucht oder mit der nächsten Krise winkt.

Beispielsweise beginnt der Beitrag einer Nachrichtensendung mit der guten Nachricht, dass alle Regale in den Supermärkten wieder gut gefüllt sind, um dann mit der Aussage zu enden, dass keiner weiß, wie lange die Regale so voll bleiben werden. Die Folge waren erneute, nicht so ausgeprägte, aber wahrnehmbare Panikkäufe. Ich frage mich, was das soll? Die Bürger verhalten sich deutlich vernünftiger, je besser sie den Maßnahmen vertrauen können, die zu funktionierender Logistik beitragen. Mit der Aussage, die Versorgung sei gesichert, hätte ein positiver Nachrichtenbeitrag enden können. Ich wünsche mir einfach viel mehr positive Alltagsnachrichten, statt stets den zusätzlichen Hinweis, in was für einer schwierigen Situation wir uns befinden. Stresst die Bevölkerung nicht zusätzlich! Der Beitrag zu Lebensmittelspenden für die Tafel ist gut und wichtig, wenn er denn nicht fünf Mal den Hinweis enthält, wie schwierig doch gerade alles ist. Wir wissen es bereits.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieses Beitrages eine gute und ganz besonders gesunde Woche, in der wir hoffentlich sehr oft begreifen, auf welch hohem Niveau wir im internationalen Vergleich alle stöhnen.

Mehr zu dem Thema:

„Die Herausforderung der kommenden Woche wird sein, die Bevölkerung dazu zu bewegen, Masken zu tragen“

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Robert Müser
Robert Müser
3 Jahre zuvor

Den Aussagen von Magnus Memmeler stimme ich voll und ganz zu.

Insbesondere führt in NRW der Kurs und die Kommunikation in Sachen Lockerung von Laschet und seinen Ministern zu einer fatalen Haltung in der Bevölkerung "Ist ja alles nicht so schlimm", die mich eher an Schwarmdummheit als Schwarmintelligenz denken lässt.

Wenn dies mal gut geht …

Angelika
Angelika
3 Jahre zuvor

"…das schöne Wetter…" ist eine Dürre.

"…Sie können sicher sein, wenn vor unserer Tür spontan bekannte stehen, da sie Abwechslung und das Gespräch mit meiner Frau und mir suchen, bleibt die Tür zu und wir telefonieren durch die geschlossene Tür. Im Telefonat würde ich dann sehr deutlich die Frage formulieren, was mein Gegenüber an der klaren Anweisung, genau das nicht zu tun, nicht verstanden hat…" (Memmeler, s.o.)

Gut so! Aber leider leider reichten wohl schon die Forderungen nach Lockerungen, die diversen Vorschläge usw. durch manche Politiker (in NRW schwarz/gelb), dass sich einige (nein, nicht einige, viele) zu sicher fühlten. War es hier im Wohngebiet vor Ostern noch sehr ruhig, tanzte am Osterwochenende da und dort die Verwandtschaft an, besuchten sich an Ostern und danach Freunde. Als ob man nicht mal – richtig, neuzeitliche Technik – telefonieren könnte …

Die armen Revierstädte werden angesprochen.
Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Landesregierung großzügig gezeigt hätte. Wie können finanzschwache Kommunen Mehrbelastungen stemmen?!

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