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Säulen der Macht: Wie wird die CDU sich in Zukunft aufstellen?

Säulen der Macht?
Angela Merkel hat die Macht der CDU auf zwei Säulen gestellt – die Asymmetrische Demobilisierung und den Großkoalitionären Zentrismus. (Photo by Micheile Henderson on Unsplash)

Personaldebatten sind wichtig, Inhalte auch. Aber wenn Macht verteilt wird, geht es allem voran um diese eine Frage: Wer oder was sorgt dafür, dass möglichst viele Parteimitglieder in Mandat oder Funktion kommen. Daran ist, um es gleich zu sagen, überhaupt nichts verwerflich, vielmehr garantieren solche Eigeninteressen den für die Demokratie essentiellen parteipolitischen Wettbewerb. Von unserem Gastautor Philipp Mauch.

Wenn vom „System Merkel“ in nicht herabsetzender Absicht die Rede ist, dann meint das die Art und Weise, wie Angela Merkel dafür gesorgt hat, dass die CDU möglichst viele Mandate bekommt und Funktionen besetzen kann. Was das angeht, hatten alle Parteivorsitzenden, die auch Kanzler(in) waren, so ein System. Selbstverständlich gab es ein System Schröder, ein System Kohl, ein System Schmidt und so weiter und so fort. Auch daran ist überhaupt nichts verwerflich, solange es einigermaßen transparent und berechenbar zugeht.

Richtungsfragen sind deshalb vor allen Dingen Machtfragen. Denn ohne Macht keine Stabilität und ohne Stabilität keine Richtung. Kurz: Erst die Macht, dann die Richtung. Angela Merkel hat die Macht der CDU auf zwei Säulen gestellt – die Asymmetrische Demobilisierung als Technik der Akkumulierung von Macht und den Großkoalitionären Zentrismus als Technik der Machtausübung. Die asymmetrische Demobilisierung als Technik der Akkumulierung von Macht kennt jeder. Dabei wurde die SPD weitestgehend aus der Mitte verdrängt unter billigender Inkaufnahme des Entstehens der AfD. Denn das Aufkommen rechter Fundamentalopposition hatte lange erst Recht dafür gesorgt, dass trotz sinkender Zustimmungswerte nicht mehr gegen die Union regiert werden konnte.

Die zweite Säule

Weil genau das in Hessen zumindest nicht mehr einwandfrei funktioniert hat, ist diese Säule weggefallen. Wie schnell das gehen kann, hat man an Volker Bouffier sehen können, der kurz nach der Wahl von der Seite der Kanzlerin wich, an der er bis kurz zuvor felsenfest gestanden hatte. Auch das hat nichts mit Opportunismus zu tun, sondern zeigt schlicht und ergreifend die Mechaniken hinter demokratisch legitimierten Machtverschiebungen.

Die zweite Säule des „Systems Merkel“ ist weniger bekannt, zumal es dafür auch kein so griffiges Schlagwort gibt und sich eben diese Begriffsschöpfung – Großkoalitionärer Zentrismus – bisher auf Grund von Unmaßgeblichkeit nicht durchsetzen mochte. Gemeint ist damit jedenfalls der Regierungsstil als Technik der Machtausübung. Angela Merkel hat offensichtlich erkannt, dass eine Polarisierung zwischen zwei großen Volksparteien in zweierlei Hinsicht sehr ineffizient sein kann: Erstens auf Grund der grundsätzlichen Überlegenheit linker Oppositionsparteien in den Medien beziehungswiese im öffentlichen Diskurs. Auch das ist, wenn man genauer darüber nachdenkt, in westlichen Demokratien eigentlich nicht ungewöhnlich oder Anzeichen eines eklatanten Demokratiedefizits (aber ein anderes Thema).

Viel schwerer wiegt aber zweitens die Ineffizienz, dass das Regieren gegen einen Bundesrat ohne eindeutige Mehrheiten oder einer A-Länder-Mehrheit mit SPD geführten Regierungen sehr, sehr schwer ist. Zumal, wenn einem im Vermittlungsausschuss die ganze Zeit eine selbstbewusste Bundestagsfraktion im Nacken sitzt. Das zentrale Kalkül des Großkoalitionären Zentrismus ist also, dass die Macht mittels einer Großen Koalition mit dem politischen Hauptgegner im Bundeskanzleramt zentriert wird. Es lässt sich nämlich viel leichter regieren, wenn die Parteivorsitzenden untereinander klären, was zu tun ist und die Kabinettsmitglieder, Ministerpräsidenten und Fraktionsvorsitzenden nur noch folgen müssen. Und solange dieses System dafür sorgt, dass die meisten ihre Mandate und Ämter behalten, wird es eben mitgetragen. Nicht vergessen: Die CDU hat bei der letzten Bundestagswahl trotz allem die überwiegende Mehrheit der Direktmandate gewonnen.

Wie weiter mit dem System Merkel?

Diese zweite Säule ist vor der ersten mit der Wahl von Ralph Brinkhaus weggebrochen. Der hat sich bezeichnender Weise kein Richtungsetikett – Mitte oder konservativ -umhängen lassen, sondern mit dem Satz „Die Fraktion ist der Star“ nicht weniger als eine fundamentale Systemkritik am Großkoalitionären Zentrismus geübt. Das wiederum erklärt die eisige Miene der Kanzlerin nach seiner Wahl. Eigentlich hätte man ja denken müssen, dass die geschickte Technikerin der Macht sich auch mit einem neuen, nicht übermäßig charismatischen Fraktionsvorsitzenden arrangieren wird können. Aber der Wechsel hat eben das System Merkel als solches sehr grundsätzlich – und also zunächst in ganz unpersönlicher Weise – in Frage gestellt.

Der Richtungsstreit in der Union dreht sich also im inneren der Partei um die Frage, ob das System Merkel mit einem starken Machtzentrum fortgesetzt werden soll, oder ob die Macht wieder breiter über alle demokratischen Institutionen sowie innerhalb der Partei verteilt wird. Bisher hat die Union ihren Machterhalt darauf begründet, dass sie sich insbesondere in der Person Merkels sehr zurückgenommen hat. Das hat die linken Koalitionspartner beruhigt und der Partei bis dahin ungekannte Sympathien in Medien und breiter Öffentlichkeit eingebracht.

Die Alternative zum System Merkel besteht nun darin, dass die Partei wieder mehr, wie es heißt, „eigenes Profil“ oder „Markenkern“ zeigt und insgesamt selbstbewusster auftritt. Profil oder Markenkern heißt dabei nicht, wie oftmals irrig angenommen wird, zurück zum Programm der 80er, sondern mehr demokratische Durchlässigkeit zwischen Basis und Führung. Im Zuge einer Umverteilung der Macht von oben nach unten würde die inhaltliche Ausrichtung automatisch konservativer werden, ganz einfach, weil der hier kalkuliert geübte Verzicht wegfällt. Aber das heißt nicht, dass die Union eine konservative Partei wird, denn so großartig der Konservativismus auch sein mag, alleine ist er nicht mehrheits- oder koalitionsfähig.

Everybody’s Darling?

Die Vorstellung, es gäbe eine konservative oder gar rechte Mehrheit, die mit geballten Fäusten auf das Ende der Ära Merkel gewartet hat, ist nämlich eine Illusion und reflektierte Parteistrategen wissen das auch – selbst in der AfD. Jedenfalls werden sich die Delegierten auf dem CDU-Parteitag genau überlegen, wie kalt und unfreundlich das politische Wetter jenseits der schützenden Hände der Kanzlerin – daher „Mutti“ genannt – sein kann. Dieses Bild ist gar nicht gehässig gemeint, sondern erkennt eher die Leistung Merkels an, die Union erfolgreich in der Mitte des so genannten Mainstreams positioniert zu haben.

Als Laie wünscht man sich natürlich, dass Politik im Wettstreit großer Ideen und Visionen die Richtung vorgibt. Aber wer ehrlich ist, muss zugeben, dass man auf diesem Wunsch schon allein deshalb keine realpolitische Macht ausüben kann, weil romantisch veranlagte Wähler, wenn es ernst wird, immer viel zu schnell von der Fahne gehen. Auch ich persönlich fände es zwar sehr wichtig für die Demokratie, wenn die Union wieder mehr Programmatik wagen und versuchen würde, damit die absolute Mehrheit anzustreben. Allerdings kann so ein langer Atem realistischer wohl nicht so schnell erwartet werden. Schließlich haben alle Seehofer und die CSU als mahnendes Beispiel vor Augen, wie es sich trotz einer so genannten bürgerlichen Mehrheit anfühlt, wenn man nicht Everybody’s Darling ist.


Zuerst erscheinen im Blog des Autors, Variationen der Alternativlosigkeit: „Zum Richtungsstreit in der Union (III): Worum es wirklich geht – Macht”

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1 Kommentar
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ke
ke
5 Jahre zuvor

Die Zeit Merkel verbinde ich auch damit, dass die Minister der Regierung eigentlich gar nicht aufgefallen sind. Mutti ist Chef und kümmert sich um alles.
Wenn mit dieser Strategie die Versorgung gesichert wird bzw. auf neue Personenkreise ausgeweitet wird ist diese Strategie erfolgreich.

Sie passt aber gar nicht mehr zu dem, was insbesondere jüngere Menschen heute von Organisationen und Führungskräften erwarten. Wenn die Erfolge ausbleiben, fallen auch die Anhänger, die bisher dank eigener Karrieren unterstützt hatten.
Links, sozial, rechts konservativ, liberal. Interessiert das wirklich großartig? Ich finde keine Partei, die meine Politikvorstellung deckt, d.h. ich entscheide von Wahl zu Wahl, wer das für mich sinnvollste Konzept und Personal hat.

Die Politik bleibt spannend.

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