
Bayern und drei große Technologieunternehmen werden morgen bei der Bundesregierung Interessenbekundungen für den Bau einer Gigafactory abgeben. Geht NRW leer aus?
Nach Berichten von FAZ und Tagesspiegel ist der Plan gescheitert, dass sich führende deutsche Digitalunternehmen gemeinsam um eine der sechs geplanten europäischen KI-Gigafabriken bewerben. Ausgestattet mit rund 100.000 Grafikprozessoren – etwa vom Typ Blackwell B100/B200 von Nvidia – sollen die Gigafabriken Unternehmen, Universitäten und Forschungsinstitute in die Lage versetzen, im Bereich Künstlicher Intelligenz auf Weltniveau zu arbeiten. Bisher ist das in den USA und China Realität, in Europa jedoch kaum möglich. Im Koalitionsvertrag haben CDU und SPD angekündigt, mindestens eine KI-Gigafabrik in Deutschland anzusiedeln
Eigentlich wollten sich SAP, die Telekom, Siemens, die Schwarz-Gruppe, dazu der Cloud-Anbieter Ionos gemeinsam um den Zuschlag für eine KI-Gigafarbrik bewerben, die von der EU 20 Milliarden Euro unterstützt wird. Doch aus der geplanten Zusammenarbeit ist nichts geworden. Nun werden morgen bei der Bundesregierung, über die die Bewerbungen laufen, die Schwarz-Gruppe, T-Systems, Ionos und der Freistaat Bayern bewerben. Aus NRW ist kein Bewerber dabei, die Telekom-Tochter T-Systems sitzt in Frankfurt am Main.
Auch Nordrhein-Westfalen hatte sich zum Ziel gesetzt, eine KI-Gigafabrik in NRW anzusiedeln und sah gute Chancen, den Zuschlag zu bekommen. Auf Anfrage teilte das Land im Mai selbstbewusst mit: „Nordrhein-Westfalen geht den Weg von der Kohle zur KI: Mit großen Zukunftsinvestitionen ist Nordrhein-Westfalen heute Vorreiter bei der Entwicklung und Anwendung Künstlicher Intelligenz. Als Innovationszentrum und dichtester Forschungs- und Wissenschaftsraum Europas ist das Land zudem attraktiver Standort für Unternehmen, Industrie und damit auch für Investitionen. Der Call for expression of interest der EU-Kommission/EuroHPC sieht explizit die Bewerbung von privaten Unternehmen vor. Aktuell führt das Land Gespräche mit potentiellen Konsortialpartnern und wird eine Bewerbung aus Nordrhein-Westfalen unterstützen.“
Die Voraussetzungen zur Realisierung einer KI-Gigafabrik in NRW sind gegeben. Im Land entsteht eine von sechs geplanten europäischen KI-Gigafabriken – und zwar am Forschungszentrum Jülich, im Herzen der Digital- und Quantenregion Rheinisches Revier. Das Land verweist auf eine bereits bestehende Infrastruktur, die Forschung, Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz eng verzahnt. Insbesondere im Rheinischen Revier stehen im Zuge des Strukturwandels schnell verfügbare, erschlossene Industrieflächen bereit – oft an ehemaligen Kraftwerksstandorten. Auch die Energieversorgung ist ein Standortvorteil: Nordrhein-Westfalen produziert weiterhin Strom im industriellen Maßstab, und viele Flächen verfügen bereits über leistungsfähige Stromanschlüsse, wie sie für Rechenzentren dieser Größenordnung notwendig sind.
Ein Beispiel für die wissenschaftliche Stärke des Standorts ist der Exascale-Supercomputer JUPITER, der derzeit in Jülich entsteht. Mit einer Rechenleistung von einer Trillion Operationen pro Sekunde soll er künftig auch die KI-Fabrik unterstützen. Umgekehrt wird auch die Wissenschaft in NRW von der Rechenleistung profitieren. Das Projekt wird zudem als europäische Kooperation umgesetzt – unter anderem mit Partnern aus den BENELUX-Ländern.
Eine aktuelle Anfrage der Ruhrbarone bei der NRW-Staatskanzlei blieb zunächst unbeantwortet – auch aufgrund des Feiertags. Ob die vier vorliegenden Bewerbungen das vorzeitige Aus für Nordrhein-Westfalens Ambitionen bedeuten, dürfte sich jedoch bald zeigen.