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Westerwelles merkwürdiges Sozialismusbild

Wenn man den Artikel von Westerwelle in der Welt liest, wirkt die ganze Aufregung um den Text arg bemüht. Westerwelle hat nur geschrieben, was er immer sagt. Was mir aber aufgefallen ist: Westerwelle hat ein erstaunlich illusorisches Bild vom Sozialismus. Mit der Praxis der heute zumeist ehemaligen sozialistischen Staaten hat es wenig zu tun.

Allgemein hält sich die Auffassung, Sozialismus wäre vor allem für Arbeiter und Arbeitslose eine prima Sache, ziemlich hartnäckig. Das mag für die Papierform noch zutreffen, für die Praxis nicht – und wir alle wissen ja: Entscheidend ist auf´m Platz.

Außenminister Guido Westerwelle, im Nebenerwerb Chef der FDP, sieht im Sozialismus vor allem eine große Umverteilungsmaschinerie, von der vor allem diejenigen profitieren, die nicht arbeiten.  Dabei war es Lenin, der schrieb „Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen“. Ursprünglich wohl  gemünzt  auf die Klasse der Großgrundbesitzer wurde er zum Credo aller sozialistischen Staaten. Aus dem Recht auf Arbeit wurde in der Praxis die Pflicht zur Arbeit.

Mit der Umverteilung zugunsten derjenigen die, aus welchem Grund auch immer, nicht arbeiteten, hatte es keines der sozialistischen  Länder. In der DDR bestand eine Arbeitspflicht: „‚Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit.‘ (Verfassung der DDR) Die Arbeitspflicht wurde z.B. in Form eines ‚Dienstes für Deutschland‘ 1952/1953 als Jugendarbeitsdienst umgesetzt, oder sie konnte darin bestehen, dass Arbeitnehmer bis zu 6 Monate verpflichtet wurden, in einem anderen Betrieb am gleichen Ort zu arbeiten.“

Arbeit hatte einen hohen Wert für die sozialistischen Diktaturen: Vor allem  Gefangene in Lagern sollten angeblich durch Arbeit zu besseren, zu proletarischen Menschen werden. In Wirklichkeit ging es nur darum, möglichst billig und ohne jede Rücksicht auf menschliche Verluste, Großprojekte wie Eisenbahnlinien oder Kanäle zu bauen und das Volk durch Angst vor dem Lager gefügig zu machen.

Für den französischen Philosophen André Glucksmann ist dann auch das Lager das Symbol des praktizierten Sozialismus. In Köchin und Menschenfresser, (Wagenbach, 1976) schreibt er: „Die Lager sind geheime Kommunikationsinstrumente zwischen Herren und Sklaven, Ausbeuter und Ausgebeuteten. Auch wenn die Plebs nicht eingesperrt ist, liegt doch die Drohung und ein versteinertes Schweigen in der Luft, in denen die Stimme des Herrn unausgesprochen da ist. Jeder deportierte oder nicht deportierte Russe bewohnt „die Lagerzone.“

Die sozialistische Praxis hatte mit Westerwelles Sozialismusbild, in dessen Zentrum  großzügigen staatlichen Alimentierung steht,  nichts zu tun. Der sozialistische Staat ist der Ausbeuter, nicht der großzügige Helfer des Individuums und die Arbeit war eine seiner Waffen. Aber das ist das Problem von Phrasendreschmaschienen wie Westerwelle: Es geht ihnen nie um den Inhalt, immer nur um den Effekt und sie haben keine Ahnung wovon sie reden.

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Arnold Voss
14 Jahre zuvor

Ich empfehle als ergänzende philosophische Erläuterung zu dem Typ von Phrasendreschern und -drescherei der ja nicht nur in der Politik sintflutartig zunimmt, das kleine aber feine Buch des Amerikaners Harry S. Freytag namens „Bullshit“. Gibts auch in Deutsch und sogar als Hörbuch. Amüsant und lehrreich.

Simone
Simone
14 Jahre zuvor

…schon bemerkenswert wie selbst ein Guido Westerwelle genutzt wird, um noch mal schnell Front gegen die Linken zu machen :-))
schönes Foto übrigens… und ja, teilweise auch Zustimmung…

Werner Jurga
14 Jahre zuvor

@ Stefan
Mir will nicht in den Kopf, warum Du stets und ständig meinst, einen Kampf gegen die untergegangenen Staaten führen zu müssen, die sich selbst –offenbar mit Stolz “realer Sozialismus“ nannten. Sie haben die Systemkonkurrenz mit dem Westen verloren, ohne dass ein Schuss gefallen wäre, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Menschen nicht mehr eingesperrt auf diese Art und Weise leben wollten. Und spontan fallen mir etliche Gründe ein, warum auch ich niemals so leben wollte oder gar will.
Nur, Stefan: wie Du zurecht schreibst, gab es in den sowjetsozialistischen Ländern Arbeitspflicht, also keine Arbeitslosigkeit. Und der Arbeitsalltag der werktätigen Massen war keineswegs mit dem Gulag zu vergleichen. Da der realsozialistische Staat die Arbeiter kein bisschen ausgebeutet hatte, liegt es auf der Hand, dass die Arbeitsbelastung nicht nur bei weitem Gulag-Niveau, sondern nicht einmal West-Niveau erreicht hatte.
Die von Dir bemühten Schrecken der Stalinschen Industrialisierung im Verbund mit dem Massenterror sind nicht geeignet, ein realitätskongruentes Bild des Arbeitssystem im Sowjetsozialismus zu zeichnen.
Wenn Du jemals eine ostdeutsche Stimme im gesamtdeutschen Fernsehen hast sagen hören: „Wir haben schließlich auch gearbeitet!“, dürfte Dir dies eigentlich ziemlich klar sein.

Werner Jurga
14 Jahre zuvor

Ja, ich weiß. Und?

Arnold Voss
14 Jahre zuvor

Was Stefan bei seiner durchaus berechtigten Kritik am „Realen Sozialismus“ regelmäßig unterschlägt, ist die Tatsache, dass der (sozial)staatlich ungezähmte Kapitalismus mindestens so brutale Ausbeutungsmechanismen praktiziert wie der Staatssozialismus sowjetischer Prägung sie uns vorgeführt hat.

Was mir allerdings in dieser Diskussion völlig fehlt, ist die Vision von weniger, zumindest aber erfüllterer und damit zufriedenstellender Arbeit auf Basis immer höher werdender Arbeitsproduktivität, die zumindest die Ideengeber des Sozialismus noch beseelte.

Christian S.
14 Jahre zuvor

„Westerwelle hat nur geschrieben, was er immer sagt.“

Ja. Früher war Westerwelle aber Oppositionspolitiker, da darf/muss man loskeilen. An einen Vizekanzler und Außenminister stellen die Menschen andere Anforderungen.

Werner Jurga
14 Jahre zuvor

@ Stefan (# 4)
„Soziale Entmündigung“, das ist das Mantra des Guido Westerwelles, ist eben nicht das „Gegenstück zur Verheißung der sozialen Rundumfürsorge“, vielmehr bedeutet Fürsorge Entmündigung.
Ich habe den Eindruck, dass es fast unmöglich ist, diese und die damit zusammenhängenden Fragen mit den „mündigen Bürgern“ zu diskutieren, ohne dass diese für den Verdacht anfällig werden, das Prekariat liege ihnen auf der Tasche.
@ Arnold Voss (# 6)
Das deutet darauf hin, dass den Menschen die Arbeit keineswegs zum Bedürfnis geworden ist. Daraus den Schluss zu ziehen, mit diesen „mündigen Bürgern“ ließe sich eine Diskussion über niedrigere Arbeitszeiten führen, wäre jedoch m.E. verfehlt. Gehen sie doch deshalb „freiwillig“ zur Arbeit, um Geld zu erwerben.
Die ökonomische Rationalität des Lohnarbeiters heißt möglichst wenig Arbeit bei möglichst viel Geld. Seine Erfahrung mit „zufriedenstellender Arbeit“ heißt: längere Arbeitszeit. Denn die Bezieher höherer Einkommensarbeiten ja mehr als die niedrigen Einkommensgruppen.

Insgesamt sehe ich wenig Möglichkeiten, über „sozialistische Visionen“ zu diskutieren. Vielmehr ist durchaus die Bereitschaft vorhanden, über die vermeintliche Faulheit der Geringverdiener oder Hartz-Vier-Empfänger zu fabulieren; Westerwelle hat es nur extrem dumm angestellt.

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

@ Arnold Voss (6)
die Idee von der kürzeren Arbeitszeit hat hat bei den Anhängern der „ohne Moos nix los“-Theorie wenig Anhänger.
Viele Menschen können sich Freizeitvergnügen nur noch in Verbindung mit Geldausgeben vorstellen. Das war nicht immer so. Hier hat der Kapitalismus einen neuen Typ Menschen geschaffen. Durch Anreiz. Eine Leistung übrigens, die dem Sozialismus trotz Bemühungen, sie wollten ja immer einen besseren Menschen formen, nicht gelungen ist.
@Stefan
jetzt bin ich aber enttäuscht, denn bisher hatten die Gegner des Sozialismus doch immer argumentiert, daß der Sozialismus hauptsächlich, oder zumindest auch deshalb, zusammengebrochen ist, weil „die“ nie richtig gearbeitet haben!? Bei Dir klingt das ja jetzt so, als hätten „die“ mehr arbeiten müssen, als wir alle dachten.
Außerdem versuchts Du Westerwelle mit Argumenten zu rechtfertigen, die ihn geistig-moralisch auf eine Ebene mit den früheren Sozialsten erscheinen lassen, was Du vermutlich gar nicht willst. Oder holen sich die Neoliberalen jetzt doch da die eine oder andere Idee?

Malte
14 Jahre zuvor

Bei manchen Aussagen hier kann einem echt schlecht werden!

David Schraven
Admin
14 Jahre zuvor

Schöner, unbequemer Text.

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

@Malte:
Schlecht werden für sich allein ist noch kein echter Diskussionsbeitrag. Da fehlt noch was.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
14 Jahre zuvor

„Unbequem“ wäre der Text womöglich, wenn er auch zu Ende geschrieben wäre – wenn er benennen würde, wer sich heutzutage in der hier kolportierten Tradition des deutschen Arbeiter- und Bauernstaates zur „Arbeitspflicht“ bewegt (die üblichen Verdächtigen scheiden da ja eher aus, denn die sind allesamt „gegen Hartz IV“, gegen soziale Repressalien, und in Teilen sogar für ein bedingungsloses Grundeinkommen):
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,672311,00.html

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

@Dirk E. Haas
„wenn er benennen würde, wer sich heutzutage in der hier kolportierten Tradition des deutschen Arbeiter- und Bauernstaates zur „Arbeitspflicht“ bewegt “
Ich hatte ja schon angedeutet, daß der moderne Neoliberalismus da bei mir unter Verdacht geraten ist. Westerwelle macht m.E. genau das, was er sonst lautstark anprangert. Übrigens auch lautstark.

Arnold Voss
14 Jahre zuvor

@ Dirk
Dazu braucht man sich nur die Gruppen und Personen anschauen die zur Zeit auf die Erwerbslosen eindreschen:

Staatliche Beamte die nichts in die Sozialkassen einzahlen aber am meisten daraus erhalten.

Berufspolitiker die bislang noch nicht den Beweis erbracht haben, dass sie ohne ihre Partei auch nur einen müden Euro verdienen könnten.

Berufserben die gar nicht wissen was Arbeit unter kapitalistischen Marktbedingungen bedeutet.

Banker die mehr Geld versemmelt haben als alle Erwerbslosen zusammen den Staat je kosten könnten (Wobei letztere volkswirtschaftlich immerhin für Kaufkraft sorgen.)

Menschen die trotz hoher Einkommen keine Steuern zahlen, weil besagte hoch bezahlte Staatsdiener dafür sorgen.

Manager die trotz nachweislicher grober unternehmerischer Fehler mit gewaltigen Folgekosten nicht nur ihr Gehalt weiter bekommen sondern, wenn sie ertappt werden, obendrein noch gewaltige Abfindungen kassieren.

Journalisten die ihre Seele, sprich ihren Wahrheitsanspruch verkaufen, wenn es genug Geld dafür gibt.

Lehrer und Professoren die für ihren Job völlig ungeeignet sind, ihn trotzdem weiter machen (dürfen) und damit einen gewaltigen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten.

Mitglieder des öffentlichen Dienstes, die alle Nase lang krank feiern, weil sie es einfach dürfen und nicht weil sie wirklich krank sind und damit den Steuerzahler viel mehr kosten als sie einspielen.

Ärzte die die entsprechenden Krankenscheine wieder besseres Wissen ausfüllen, weil sie damit ihre Einnahmen steigern.

Kinder- und arbeitslose Ehefrauen gut verdienender Männer deren Lebensunterhalt nicht von ihren Gatten sondern über das Ehegattensplitting durch den Steuerzahler finanziert wird.

Usw. usw.

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

Obwohl diese angeführten Gruppen letztlich das gesamte System ruinieren, also allen hier lebenden Menschen schaden, vor allem denjenigen, die hart arbeiten und viel Steuern zahlen, also genau den Leistungsträgern, die immer wieder geschützt werden sollen, kommt die Diskussion darüber in den Medien, nie über Anfangsfragen hinaus. Da schlägt man lieber, in schlechter Tradition, auf Minderheiten ein. Heute Hartz4-ler, morgen auf andere. An dem Rezept hat sich seit dem Mittelalter nichts geändert. Selbst in der Antike, die Westerwelle offensichtlich ohne Geschichtskenntnisse bemüht, hat man schon so gehandelt. Siehe Nero.

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

Mein Beitrag 17 bezog sich auf den ursprünglichen Beitrag 16
von Arnold Voss. dieser ursprüngliche Beitrag hat sich aber verändert!
Da sind jetzt Gruppen dazugekommen, die ich nicht gemeint habe. Die drei letztgenannten Gruppen würde ich in diese Aufzählung nicht einbeziehen.
Dafür möchte ich ergänzen, daß die Justiz infolge ihrer vom GG geschützten Unabhängigkeit eine eigene Entwicklung vollzogen hat, die dazu führt, das es, aus meinem Kenntnisstand immer schwieriger zu werden scheint, Menschen mit großem Geldhintergrund, in der dem ihrem Delikt entsprechenden Härte zu bestrafen.

Arnold Voss
14 Jahre zuvor

Sorry Helmut Junge, da ist was parallel gelaufen. Aber auch die letzten drei Gruppen schädigen die Gemeinschhaft. Egal ob das jetzt gesetzlich erlaubt ist oder nicht.

Die Ironie der Geschichte ist, dass sich die größten Abzocker dieses System durch die Bank für eben diese Leistungsträger halten. Die Faulen sind eben immer nur die anderen. Und wenn reiche Nur-Ehefrauen in Charity machen, dann ist das subjektiv gesehen natürlich eine Leistung die gesellschaftlich nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Real erarbeitet wird die dabei ausgegebene Kohle allerdings oft von Menschen, die solche Personen nie zu Gesicht bekommen, geschweige denn zu Gesicht bekommen möchten.

Von denen werden ganz nebenbei auch die Konzert-und Opernhäuser und die Museen mehrheitlich subventioniert, die die sogenannte Leistungselite gerne besucht. Während die eigentlichen Förderer dieser Häuser gar nicht dazu kommen bzw. nichts mit deren Inhalten anfangen können.

Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde. Ich bin trotzdem dafür, dass diese Einrichtungen weiterhin subventioniert werden. Mir geht es nur um die Verlogenheit der aktuellen Debatte über die Transfergeldempfänger am unteren Ende der Umverteilungsskala.

Werner Jurga
14 Jahre zuvor

@ Helmut (# 18): Ich halte Deinen Hang zur politischen Korrektheit mitunter für etwas übertrieben.

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

Die größten Abzocker sind aber nicht die größten Leistungsträger, weder durch die Bank, noch einzeln.
Sie sind einfach nur Abzocker. Nur gelingt es ihnen weltweit, nicht nur hier, den eigentlichen Leistungsträgern, diesen Eindruck zu vermitteln, das sie, die Abzocker, für alle sorgen. Und sie haben eine gläubige Gemeinde. Früher wurde die Religion dafür mißbraucht die Herrschaft des Adels zu rechtfertigen. Das ist vorbei, aber trotzdem klappt es irgendwie.

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

Werner 20, wieso? Das ist hier eine sehr interessante Diskussion, mit vielen Gemeinsamkeiten unter den Teilnehmern, aber auch durchaus mit unterschiedlichen Ansichten, die ja auch diskussionsfähig sind.

so, so
so, so
14 Jahre zuvor

ich möchte noch darauf hinweisen, dass es doch gerade die FDP und CDU und deren Vorläufer (die SPD kam später hinzu) waren und sind, die eine Ökonomie geschaffen haben, die es erlaubt ohne Arbeit weitaus mehr zu bekommen als mit. Wer nur über ein hinreichend großes Eigentum an Produktionsmitteln, Grundeigentum oder Geld verfügt kann hier ohne Arbeit ein zigfaches bis zigtausendfaches erhalten als irgendjemand der arbeitet. Daß dies eine Entscheidung des Staats ist, das zeigt doch zumindest der Beitrag von Stefan Laurin. Eigentum in der genannten Form gibt es nur auf Grundlage des staatlichen Zwangs dieses zu respektieren. Und auf dieser Grundlage können die Eigentümer doch die Eigentumslosen (am genannten Eigentum) „erpressen“ (was keineswegs strafbar ist). Von wegen Leistung zählt. Ein Arbeiter der das Vielfache produziert als vor 50 Jahren wird doch kaltschnäuzig durch einen Billigeren ersetzt, sofern dies möglich ist. Oder er wird mit der Tatsache konfrontiert, dass es einen Billigeren gibt und er deshalb ein niedrigeres Gehalt/Lohn zu akzeptieren hat oder/und mehr Leistung zu bringen hat. Und die „Erpressbarkeit“ nimmt natürlich auch damit zu, dass die Arbeitslosen, die hauptsächlich durch die Kalkulationen der Eigentümer entstehen, weniger bekommen und mehr Repressalien unterliegen. Also von wegen Herr Westerwelle ergreift Partei für die Arbeitenden!

Arnold Voss
14 Jahre zuvor

@ Helmut Junge (21)

Da bin ich ganz ihrer Meinung, Helmut Junge. Aber ich sehe das weniger moralisch oder persönlich. Mir geht es mehr um die Fakten hinter dieser Diskussion die Leute wie Westerwelle einfach nicht zu Kenntnis nehmen wollen.

Wir alle neigen dazu, unseren persönlichen Vorteil zu suchen. Wir sind nur nicht bereit, darüber offen zu reden und schieben gerne diese negative aber doch überlebenswichtige Seite des menschlichen Charakters auf andere.

Im Einzelfall mag es sogar Motive dafür geben, die auch gesellschaftlich nachvollziebar sind. Wenn z.B. ein Arzt das Krankspiel seines Patienten mitmacht, weil er sonst seinen Laden dicht machen müsste. Auch das Krankspiel selbst mag beim Patienten psychische Gründe haben, also nicht reine Abzocke sein. Aber am Ende ist das System nicht mehr bezahlbar.

Es ist deswegen der Staat, bzw. der Bürger als Souverän und Kollektiv, der per Gesetzt dafür zu sorgen hat, das individuelle und gruppenbezogene Abzocke so weit als möglich eingeschränkt wird. Und da genau beißt sich die Katze in den Schwanz. Im Parlament sitzen nämlich eine Menge Leute die mit dem bestehenden System der unfairen Umverteilung aus persönlichen Gründen einverstanden sind.

Ein Spitzenprodukt dieser klammheimlichen Verantwortungslosigkeit ist das Ehegattensplitting, dass sie ja partout nicht zur Abzocke zählen wollen. Nach der Logik von Herrn Koch, der für staatlliche Transferleistungen bei Hartz4-Empfängern aus „Abschreckungsgründen“ auch eine gesellschaftliche Gegenleistung erwartet, müssten aber alle staatlich finanzierten Ehepartner ebenfalls zu öffentlichen Arbeit gezwungen werden dürfen. Nicht zuletzt weil die meisten von ihnen auch psychisch und physisch dafür in bester Kondition sind.

Sie bekommen wie gesagt ihren Unterhalt de Fakto vom Steuerzahler, arbeiten aber in Ermangelung einer Berufs- und Erziehungstätigkeit nur ganz privat und ganz persönlich für ihren anderen Ehepartner, was immer man darunter verstehen mag. Das ist eindeutig keine gesellschaftliche Gegenleistung im Sinne des hessischen Ministerpräsidenten, oder?

Fair dagegen wäre, wenn, wer so jemanden zu Hause haben will, ihn auch selbst bezahlt.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
14 Jahre zuvor

Ach, einerseits ist es so unendlich simpel, dass es fast wehtut: schlichter Klassenkampf von oben, der working poor gegen Erwerbslose ausspielt (plus ein bisschen ideologischer Überbau à la Sloterdijk, von dem Westerwelle im Übrigen sein Sozialismusbild haben dürfte: https://www.cicero.de/97.php?ress_id=6&item=4370).

Andererseits sind natürlich auch ein paar grundsätzlichere Fragen berührt: Wie organisiert man eine Volkswirtschaft (nehmen wir mal den Begriff), in der gegenwärtig eine große Zahl von Menschen nicht mehr fürs Produzieren (vulgo: Arbeiten), sondern bestenfalls fürs Konsumieren „gebraucht“ werden? Der Job der/des Erwerbslosen heißt dann bis auf weiteres: Mach Dich nützlich, sei Konsument! Dafür wird er/sie bezahlt: Die Hartz IV-Milliarden z.B. sind ja nichts, was dem Wirtschaftskreislauf via überspannter Mildtätigkeit verlustig ginge, sondern sie fließen als Konsumausgaben nahezu 1:1 in die „Volkswirtschaft“ zurück (die Sparquote eines durchschnittlichen ALGII-Empfängers dürfte zu vernachlässigen sein). Diese Rationalität ist Koch, Westerwelle und wie sie alle heißen nicht ganz geheuer; offensichtlich leiden sie darunter, dass sich Ideologie und Praxis kapitalistischer Warenwirtschaft ein bisschen auseinander entwickeln.

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

@Arnold Voss (24)Hab jetzt etwas länger gewartet, damit nicht wieder was parallel läuft. Jetzt ist das Thema Ehegattensplitting dazugekommen. Darauf bin ich nicht vorbereitet, würde aber nicht kneifen wollen. Brauche da allerdings etwas Zeit, um darüber nachzudenken. Nebenbei und vorab:
Werden nicht alle Verheirateten nach der Splittingtabelle veranlagt?
Was Koch betrifft, habe ich schon häufiger gedacht, daß seine „Ideen“ selbst hohen Abschreckungscharakter haben.
Was den angedachten Artzt, der das Krankspiel seines Patienten mitmacht, betrifft, bin ich nicht fähig, sowas zu erkennen. Da gibt es vermutlich viele Vorgesetzte, die sich das zutrauen.
Immerhin bin ich mit 8 von 11 Bemerkungen in Ihrem Beitrag (16)spontan einverstanden und was die anderen betrifft, bin ich uninformiert und habe mir noch keine Meinung gebildet.
Ich finde, daß das durchaus ein hoher Grad der Übereinstimmung ist.
Aber nachdenklich gemacht hat mich Ihr Satz „Aber ich sehe das weniger moralisch oder persönlich. Mir geht es mehr um die Fakten hinter dieser Diskussion….“
Ich glaube, das ist bei mir anders, und ohne ein moralisches Konzept läßt sich kein menschliches Zusammenleben gestalten, auch, wenn solche Konzepte selber dem Wandel der Zeiten unterliegen.

Werner Jurga
14 Jahre zuvor

@ Stefan (# 25):
Schön, dass Du noch einmal auf Deine Ursprungsthema zurückkommst. Ich wollte nämlich noch Friedrich Engels zitieren: „Der Kapitalismus hat auch Schattenseiten.“

so, so
so, so
14 Jahre zuvor

@stefan

na ja, das Urteil selber bestreiten sie ja nicht. Und dass dies durch den Willen der Mehrheit legitimiert ist, halte ich für etwas übertrieben. Legitimiert ist es durch die rechtssetzende Instanz – und diese ist der Staat/die Poltiker – schliesslich gibt es keine direkte Demokratie. Die Mehrheit mag zugestimmt haben, ok. Nur warum soll das an dem Fakt etwas ändern? Es ist sowieso eine recht merkwürdige Art eine Sache ja nach dem Verfahren zu beurteilen, nach dem sie zustande gekommen ist. Ich könnte Ihnen auch noch andere Sachen nennen, die einst von der Bevölkerung „legitimiert“ wurden. Und eigentlich würde ich ja umgekehrt verfahren – ich würde das Verfahren nach seinem Ergebnis beurteilen und nicht das Ergebnis nach dem Verfahren. Außerdem denke ich mir, dass die Zustimmung der Mehrheit schon über jede Menge – sagen wir – Unwahrheiten hergestellt wird. Und was den Wohlstand betrifft: Was verstehen sie denn darunter? Nur apodiktisch hinschreiben ist ja so, hm, nicht gerade überzeugend. Und für den Fall des Erkenntnisgewinns qua Vergleich, wie sie dies ja andeuten: Weshalb ist das, dass es Menschen mit zwei kaputten Beinen gibt, ein Grund ein kaputtes Bein gut zu finden? Das Maß für Wohlstand sind ja vielleicht doch die jeweils vorhandenen Bedürfnisse und der vorhandene Reichtum in einer Gesellschaft und nicht das Elend von Menschen anderswo und zu andrer Zeit, die von modernen Produktionsmitteln ausgeschlossen sind/waren.Wobei komischerweise in der früheren DDR nach allgemeinem Konsens allemal Armut herrschte, obwohl es genug zu essen, Bildung und Kultur, eine Wohnung und sogar ab und zu Urlaub gab und noch einiges mehr. Da half ihr der Vergleich gar nichts.

so, so
so, so
14 Jahre zuvor

@stefan

und noch was: Komischerweise argumentieren Sie ja in einem anderen Blogbeitrag, dass man nicht sagen kann, was Armut ist. Nur wenn das nicht geht, wie können sie sagen, was Wohlstand ist (kleine Dialektik)?

so, so
so, so
14 Jahre zuvor

@stefan #31

das ist jetzt aber eine merkwürdige Logik. Weil es in den Industrieländern fast nur noch relative Armut gibt, leben wir auf einem relativ hohen Wohlstandsniveau? Also, wenn dann auf einem gewissen Armutsniveau, oder? Es ist doch merkwürdig, daß gar nicht das Zeigen auf Wohlstand (von dem ich immer noch nicht weiß, was der für Sie ist) für Sie beweist, dass wir im Wohlstand leben, sondern der Verweis auf das Fehlen absoluter Armut. Und dies ist ja nicht mal Resultat der Ökonomie, sondern des staatlichen Eingriffs. Für sich würde diese „wohlstandsproduzierende“ Ökonomie glatt jede Menge Menschen, selbst in Industrieländern, über die Wupper gehen lassen. Und zwar weil sie das Interesse der Eigentümer nicht bedienen, ihr Eigentum zu vermehren.Und dort wo der staatliche Eingriff fehlt geschieht das ja auch de facto – durchaus als Folge des Anspruchs der Eigentümer auf Vermehrung. Dort wo dieses Interesse nicht bedient wird, obwohl ja die dafür notwendigen sachlichen (Produktions-)mittel vorhanden sind. Lieber wird dann noch etwas in Lebensmitteln spekuliert, was dann die Preise treibt und nochmal einiges Elend bringt. Und das soll man nicht besser machen können? Auf den Beweis wäre ich auch noch gespannt.

so, so
so, so
14 Jahre zuvor

@stefan #33
ja gut, dann ist das ja geklärt. Weil mehr als das Lebensnotwendige zu haben ist für mich nicht Wohlstand! Wohlstand steht für mich im Verhältnis zu den jeweils entwickelten Bedürfnissen, die man hat. Und da der Mensch nicht nur Überleben will (und das nicht erst seit dem Kapitalismus) sondern im Normalfall weit darüber hinausgeht, ist das für mich kein Kriterium. Wer sich seine Bedürfnisse befriedigen kann, der lebt im Wohlstand. Das sieht wikipedia übrigens auch so ungefähr „Umgangssprachlich ist mit Wohlstand gemeint, dass jemand mehr als normal Geld besitzt bzw. dass es ihm in materieller Hinsicht an nichts mangelt.“ Stichwort „Wohlstand“. Und dass gespart wird, heisst auch noch nichts. Da kommt es eben darauf an, ob das aus dem Überfluß heraus geschieht oder ob es ein Abknapsen ist mit allerlei Beschränkungen. Selbst ein Hart-IV-Empfänger soll ja sparen. D.h. auch relative Armut und Wohlstand sind für Sie eins. So kann man es natürlich machen. Einfach in einer der reichsten Gesellschaften der Welt, Wohlstand neu nach unten definieren und schon ists geschafft. Dass den sozial Schwachen nur über eine starke Ökonomie geholfen werden kann, na ja. M.E. ist es so, dass diese Ökonomie die sozial Schwachen im Großen Ganzen erst schafft. Arbeitslosigkeit fällt ja zum Beispiel nicht vom Himmel, sondern ist Resultat einer bestimmten Ökonomie. Niedriglöhne ebenso. Krankheit fällt ebenso oft genug nicht vom Himmel. Und daß nach einem langen Arbeitsleben nichts fürs Alter bleibt, hat ja vielleicht auch mit den gezahlten Löhnen und die mit den Machtverhältnissen in der Ökonomie zu tun. Es ist doch eher so, daß eine Ökonomie um so stärker ist je mehr an Gewinn es gibt und damit je weniger Lohn/Gehalt.
Und dass der Konsument kein bestimmtes Interesse hat, habe ich nie behauptet. Nur dass der Konsument nur zum Konsumenten wird, falls er genügend Geld hat und wegen des Eigentums schauen kann wo er bleibt (wie gesagt bis zum Verhungern) falls dies nicht der Fall ist. Dabei könnte einem ja auch auffallen, dass hierzulande der Ramsch zum Massenkonsum gehört und das edle Teil bei Manufactum, bretz etc. zu haben ist. Und auch in 3ZKDB lebt der Mensch im Normalfall nicht, weil es ihm so toll gefällt, sondern weil mehr nicht drin ist. Das „gute“ Produkt ist halt im Normalfall den besseren Kreisen vorbehalten. Es muß schon billig sein, bevor der (Zucht-)lachs in den Massenkonsum kommt. Und dass wir alle Marktteilnehmer sind, ist für den der zu einem überangebot gehört, keine schöne Sache. Für denjenigen der seine Arbeitskraft verkauft erst recht nicht, weil er ja nicht einfach – wie das sonst geschieht – seine Produktion einstellen kann. Und dass es ein Überangebot gibt, dafür – zum Schluss – sorgen wieder die Eigentümmer mit ihrem Arbeitslohnsparstandpunkt. Damit dass Löhne und Gehälter Resultat von Angebot und Nachfrage sind, ist auch gesagt (vermutlich unfreiwillig), dass sie nicht abhängig von der Leistung oder der roduktivitätsentwicklung sind. Im Gegenteil! Je höher die Produktivität, desto weniger Produzenten werden gebraucht, desto größer das (Über-)angebot daran und deshalb desto niedriger der Preis.

so, so
so, so
14 Jahre zuvor

Ergänzung noch dazu: Letzteres ist eine Tendenz, die durch ein entsprechendes „Wachstum“ auch mal ausgesetzt werden kann. Nur kommt dieses Wachstum auch nicht immer und erst recht nicht in der entsprechenden Höhe zustande, so daß am Ende doch eine immer größere Reservearmee bleibt (oder wie unsere Ökonomen so schön sagen: Von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus steigt die Sockelarbeitslosigkeit). Bis dahin dass ein Teil des Volkes zur überbevölkerung erklärt wird.

so, so
so, so
14 Jahre zuvor

@stefan

Gott ja, jetzt kommen die ganzen Albernheiten. Jetzt sind sie da gelandet nach der Alternative zu fragen, wo ich stets nur Urteile über die derzeitige Gesellschaft vorgebracht habe, von der sie etwas ganz Anderes behauptet haben als ich. Also widersprechen sie meinen Urteilen über die Sache nicht. Viel übriggeblieben ist von ihren Argumenten also nicht! Vielleicht könnten wir ja das mal festhalten. Sie korrigieren sich also entsprechend? Dafür braucht es ja keine Alternative, weil ja diese Urteile ganz unahängig von der Alternative wahr oder falsch sind. Dann können wir ja auch über die Alternative reden ;-).
Was die Qualifikation betrifft: Es gibt inzwischen – und schon lange – jede Menge de-facto-arbeitslose Akademiker. Auch hier gibt es einen Überschuss an Arbeitskräften. Nur dass die „überschüssigen“ Akademiker halt meistens die weniger Qualifizierten verdrängen. soweit es solche gibt. Und bitte bei Ihren Marx-Kenntnissen wäre ich schon ein bisschen vorsichtig! Bitte sagen Sie mir doch, wo Marx im Kapital eine absolute Verelendung prognostiziert. warum es für mich „blöd“ ist, dass Marx halt irgendwo etwas Falsches geschrieben hat, würde mich schon interessieren. Und es ist immer schön auf Realisten zu treffen, die einem Märchen über die Wirklichkeit erzählen – wie zum Beispiel dass Bildung und Kinderbetreuung dafür sorgen, daß Wohlstand einkehrt (s.o.). Da wird halt wieder ein neues Versprechen kreiert (nach „Wohlstand für alle“), das aber mal gleich offensiv zugibt,daß ein großer Teil der Menschen – nämlich die „Ungebildeten“ – von ihm ausgeschlossen sind. Wer hier – freundlich gesagt – Träumereien in die Welt setzt, sind Sie doch!

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

@ Helmut Junge (27)

Was das Ehegattensplitting betrifft, gilt es zwar für alle wirkt sich aber ganz verschieden aus. Wenn der Ehepartner gleich viel verdient, gibt es keinen Vorteil. Wenn jedoch ein Ehepartner überhaupt nicht erwerbstätig ist, gibt es den größten Vorteil, wobei dieser proportional zum Einkommen des verdienenden Partners zunimmt.

Am meisten staatlich gefördert werden dadurch nichtberufstätige Ehepartner von Hochverdienern. Diese Förderung wird, und das ist das gesellschaftlich wirklich absurde,vom Staat über Steuernachlass völlig unabhängig davon finanziert, ob die Ehepartner Kinder haben. Genau diesen Fall meine ich in meiner Aufzählung. Und ich durfte es sogar live erleben, wie eine solches Ehepaar sich über die Abzocke der „Unterschicht“ aufspulte.

Was die Moral betrifft, so kommt sie, wenn überhaupt, von Innen. Sie kann niemanden von außen aufgezwungen werden. Wenn überhaupt ist sie beigebracht und anerzogen. Deswegen akzeptiere ich, dass Menschen, wie z.B. dieses Ehepaar die ihnen gesetzlich gebotenen oder einfach nicht geregelten Priviliegien auch ausnutzen. Ich mach ihnen daraus keinen persönlichen Vorwurf. Es kann sogar, wie im Fall der ehrenamtlichen Tätigkeit eines nicht berufstätigen und kinderlosen Ehepartners, dabei eine Menge für die Gesellschaft heraus kommen.

Dankbar muss die Gesellschaft jedoch dafür nicht sein, denn sie zahlt über die Steuern solche Personen indirekt für ihre Arbeit. Da aber keineswegs alle Menschen in dieser privilegiertn Situation zur ehrenamtlichen Rückgabe ihrer Vorteile an die Gesellschaft neigen, die sie ihnen finanziert, ist es besser dieses Privileg gesetzlich einzuschränken oder besser ganz abzuschaffen.

Begründet wird es übrigens mit der Förderung der Ehe als solcher und wird vor allem von denen bezahlt, die nicht verheiratet sind bzw. von Ehepartnern die beide arbeiten bzw. arbeiten müssen. Und es ist eine irre Menge Geld, die stattdessen bessen in die Kinder aller gesteckt werden sollte. Egal ob deren Eltern verheiratet sind oder nicht.

HelmutJunge
HelmutJunge
14 Jahre zuvor

@ Arnold Voß

Das Ehegattensplitting stammt aus der Zeit, als kinderlose Ehen nur marginale Bedeutung hatten. Heute ist das anders. Das könnte Grund genug sein, über diese Art der Familienförderung neu nachzudenken. Der Grund, den Sie als Hauptgrund nennen, nämlich die überproportionale Förderung derjenigen Bevölkerungsgruppen, die besonders hohe Einkommen haben, war bei Schaffung dieses Gesetzes schon so vom damaligen Gesetzgeber gewollt. Dieser Fakt ärgert mich genauso wie Sie. Wenn Sie das abschaffen wollen, finden Sie ihn mir einen Verbündeten.
Die Förderung der Ehe ist aber ein komplizierteres Thema, weil Kinder fast ausschließlich in ehelichen Verhältnissen gezeugt werden. Noch jedenfalls. Und ich bin überzeugt, daß eine Gesellschaft ohne Kinder, und große Investitionen in deren Ausbildung, keine Überlebenschancen auf lange Sicht hat.
An dieser Stelle werden sie vielleicht einwenden, dass alle Ehen gefördert werden, auch die, die kinderlos geblieben sind. Jetzt muss ich einen Satz schreiben, für den ich schon häufig und schon sehr lange von befreundeten Ehepaaren heftig attackiert wurde. Ich bin nämlich der Meinung, daß Ehen, die nach einem gewissen Zeitraum von einigen Jahren, noch kinderlos sind, diese Förderungen automatisch entzogen werden sollten. Dieses Geld, das dadurch gespart wird, sollte denen zu kommen, die, in welcher Lebensform auch immer, Kinder großziehen. Die Frist von einigen Jahren halte ich für angemessen, weil ein junges Paar, das beabsichtigt, Kinder in die Welt zu setzen, normalerweise erst einmal eine Basis für seine eigene gesicherte Existenz aufbauen muss. Bisher habe ich allerdings für diesem Vorschlag noch nie Zustimmung erhalten.
Ich denke, dass diejenigen, die Kinder großziehen, einen wichtigen Beitrag für alle leisten, dafür aber mit unendlich vielen persönlichen Einschränkungen leben müssen. Der Rest der Gesellschaft profitiert von der Leistung dieser Personengruppe und sollte dafür mindestens einen finanziellen Ausgleich schaffen.

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

@ Helmut Runge (27)

Was die Abzocke durch Krankfeiern betrifft, ist die Grauzone natürlich groß. Ich bin kein Arzt aber Ärzte kennen diese/ihre diesbezüglichen „Pappenheimer“ sehr wohl. Und die Kollegen kennen sie meistens auch, sprechen aber nicht gerne darüber, obwohl es letztlich auch auf ihre Kosten geht.

Als ich in einer Berliner Zeitung las, dass der Krankenstand an den Berliner Schulen im Durchschnitt bei 20% liegt sind mir allerdings die Augen ausgefallen. Erst recht als ich vor kurzem in einer nationalen Zeitung gelesen habe, dass jeder Deutsche 18! mal im Jahr im Durchschnitt! einen Arzt aufsuchen.

Ich schließe daraus, dass auch hier eine sehr unfaire Umverteilung zu Ungunsten derer stattfindet, die nur dann zum Arzt gehen, wenn sie ihn wirklich brauchen. Und ich vermute begründet, dass es auch hier um eine irre Menge Geld geht. d.h. insgesamt um Summen im Milliardenbereich geht.

Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

@Arnold Voß(40)
Da liegen Sie wohl falsch. Der Krankenstand in Deutschland ist seit Jahren ständig gesunken und liegt bei etwa 3,5%
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lebowski
lebowski
14 Jahre zuvor

Es gibt Etwas, worüber man sich niemals Gedanken machen darf: über den Sinn und Zweck einer Arbeit. Arbeit ist per se etwas Gutes. Und selbst der Zuhälter oder der Investmentbanker sind mit ihrer gemeingefährlichen Tätigkeit besser angesehen als der Faulenzer, der nichts tut. Und was das angeht, gibt es die ganz große Koalition: von den Stalinisten über den Liberalen bis zu den Nazis („Arbeit macht frei“).

Jens Kobler
14 Jahre zuvor

@lebowski: Bitte? Also, ich hab das von den Faschos immer als Zynismus verstanden: a) Die Menschen im Lager, also die Zwangsarbeiter, kamen natürlich nicht durch ihre Arbeit frei, wenndann blieben sie (etwas länger) am Leben. Und b) auf einer anderen Ebene vielleicht noch (obwohl ich nicht weiß, ob die Herrschaften dazu fähig wären) so etwas wie „Schuftet Ihr mal schön, wir haben durch Unterwerfung unter das Regime einen Status erreicht, wo wir Euch beim Arbeiten zusehen können.“
Was aber generell richtig ist: Wer andere dazu bringt, für jemand anderes (auch Nation, Ideologie, Profit – der Konflikt reicht ja bis in Partnerschaften/Familien) zu arbeiten, und mehr und länger als gewollt (oder dazu erzieht, so leben zu wollen), hat damit natürlich ein großes Plus an Macht und Einfluss.
Ich wundere mich auch immer, warum Arbeitszeitverkürzungen anscheinend das Schwierigste auf der Welt sind. Ich schätze, das ist von vielen Arbeitnehmern nicht gewollt, die sind nicht emanzipiert. Und das System hier, selbst in den Job Centern, zielt nunmal immer noch auf „40h an die Schüppe“.
Tja. Die Angst vor der Freizeit. Der Zwang zum Konsum. Abends und am Wochenende mit ein bisschen Status wedeln, und dafür den Rest der Zeit natürlich total zufrieden mit dem Job sein. Ich erinnere mich vage an diese Zeiten in meinem Leben.

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