#refugeeswelcome: Der Streit um die ‚Bild‘-Kampagne lenkt von den tatsächlichen Problemen ab

Das Stadion des FC St. Paili in Hamburg. Foto: Daniel Jentsch
Das Stadion des FC St. Pauli in Hamburg. Foto: Daniel Jentsch

Nur ein wenig geschmackvoller Werbegag der ‚Bild‘? Eine ‚gute‘ Aktion? Wertvolle Hilfe, oder gar der guten Sache am Ende abträglich? Die Meinungen der Beteiligten und auch der Beobachter gehen aktuell sehr weit auseinander, wenn der Fußball-Zweitligist FC St. Pauli die am Wochenende die von der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Hermes und der „Bild“-Zeitung angedachte Aktion „Wir helfen -#refugeeswelcome“ boykottiert und als wohl einziger der 36 Proficlubs aus Liga 1 und 2 den dazugehörigen Aufdruck nicht auf dem Ärmel seiner Trikots präsentieren wird.

Diesen Entschluss erklärt der Hamburger Zweitligist mit seiner ohnehin gelebten „Willkommenskultur“. Um ein Zeichen für die Flüchtlingshilfe zu setzen, sollten alle 36 Profiklubs auf eine Werbefläche auf den Trikots verzichten. So zumindest der Plan.
Doch der Kiez-Club sieht lt. seinem Geschäftsführer Andreas Rettig „nicht die Notwendigkeit“, in der Sonntagspartie bei Eintracht Braunschweig an der freiwilligen Kampagne der Liga teilzunehmen. Ausgerechnet der als tolerant und ‚alternativ‘ bekannte Club macht bei so etwas nicht mit?

„Der FC St. Pauli steht für eine Willkommenskultur, und wir handeln damit auf eine Art und Weise, die unseren Klub schon seit Jahrzehnten ausmacht. Wir leisten ganz praktische und direkte Hilfe dort, wo sie gebraucht wird“, heißt es dort.

Erst in der Vorwoche sorgte ein Freundschaftsspiel der Hamburger gegen Borussia Dortmund, zu dem auch zahlreiche Flüchtlinge eingeladen wurden, für entsprechende Positivschlagzeilen.
„Unser Testspiel gegen Borussia Dortmund, das private Engagement unserer Spieler sowie verschiedenste Aktionen unserer Fans und Abteilungen für die Flüchtlinge in Hamburg sind Beleg dafür“, so der Club, welcher sich erst kürzlich auch weigerte das Logo des Clubs RB Leipzig u.a. auf seiner Homepage zu veröffentlichen, da er keine Reklame für dessen Sponsor ‚Red Bull‘ machen wollte. Die Hamburger gehen diesbezüglich bekanntlich nicht zum ersten Mal ihren eigenen, manchmal unbequemen Weg. Nicht wenige Fans im Lande finden den Club auch gerade deshalb besonders attraktiv und sympathisch.

Die Reaktion der Bild-Verantwortlichen auf die Ablehnung ihrer Werbe-Patches für das Wochenende aus St. Pauli fiel heftig und auch unverständlich ‚feindselig‘ aus: „Kein Herz für Flüchtlinge, schade eigentlich“, twitterte Bild-Chef Kai Diekmann ausgerechnet in Richtung des als weltoffen und tolerant geltenden Zweitligisten und befeuerte damit natürlich, ob berechnend oder nicht, eine entsprechende Gegenreaktion unter dem Titel ‚#Bildnotwelcome‘.
Diekmann legte dann bei Twitter gestern sogar noch einmal entsprechend nach:

Erneute Gegenreaktionen vieler Fans inklusive. Böse Zungen sprechen schon von einer gezielten, plumpen Werbekampagne für die Bild-Zeitung, auch und gerade eben durch den medialen Staub, den die Sache so nun erst recht aufwirbelt. Aber ist das so wirklich Werbung? Zweifel scheinen angebracht zu sein. Das wirkt doch eher abschreckend und unnötig aggressiv.

Und in der Tat glaubt man, wenn man sich den Twitter-Account von Diekmann und seine Beiträge der letzten Tage aktuell mal näher ansieht ja eigentlich kaum, dass dieser Mann sich wirklich ohne irgendwelche Hintergedanken ernsthaft auf einen solch emotionalen Schlagabtausch mit dem FC St. Pauli und vielen Fußballfans im Lange einlässt. Der Mann ist schließlich ein echter Profi. Würde ein solcher hier wirklich private Emotionen zeigen? In diesem Ausmaß?

Überhaupt lässt sich ja prima über den Effekt einer solchen Aktion streiten, wenn in der Bundesliga statt des Hermes-Logos nun dieses neue Logo der Bild-Kampagne prangt.

Das Thema Flüchtlinge, ihre möglichst herzliche Aufnahme hier bei uns und ihre bestmögliche Integration in die Gesellschaft ist allerdings grundsätzlich doch viel zu wichtig um in solch unbefriedigenden ‚Grabenkämpfen‘ nun ‚beschädigt‘ zu werden. Hier wird so von den eigentlichen Problemen, aber auch von den aktuell laufenden unzähligen guten Aktionen im Lande leider nur unnötig abgelenkt.

Und das ist, was immer da aktuell geplant oder ungeplant durch diesen kleinlich anmutenden Streit ausgelöst wurde, mehr als schade! Das schadet dem Thema am Ende vermutlich mehr als es ihm nutzt…

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Hein Fartmann
Hein Fartmann
9 Jahre zuvor

FC St. Pauli bleibt nicht alleine.
"An der für den kommenden Bundesligaspieltag geplanten Aktion einer Boulevardzeitung wird der 1.FC Union Berlin hingegen nicht teilnehmen."
http://www.fc-union-berlin.de/verein/aktuelle-meldungen/details/Hilfe-in-der-Not-Union-verschiebt-Fanhaus-Plaene-und-schafft-Platz-fuer-Fluechtlinge-1122y/

Derweil läuft die Unterstützung der Geflüchteten auf St. Pauli weiter auf Hochtouren … wer braucht da schon diese Zeitung?!?

WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Wenn St.Pauli, Union Berlin u.a. sich weigern, an der BILD-Aktion teilzunehmen, habe ich dafür Verständnis, denn ich kann mich -leider- nicht davon freimachen, an Heuchelei zu denken und an das "Auflage-machen-wollen"durch die Verantwortlichen der BILD.

Dass Bayern-München u.a. sich ohne Wenn und Aber an der BILD-Aktion beteiligen, kann niemanden verwundern angesichts der engen personellen Kontakte zwischen den Verantwortlichen der "großen Bundesligisten" -nebst ihren Spielern- und den Leuten von BILD sowie aufgrund der immer wieder sichtbaren Interessensgleichiet beider Seiten, wenn es um den Bundesliga-Fußball geht.

Leider habe ich den Eindruck, daß "das Flüchtlingsdrama" mittlerweile von vielen Akteuren ge- bzw. mißbraucht wird, um eigene Interessen um- bzw.. durchzusetzen. "Die Flüchtlinge" :nur Mittel zum Zweck?

Schlimm, sehr schlimm, daß ich überhaupt Anlaß habe, so denken zu müssen.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

Der dreiste Bild-Chef mit dem Hipster-Outfit ist doch nicht nur sauer darüber, dass der gute alte Kiezclub seine Hilfs-Kampagne nicht für wichtig genug hält, um mitzujubeln, er möchte die Gelegenheit gleich mal nutzen, um sich richtig fett an dieser verschissenen Antifa-Szene zu rächen, die ihn über die Jahre immer wieder dabei ertappte, wenn er mit untergründigen Ressentiments gegen Ausländer und Flüchtlinge spielte.

Schade, dass mein königsblauer Club dem kritischen Ansatz der Paulianer und Eisernen nicht folgt. Aber dazu sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Hamburg und Rheda-Wiedenbrück wohl zu wichtig.

WALTER Stach
9 Jahre zuvor

leoluca
Sich ärgern, sich echauvieren -über BILD und DFB? Nee, dann liebe beiden gegenüber etwas Zynismus, etwas Satire:

Diekmann und Niersbach…..die passen in einen Sack oder sie sind, wie man früher im Ruhrgebiet gesagt hat, ein Kopp und ein…A", wobei zu fragen ist, wer was ist.

Robin,
wie ich Rauball und Watzke einschätze, werden die alles tun, um der BILD und dem DFB wohlgefällig zu sein.
Und die organisierten Fans werden sich…….?
Kann ich ganz und gar nicht einschätzen, wie deren Einstellung zu der BILD-Aktion sein könnte.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Dieses Ereignis und die dankenswert coole Reaktion des Kiez zeigen doch nur überdeutlich, wie einfältig, schmutzig und menschenunwürdig der mediale Popanz momentan versucht, aus dem "Megaseller-Topthema Flüchtlingschaos" Kapital (und hier wortwörtlich: Geld) zu schlagen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@#5 WALTER Stach: Wenn man sich drüben im schwatzgelb-Forum so umsieht, ist die Meinung unter den Fans mehrheitlich gegen die BILD-Aktion – evt. auch weil die BILD hier im Ansehen noch weit unter Landser- oder Heimat-Schmuddelheftchen zu verorten ist;-)

WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Klaus Lohmann, danke für die Info.
Ich würde mich freuen, wenn die organisierten BVB-Fans BILD die rote (die schwarz-gelbe)Karte zeigen -und damit indirekt auch dem stets BILD-wohlgefälligem DFB.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

Mir ist das zu viel PR. Das erinnert mich so an das "Für .." bzw. "Gegen …" – Dosenwerfen, Sackhüpfen etc.

Die Fußballligen sollten einfach mal öfter handeln. Es gibt eine Super-PR-Maschine. Dann gibt es auf den Platz und vor und im Stadion.

Bei der Wahl der Sponsoren gibt es auch noch Optimierungsbedarf. Auch sie sollten für Vielfalt und Freiheit stehen. Eben für eine bessere Integration. Dann kann man Botschaften auch besser vermitteln.

WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Robin,
dieses kräftige "Ja, aber….." des 1.FCN……! Wo haben die das wohl gelernt?

Das Ganze -die BILD/DFB Aktion, die sich darauf beziehenden Aktionen und Reaktionent- sind doch t letztendlich maker, sie sind seitens aller (!) Akteure zynisch angesichts der Menschheitskatastrope an den sütldichen,südöstlichen Grenzen Europas.
"Maker, zynisch" ja, das gilt dann auch für mich, wenn ich mich hier mit so einem "Sch….." befasse.

WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Lese so eben in den Ruhrnachrichten-online-, daß der BVB an der Aktion teilnehmen wird.
Ich lag also richtig -sh.-5-letzter Absatz 1.Satz. Die Fans werden das vermutlich nicht "stillschweigend dulden".
Aber was soll`s .sh.-12-.

WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Robin, ich habe von dem Spiel unseres BVB ncihts mitbekommen,nur das erfreulcihe Ergebnsi 2:1.

Kompliment an die Vereinsführung des VFL Bochum -eigenständig, selbstbewußt, der Sache verpflichtet und nicht der BILD und vor allem solidarisch mit St.Pauli angesichts der Anfeindung des FC St.Pauli durch diesen "Herrn Diekmann", nachdem St.Pauli sich nicht der "Allmacht" der BILd bzw. den Allmachtsfantasien dieses " Herrn Diekmann" zu unterwerfen bereit war.
Der VFL kann sich damit bei allen(!!)n Fußball-Fans im Revier große Sympathien erwerben. Ich hoffe das jedenfalls.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Robin, Walter: Exakt. "#BILDnotwelcome" war der dominante Spruch auf der Süd;-)
Wenn die Vereinsführung nun Richtung DFL/Hermes schleimen möchte, weil Rauball nicht mit seiner Doppelrolle klarkommt, dann steuert sie schnurstracks auf die nächste größere Fanverstimmung zu. Denen geht's wohl zu gut im Moment? Danke Bochum, pfui BvB!!!!

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

Endlich auch eine vernünftige Reaktion aus dem königsblauen Universum:

http://koenigsblog.net/2015/09/18/sieg-in-nikosia-bildnotwelcome/

Millo
Millo
9 Jahre zuvor

Und das Transparent auf der Süd gestern war schön prominent hinter dem Tor platziert. Zusätzlich gab es noch in der Halbzeitpause weitere Aktionen, die aber für den normalen Zuschauern eher "unauffällig" waren:

https://twitter.com/schwatzgelbde/status/644602044825907200/

trackback

[…] in den Vordergrund stellen.  Angesichts der tief entbrannten und kontrovers geführten Diskussion um die Aktion „Wir helfen“ befürchtet der Club einen Schatten über die vorbereiteten Aktionen am Sonntag […]

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Und SPON berichtet über eine Reihe von Merkwürzigkeiten (die übrigens Bayern-Fans aufgefallen waren) im Zusammenhang mit Spendenaufrufen für diese BILD-Aktion "#refugeeswelcome", dem FC Bayern und einem Laufevent:
http://www.spiegel.de/sport/fussball/fanrun-des-fc-bayern-und-der-bild-verwirrende-charity-aktion-a-1053452.html

Ich sage es mal ganz sachlich: Kotz!!!

DonFiege
DonFiege
9 Jahre zuvor

Man kann vor St. Pauli nur den Hut ziehen, diese Courage gegenüber Bild aufgebracht zu haben. Wäre schön, wenn hierauf ein Hinterfragen in größerem Umfang bzgl. des Geschäftsmodells dieser Zeitung folgen würde, als dies damals bei der "Bild dir eine Meinung" Aktion der Fall war. Das Antwortschreiben der Sängerin der Band "Wir sind Helden", Judith Holofernes, mit der sie eine entsprechende Anfrage bzgl. der Teilnahme an dieser Aktion ablehnte, ist immer wieder lesenswert: http://www.wirsindhelden.de/2011/02/1069/

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Moral dient ja vor allem dem "Distinktionsgewinn". Will sagen: Mit dieser Aktion drückt Diekmann aus: Wir sind genauso "gut" wie der FC St. Pauli (Einebnung der Distinktion). Und darauf muss der FC St. Pauli natürlich reagieren mit: Wir sind immer noch "besser" als "Bild" (Wiederherstellung der Distinktion).
Theoretisch gibt es scher noch eine Moral jenseits des Distinktionsgewinns. Aber praktisch?

Jürgen Grono
Jürgen Grono
9 Jahre zuvor

Ich verstehe die ganze Aufregung um die Bild sowiso nicht
Als Fan mal 2 mal im Monat zu Hause bleiben und den Eintrittspreis
spenden.

Lito
Lito
9 Jahre zuvor

Die meisten Fußballvereine haben einfach den Sinn für die Realität verloren. Man heuchelt allerorten vor, es ginge um Flüchtlinge, dabei geht es nur um Eigenwerbung. Es stimmt hoffnungsvoll, daß es in Deutschland noch genug Leute gibt, die das bemerken und nicht gutheißen. Wenn die Fußballvereine etwas für Flüchtlinge tun wollen, sollten sie aus ihrem eigenen Budget Geld spenden. Tut das jemand? Oder alternativ ihre Stadien als Notunterkünfte zur Verfügung stellen. Tut das jemand? Verlogene Reklameaktionen, da sagt man sofort zu. Kostet ja nichts, so ein bißchen Stoff am Trikotärmel zu bedrucken…

WALTER Stach
9 Jahre zuvor

-27-Lito

Es geht sicherlich den Bundesliga-Vereinen auch um Eigenwerbung"…..Wir können nicht nur Fußball, wir sind nicht nur WVirtschaftsunternehmen, wir können auch "Nächstenliebe….", aber m.E. ist entscheidend für das Engagement des DFB und für das der Mehrheit der Bundesligisten deren Angst vor der Medienmacht der BILD bzw. vor der vermeintlcihen Allmacht des Herrn Diekmann; und dem trägt "man" Rechnung, indem man alles macht, was BILD fordert. Selbst bescheidene Kritik an BILD ist für den DFB und die Verantwortlichen in den Bundesligavereinen tabu, auch wenn es dazu immer wieder sachlich begründete Anlässe gibt..

Deshalb noch einmal:
Respekt vor dem FC St.Pauli, dem VFL Bochum u.a., die jetzt bei der BILD Aktion nicht mitmachen.

Allerdings erinnert dieses konkrete Ereignis wieder einmal an die latente Abhängigkeit der Bundesligavereine von BILD und an ihre daraus resuliterenden Fügsamkeit gegenüber dem, was BILD will oder nicht will.
Ich sehe nicht, daß sich daran grudnsätzlich etwas ändern wird und ich sehe auch nicht, daß die Fußball-Fans dieses grudnsätzlich kritisch sehen, geschweige denn, daß sie darüber nachdenken, ob und wie das grudnsätzlich geändert werden könntge. Umso anerkennenswerter, daß im konkreten Einzelfall einige Bundesligisten und sehr viele Fans BILD und DFB die "kalte Schulter" zeigen.

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