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Filmkritik: ES geht – mal besser und mal schlechter – zu Ende

Mit „ES Kapitel 2“ führt Andrés Muschietti sein Remake des absoluten Horrorclown-Klassikers zu Ende. Unser Gastautor Dominic Röltgen hatte im Kino gemischte Gefühle.

Sagenhafte 700 Millionen Dollar konnte „ES“ seit seinem Erscheinen vor zwei Jahren weltweit einspielen. Damit avancierte Andrés Muschiettis Adaption des gleichnamigen, 1986 erschienenen 1500-Seiten-Wälzers aus der Feder von Stephen King nicht nur zum Überraschungshit an den Kinokassen, sondern sogar zu dem kommerziell erfolgreichsten Horrorfilm aller Zeiten. Selbst wenn es der Urstoff nicht schon von alleine hergegeben hätte: Eine Fortsetzung wäre nur eine Frage der Zeit gewesen. Kenner der Geschichte wussten allerdings gleich, dass der argentinische Regisseur („Mama“) bislang lediglich einen Erzählstrang der Vorlage erzählt hat. Mit „ES Kapitel 2“, der in dieser Woche in Deutschland angelaufen ist, erzählt er nun die Geschichte zu Ende.

Diese setzt 27 Jahre nach dem Kampf des Clubs der Verlierer gegen das absolut Böse ein, das eigentlich zeit-, körper- und geschlechtslos ist, aber am liebsten in der Gestalt des Clowns Pennywise (Bill Skarsgård) in Erscheinung tritt, um alle – ja, genau – 27 Jahre Angst und Schrecken in der fiktiven Kleinstadt Derry zu verbreiten und vorzugsweise Kinder zu verspeisen. Die Mitglieder des Clubs sind mittlerweile nicht nur im tristen Erwachsenenleben angekommen, in alle Himmelsrichtungen verstreut und miteinander nicht mehr in Kontakt stehend. Sie können sich vielmehr noch nicht einmal mehr an den folgenschwersten Sommer ihres Lebens erinnern. Bis auf Mike Hanlon (Isaiah Mustafa), der in Derry geblieben ist. Als das Morden in dem eigentlich recht verschlafenen Nest wieder losgeht und die Meldungen von vermissten Kindern stetig zunehmen, weiß er genau: ES ist wieder da. Folglich kontaktiert er seine alten Freunde, um diese an ihren alten Blutsschwur zu erinnern, zurückzukehren, falls ES nicht besiegt sein sollte, um es zu vollenden. Die sechs Loser sollen diese Neuigkeit, die ihnen trotz Erinnerungslücken schlagartig das Blut in den Adern gefrieren lässt, höchst unterschiedlich aufnehmen, und nicht alle wollen sich diesem Kampf erneut stellen.

Geht man an „ES Kapitel 2“ mit diesem Grundgedanken heran, dass der Film eher eine organische Weiterführung der Geschichte als eine erzwungene Fortsetzung ist, wird man am wenigsten von dem Werk enttäuscht sein. Das könnte anderenfalls nämlich auch vielen Zuschauern passieren, die an dem ersten Teil ihren Gefallen gefunden haben. Denn auch wenn Muschietti und sein Team auch 2019 erneut vieles richtig machen und wieder mit erkennbar viel Herzblut und Ehrfurcht ans Werk gegangen sind, so gilt für den neuen Film dasselbe, wie es schon zahllose Fortsetzungen zuvor erleben mussten: Mehr ist nicht immer besser.

In nahezu allen Belangen legt ES 2 nämlich noch eine Schippe zum Vorgänger drauf. Angefangen bei der – für einen Horrorfilm fast schon abstrusen – Länge von fast drei Stunden, über den Verbrauch von Kunstblut, bis hin zu abscheulichen Taten und absonderlichen Gestalten, die ES annimmt, um erneut in die Köpfe seiner Widersacher hineinzugelangen und seine Schmach von vor 27 Jahren zu rächen. Dadurch, dass Muschietti in Teil 1 nicht der verwobenen Erzählstruktur der Vorlage gefolgt war und stattdessen die Geschichte des ersten Kampfes geradlinig erzählt hatte, geht dem zweiten Teil nun die schönste Komponente der Gesamtstory, der Coming-of-Age-Teil, nahezu vollkommen verloren. Auch der 80er-Jahre-Stranger-Things-Charme, der Teil 1 den Zauber verlieh, stellt sich in ES 2 nicht mehr ein. Logischerweise. Auch wenn Derry auch im Jahre 2016 noch immer ein in der Zeit stehengebliebenes Kaff ist, in dem man offenbar immer noch direkt vor einem Jahrmarkt sein Fahrrad mitten auf der Straße liegen lassen kann, ohne dass es geklaut wird. Über beide Verluste können auch die zahlreich eingestreuten Erinnerungssequenzen, die ein Wiedersehen mit dem ans Herz gewachsenen jugendlichen Losers Club ermöglichen, nicht hinweg trösten.

Dem Cast rund um James McAvoy als Bill Denbrough, Bill Hader als Richie Tozier und Jessica Chastain als Beverly Marsh kann dabei jedoch kaum ein Vorwurf gemacht werden. Die machen alle ihre Sache gut bis sehr gut und den Club der Verlierer auch im Erwachsenenalter zu einem irgendwie sympathischen Haufen, der beweist, dass auch eine unendlich erscheinende räumliche wie zeitliche Trennung einer einmal wirklich gefestigten Freundschaft nichts anhaben kann.

Vielmehr ist es die Vorlage selbst und das Medium Film, die es dem Autorenteam unmöglich machen, an der Qualität des Vorgängers vollständig anzuknüpfen. Wie zur Hölle soll man denn bitte auch das aberwitzige Ritual von Chüd verfilmen, ohne dass es vollkommen lächerlich und billig wirkt. Manche Sachen bleiben einfach unmöglich auf Film zu bannen. Es bleibt Muschietti und seinem Team hoch anzurechnen, dass  sie es auch nicht wirklich versuchen. Ihr Dilemma greifen die Autoren dafür recht elegant mit einem wiederkehrenden Witz über Geschichten mit verkorksten Enden auf, der in einem kleinen, aber feinen Cameo des ES-Vaters höchstpersönlich mündet.

Nicht hoch anrechnen muss man dem Regisseur dagegen jedoch, wie bereits beim Vorgänger, zu sehr auf das sich schnell abnutzende Stilmittel der Jump-Scares zu setzen. Machen wir uns nichts vor: Ein plötzlich auftauchender wahnsinniger und mordlustiger Clown, dessen Erscheinen meist dramatisch mit dem Anschwellen der Unheil-verkündenden Musik vorweggenommen wird, lässt irgendwann auch den ängstlichsten Zuschauer nicht mehr Aufschreien. Auch wenn Skarsgård erneut alles gibt und Pennywise mehr als überzeugend mit Leben füllt – ein wenig mehr Eingehen auf die subtileren Elemente des Romans hätte es bei der immensen Laufzeit dann doch sein dürfen. Vielleicht wird das ja in der von Muschietti bereits in Aussicht gestellten Supercut-Version, die das Werk dann nach Wunsch des Regisseurs zu einem über sechsstündigen Horrorepos zusammenführen soll, nachgeholt.

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