Als ich einmal wegen Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft angeklagt war

Die 3 Tornados Urheber: Unbekannt Lizenz: CC

Religion ist in Mode gekommen. Mohammed ist durch, Jesus soll sogar eine Frau gehabt haben. Auch insoweit lässt sich Religion nur als Karikatur abbilden. Dagegen rennen die Doofen an, insoweit kann ich mitreden: Ich wurde mal vor dem Landgericht Duisburg wegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften angeklagt. Als Schülerzeitungsredakteur. Von unserem Gastautor Thomas Meiser

Einstmals begab es sich zu der Zeit, das wir in der Jugendzeit alle dreist und anarchistisch drauf waren. Und ich mehr realpolitisch, ich war Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Junge Presse NRW.

Das Ziel meines Ladens war es, Schülerzeitungen zur Freiheit zur verhelfen.

Denn für die war Zensur ein großes Problem, die Postillen durften nicht auf dem Schulhof verteilt werden, wenn der Direx was dagegen hatte. Also was gegen den Inhalt. Stand so im Gesetz, im Schulverwaltungsgesetz.

Da haben sich dann Antizensur-Referenten, hieß wirklich so, der Landesverbände der Deutschen Jugendpresse zusammengesetzt und was
ausgeheckt.

Also eher ich, ich hab’ die anderen mitgezogen.

Und zwar bin ich seinerzeit auf den Trichter gekommen, daß, wenn man was provozierendes reinschreibt in die Schülerzeitungen, der Schulleiter das sich verbitte – wenn das viele machen, könne man es für eine Kampagne nützen.

Eine Kampagne gegen Direxzenzur.

Ich hatte ein Vorbild, die Schülerzeitung „Wir im Pürree“ aus Langenfeld, die waren echt Provos, Chef war Jochen Herdieckerhoff, der ja auch später höchst umstrittener Theaterautor in Wien wurde, bevor er sich umbrachte, mein alter Kumpel.

Wir im Pürree hatte jedenfalls bannig viel Ärger mit dem Abdruck des Krippenspieles der 3 Tornados, das ist ein Sketch, der Marienbilder verhohnepiepelt, ein Heiligtum der Christen.

Gefundenes Fressen zur Provokation der Christen im Rheinland.

Wir im Pürree, die Langenfelder Gymnasiasten also erhielten vom Direx ein Vertriebsverbot, durften ihre Ausgabe nicht auf dem Schulgelände verteilen. Angeblich wäre diese gotteslästernd gewesen.

Und wir, die Deutsche Jugendpresse sprangen solidarisch an: Wir empfahlen allen unseren Mitgliedszeitungen aus Solidarität das Krippenspiel der drei Tornados abzudrucken.

Der einzige, der dagegen war, das war der Vorsitzende, das war Thomas Leif, der hatte damals schon keine Eier.

Nunja – die Kampagne zog sich hin, ca 130 Jugendzeitungen solidarisierten sich im Laufe eines Sommers, mit unterschiedlichen Kollateraleffekten.

So flog etwa nach dem Abdruck des Krippenspiels ein Schülerzeitungschef sofort von einem katholischem Gymnasium in Bonn, Androhung des Schulverweises hat es auch oft gegeben, Tadel und Einträge ins Klassenbuch.

Und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.

Wir junge Leute waren sehr verwundert, daß bisweilen die Staatsanwaltschaften gegen uns ermittelten. Wegen angeblichen
Vertstoßes gegen den Paragrafen 166 des Strafgesetzbuches. Der die Beschimpfung von Religionsgemeinschaften unter Strafe stellt, wenn der öffentliche Friede gestört ist.

Dasselbe Problem hatten in den Zeiten die Sketchurheber, die 3 Tornados ebenfalls. Als ich mit einem von denen, Arnulf Rating, telefonierte, riet der mir: Nimm Dir einen guten Linksanwalt und lach das weg.

Denn wir, der Landesvorstand der Arbeitsgemeinschaft Junge Presse NRW hatten plötzlich ein ähnliches Problem. Angeklagt zu sein vor dem Landgericht Duisburg, wegen Religionsverunglimpfung nach dem Paragrafen 166 des Strafgesetzbuches.

Als Rädelsführer, denn wir hatten ja das Krippenspiel nebst Handlungsanweisungen im Verbandsblatt abgedruckt.

Wie sind wir rausgekommen? Mit einem Vergleich, wir haben uns auf Sühnetagessätze eingelassen.

Aber, Leute, ich sag’ es Euch: Wir haben ziemlich viele Kinder, die darauf einstiegen, politisch und gegen Religion sozialisiert.

Und wir waren selbst noch Kinder. Aber klaren Kopfes.

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Arnold Voß
Arnold Voß
11 Jahre zuvor

Sühnetagessätze? Herrlich!

Und vor allem besser als Steinigung oder Scheiterhaufen.

Es lebe der juristische Fortschritt.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
11 Jahre zuvor

Das hast Du ganz toll gemacht.

trackback

[…] die Ruhrbarone bin ich gerade auf das mehr oder weniger lustige Krippenspiel der “3 Tornados” […]

paule t.
paule t.
11 Jahre zuvor

Also, ich glaube ja nun dran und studier Theologie und so … aber ich finde trotzdem, solche lustigen Prüfungen, also dass die Symbole durch Verhohnepipelung hinterfragt werden, braucht das Christentum. Und eine freie Umgebung sowieso. Also gut so, das zu machen.

Achim
Achim
11 Jahre zuvor

Soooo wenig Ärger?

In meiner vorpolitischen Zeit ist ein Direx mal kurzfristig im Dreieck gesprungen, weil irgendwie in ein paar Zeilen das Bevölkerungswachstum, das Pillenverbot des Papstes und die „chützende Hand Gottes“ thematosiert wurde.
Es gab aber nichts offizielles—

Es gab auch keinerlei offizielle Reaktion bei einer politischen überschulischen Schülerzeitung, die mal u.a. die NPD-Mitgliedschaft eines Sportlehrers in Verbindung setzte mit den „besonderen Ansichten“ eines Sportlehrers, die
sich halt ergaben, wenn unter der Turnhose keine Unterhose getragen werden durfte. (Remember Ernst Röhm und 175)

Es gab auch keinerlei offizielle Reakzion, als wir mal ein Rechercheteam anlässlich des 40. Jahrestages der „Reichskristallnachr“ und der „Aeisierung“ in das örtliche Stadtarchiv geschickt hatten und der Amtsleiter dem
Rechercheteam versicherte, dass die grössten Opfer der Arisierung die Käufer gewesen seien, die nach 1945 noch einmal zahlen mussten.

Dass kam nicht so gut an, da der Sohn des bekanntesten Sternträgers der Stadt und der Enkelsohn des Gemeindevorsitzenden dabei waren.

Trotz Mitgliedschaft in der Regierungspartei haben wir uns nie auf die
Einhollung von Genehmigungen zum Vertrieb auf Schulgelämde eingelassen. Möglicherweise haben wir mal…

Nerviger waren da mal:

Ein Mitglied der SDAJ hat mir mal Schläge angedroht.

Ein Typ hat mir mal Schläge angedroht weil der neue Schulleiter seines „humanistischen“ Gymnasiums keine Lehrbefähigung für Latein, Griechisch etc. hatte und dieser Rektor mein „Parteifreund“ ear.

Etwa sechs Monate später hat mir der gleiche Typ Schläge angedroht, weil er als
Vertreter der „Liga gegen den Imperialismus“ Pol Pot (Killquote 25%) in etwa 4 Jahren ganz toll fand, und ich Pol Pot verhöhnt hatte.

Aber es gab dann noch mehrere Strafanzeigen von katholischer Seite gegen divers Vosrsrstände in denen ich Mitglied war. Da wir jeweils nur jeweils nur ein Vorstandsmitglied als v.i.s.d.P. benannten und es der Zufall so wollte, dass ich nicht „an der Reihe“ war, kriege ich die genaue Zahl an Strafverfahren nicht mehr zusammen. Sie verliefen alle im Sande, bis auf irgendeine Bewährungsstrafe ausgerechnet gegen einen Jurastudenten,. (Referendariat)

Als positives zur katholischen Kirche fällt mir nur ein:
1.)Heinrich, Johanne und Martin haben ihr die meisten Giftzähne gezogen.
2.)Der polnische Papst hat den „real Existierenden Sozialismus“ beseitigt.

Achim

Arnulf Rating
11 Jahre zuvor

Hallo Gastautor,
zufällig stoße ich gerade auf Deinen Artikel. Interessant. Hattet Ihr wirklich eine guten Linksanwalt? Schon lange her, aber dass Ihr einen Vergleich akzeptieren musstet…
Finde ich dennoch ungeheuer mutig von Schülern, so dazu zu stehen.
Auf meiner Seite http://www.rating.de steht unter „Arnulf Rating“ und „3 Tornados“ noch mehr dazu.
Man mag meinen, so etwas sei heute nicht mehr denkbar oder nur in Saudi-Arabien möglich, wo wir unsere Leopard-Panzer hinverkaufen. Das könnte ein Irrtum sein: im Sommer 2012 meldete sich der Schriftsteller Martin Mosebach mit dem Wunsch nach Zensur durch rigorose Anwendung des leidigen „Gotteslästerer-Paragrafe“ 166 StGB
Siehe https://www.dradio.de/dlf/sendungen/tagfuertag/1822992/
und
https://www.zeit.de/2012/27/Kunstfreiheit-Mosebach

Heute gibt es in Berlin eine Veranstaltung zu solchen Problemen:
https://www.adk.de/de/aktuell/veranstaltungen/index.htm?we_objectID=31824

Wenn Du Lust hast, melde Dich mal bei mir!
Arnulf Rating
http://www.rating.de

Thomas
10 Jahre zuvor

Ej Arnulf,

sorry for the delay.

Das hattet Ihr uns eingebrockt.

Und ich bin noch immer dankbar.

Melde mich.

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