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Jenseits der Freiheit


Handelt es sich bei der öffentlichen Debatte über Prism wirklich um einen politischen Skandal, oder sind wir zu naiv, um Prozesse rechtzeitig zu begreifen. Liegt Freiheit, auch und besonders in den westlichen Staaten, nicht längst hinter uns? Von unserem Gastautor Reinhard Matern.

Das Schweigen der Kanzlerin gegenüber Prism beunruhigt, mehr noch das vom Innenminister Friedrichs veranschlagte Supergrundrecht auf Sicherheit, mit dem faktisch das Grundgesetz ausgehebelt wird, die Freiheitsrechte der Bürger. Freiheit ist ohne Beobachtung und Kontrolle, auch von Seiten der westlichen Staaten, offensichtlich nicht mehr einräumbar. Die alte Staatsraison, auf der Absolutismus und autoritäre Regime bauen, Macht und deren Erhalt in das Zentrum zu rücken, “rechtfertigt letztlich den Einsatz aller Mittel, unabhängig von Moral oder Gesetz.” (bpd) Demokratie verkommt zu einer Spielwiese mit Sandkasten, wie man sie in luxeriösen Kitas finden mag.

Speziell in Europa ist die Fragwürdigkeit von Freiheit und Demokratie zur konstitutiven Grundlage geworden. Die Europäische Kommission, die inoffizielle Regierung des Staatenbundes, die vor allem durch bürokratische Definitionen einzelner Lebensmittel, darunter Gurken und Bananen, Privatisierungsbestrebungen im Hinblick auf öffentliche Güter (Wasser) und kürzlich durch die Aufkündigung der Netzneutralität auffiel, ist demokratisch nicht hinreichend legitimiert. Die Regierungen der Länder bestimmen über die Besetzung, das Europäische Parlament hat allenfalls die Möglichkeit, Kandidaten abzulehnen, und die Bürger …, wofür sollte man die brauchen. Martin Schulz, der Parlamentspräsident, hob immer wieder hervor, dass die EU den eigenen demokratischen Ansprüchen, die sie gegenüber Mitgliedsstaaten anlegt, nicht genügt.

Sind die Bürger der EU nicht längst Gefangene eines autoritär agierenden Bundes? Dass die USA auch und besonders dort gerne im Geheimen mithört, um zu erfahren, wie es zu Entscheidungen und veröffentlichten Resultaten gekommen ist, muss nicht überraschen. Obama gab zwar kund, Hollande, den französischen Präsidenten, als auch Merkel, die deutsche Kanzlerin, anzurufen, wenn ihn deren Meinungen interessieren, diese Bemerkung lenkte jedoch ab. Spionage richtet sich auf spezielle Sachverhalte, nicht auf Ansichten von Personen, die ohnehin im Rampenlicht stehen. Doch welches Recht maßen sich die USA als auch die EU an, autoritären Regimen wie in China oder Russland Vorhaltungen zu machen? Nur weil man in der westlichen Welt mit Festsetzungen von Personen viel vorsichtiger umgeht? Snowden und sein bisweilen kindlich wirkendes Engagement für Menschenrechte wird in westlichen Demokratien kein Schutz eingeräumt!

Die jeweils eigenen Grundrechte auszuhebeln, ist für westliche Staaten einfach geworden: man bittet die jeweils anderen um ausgiebige Unterstützung. Dass Deutschland und die EU die Anfrage der USA offiziell abgelehnt hatten, sagt dabei nicht viel. Das Schweigen der bundesdeutschen Regierung hat, so kann vermutet werden, kaum sachliche Gründe. Solche ließen sich leicht erörtern. Ex-NSA-Chef Michael Hayden hat sich über das arglose Verhalten der Politiker bereits öffentlich, dem ZDF gegenüber, lustig gemacht. Zudem ist durch den Spiegel bekannt geworden, dass die deutschen Geheimdienste das NSA Software-Programm XKeyscore selber einsetzen. Die entscheidende Frage wird sein, wie man den Bürgern kurz vor der Wahl begreiflich machen möchte, dass man wenig von ihnen hält. “Freiheit bedeutet eigentlich eine Abwesenheit äußerlicher Hindernisse”, formulierte Thomas Hobbes im Leviathan, “… und wird von unvernüftigen und leblosen Dingen ebensogut gebraucht wie von vernüftigen.” Die Staatsraison wäre, würde man dem englischen Staatstheoretiker folgen, ein Kampf gegen die globale Unvernunft. Welcher Vernünftige würde dies nicht einsehen? Putin hat dies begriffen! Nun wäre nur noch zu klären, was als Vernunft bzw. Unvernunft zu gelten habe?

Jenseits von Freiheit und Demokratie ließe sich öffentlich gar nichts mehr klären. Ob es jedoch einen Weg zurück gibt, ist offen.

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