Zeitreise am Kanal in Waltrop – das Alte Schiffshebewerk Henrichenburg

Das Alte Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop im Mai 2025. Foto(s): Robin Patzwaldt

Wer glaubt, Technik sei trocken und Stahlherzen könnten nicht schlagen, war noch nie am Alten Schiffshebewerk in Waltrop. Zwischen Dortmund und Datteln, wo der Rhein-Herne-Kanal und der Dortmund-Ems-Kanal sich gute Nacht sagen, steht ein wahrer Koloss der Ingenieurskunst – und erzählt Geschichten aus einer Zeit, als Dampfkraft und Muskelarbeit Deutschland ins Industriezeitalter katapultierten.

1899 wurde das Hebewerk feierlich eröffnet – mit Kaiser Wilhelm II. persönlich am Steuer. Naja, fast. Er durfte einen Knopf drücken, das erste Schiff glitt majestätisch nach unten, und der Kaiser war zufrieden. Verständlich, denn das, was damals als technische Sensation galt, ist auch heute noch ein echtes Wunderwerk. Ganze Schiffe – bis zu 1000 Tonnen schwer – wurden in einem riesigen Trog binnen weniger Minuten um rund 14 Meter gehoben oder gesenkt. Und das ganz ohne Motoren, nur mit Wasserkraft und einem physikalischen Trick namens „Verdrängung“.

Heute hebt sich hier nichts mehr – zumindest keine Lastkähne. Stattdessen erhebt sich das Alte Schiffshebewerk Henrichenburg als lebendiges Museum der Industriekultur. Wer das Gelände betritt, spürt sofort: Hier wurde malocht, aber auch getüftelt, geschwitzt – und gestaunt. Die alte Maschinenhalle ist ein Kathedralentraum aus Stahl und Glas. Zahnräder groß wie Traktorenräder, Kolben, Hebel, Schrauben – alles glänzt, knarzt und erzählt vom Erfindergeist der Jahrhundertwende.

Für Nostalgiker ist das ein Paradies: Dampfschiffe liegen am Kai, auf dem Gelände tuckern historische Zugmaschinen, und wer mag, kann im Original-Fahrstand des Hebewerks den Blick über das Wasser schweifen lassen. Kinder toben durch nachgebaute Schleusen, Erwachsene machen große Augen bei den Führungen, und wer das Glück hat, einen der Veteranen aus dem Förderverein zu erwischen, bekommt Geschichten serviert, die nicht im Museumsheft stehen.

Das hier ist kein Ort, den man „mal eben“ mitnimmt. Er ist eine Einladung zum Innehalten und Entschleunigen – zwischen rostigem Charme, monumentaler Baukunst und der leisen Melancholie vergangener Arbeitswelten. Und spätestens, wenn die Abendsonne durch die Fenster der Maschinenhalle fällt und das Stahlgerippe in goldenes Licht taucht, wird klar: Technik kann sehr wohl Herz haben.

Also: Auf zum Alten Schiffshebewerk in Waltrop. Und wer weiß – vielleicht hört man ja doch noch ein leises Knarzen im alten Trog.

 

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