
Borussia Dortmund hat mit der Verpflichtung von Jobe Bellingham am Dienstag für viel Aufmerksamkeit gesorgt – nicht nur sportlich, sondern vor allem symbolisch. Der jüngere Bruder von Jude Bellingham, dem einstigen Dortmunder Publikumsliebling und heutigen Weltstar bei Real Madrid, soll nun in dessen Fußstapfen treten. Doch gerade dieser Umstand macht die Personalie zu einem zweischneidigen Schwert – und bietet reichlich Anlass zur Kritik.
Ein großer Name mit kleiner sportlicher Grundlage
Zunächst drängt sich der Verdacht auf, dass bei dieser Verpflichtung weniger sportliche als vielmehr marketingstrategische Motive im Vordergrund standen. Jobe Bellingham ist zweifelsohne ein talentierter, aber keineswegs außergewöhnlicher Spieler. Ihn zum Dortmunder Rekordeinkauf zu machen, erscheint vor diesem Hintergrund unangemessen. Seine Leistungen beim englischen Zweitligisten AFC Sunderland waren solide, mehr aber auch (noch) nicht. Die Erwartungshaltung, die mit dem Namen „Bellingham“ automatisch verknüpft ist, steht (noch) in keinem Verhältnis zu dem, was Jobe bislang sportlich gezeigt hat. Dass der BVB bereit war, eine beachtliche Millionenablöse für einen Spieler dieses Profils zu zahlen, wirkt vor allem mit Blick auf die Namensverwandtschaft konstruiert.
Die Bürde des berühmten Bruders
Mit der Verpflichtung eines Spielers, dessen älterer Bruder den Verein geprägt hat wie wenige andere in den letzten Jahren, geht man beim BVB zudem ein erhebliches Risiko ein – für den Spieler selbst wie auch für das öffentliche Umfeld. Jobe wird ständig mit Jude verglichen werden, egal wie unterschiedlich ihre Positionen oder Spielstile auch sein mögen. Für einen so jungen Kerl wie ihn, er ist erst 19, ist dieser Schatten schwer zu verlassen. Die Gefahr ist groß, dass er an einer überhöhten Erwartungshaltung zerbricht – oder im besten Fall lediglich als „kleiner Bellingham“ wahrgenommen wird. Ob man sich selbst und dem Spieler damit einen Gefallen tut, darf/muss bezweifelt werden.
Marketing statt Konzept?
Darüber hinaus wirkt das Transfergebaren der Dortmunder zunehmend erratisch. Während man in der Vergangenheit junge Spieler vor allem nach sportlichen Kriterien verpflichtete – man denke an Haaland, Sancho oder Dembélé –, scheint bei Jobe Bellingham auch der Versuch mitzuschwingen, sich ein Stück der Bellingham-Nostalgie zurückzukaufen. Das mag kurzfristig für Schlagzeilen sorgen, doch mittel- und langfristig kann es dem Image des BVB als Ausbildungsverein mit Substanz schaden. Emotionalität ist im Fußball wichtig, aber sie darf nicht das strategische Handeln ersetzen.
Mehr Risiko als Chance?
Jobe Bellingham mag ein vielversprechender Spieler sein – doch die Rahmenbedingungen seiner Verpflichtung bergen im konkreten Fall mindestens ebenso viele Risiken wie Chancen. Die Erwartungshaltung, die öffentliche Wahrnehmung und der familiäre Vergleich setzen ihn unter enormen Druck. Der BVB muss mächtig aufpassen, dass aus einer so sentimental angehauchten Transfergeschichte kein sportliches und wirtschaftliches Eigentor wird.