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NRW-Krankenhausreform: Die Allgemeinversorgung soll unter der Spezialisierung nicht leiden

Chirurgen bei der Arbeit Foto: Roland W. Waniek


Die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen sollen sich künftig auf bestimmte Leistungen konzentrieren. Die Opposition kritisiert, dass es für die Pläne der Landesregierung keine Finanzierung gibt.

337 Krankenhäuser gibt es in Nordrhein-Westfalen. Große sind dabei, wie die Universitätskliniken in Aachen, Köln und Essen mit weit über tausend Betten aber auch kleine, wie das Elisabeth in Gelsenkirchen mit gerade einmal Platz für 223 Patienten. Eine Vollversorgung bietet das Elisabeth-Krankenhaus schon lange nicht mehr an. Es hat sich auf Psychiatrie und Geriatrie spezialisiert. Diesen Weg sollen künftig immer mehr Kliniken im Land gehen. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat sich an eine umfassende Krankenhausreform gemacht. In Zukunft ist nicht mehr die Zahl der Betten bei der Krankenhausplanung entscheidend. Die Häuser sollen sich spezialisieren und in diesen Bereichen dann auch exzellente Leistungen anbieten: Die Patienten sollen drauf vertrauen können, dass ein erfahrene Routinier Eingriffe an Herz oder Hüfte macht und nicht ein Chirurg, der alles wegoperiert das ihm auf den Tisch kommt.

Die Allgemeinversorgung soll unter der Spezialisierung nicht leiden: Für 90 Prozent der Bevölkerung soll ein Krankenhaus mit internistischer und chirurgischer Versorgung innerhalb von 20 Autominuten erreichbar sein. Bevor Laumann die Reform auf den Weg brachte, stimmte sich das Ministerium für Arbeit und Gesundheit mit der Krankenhausgesellschaft, der Ärzteschaft und den Krankenkassen ab. Am 1. September erhielten die Krankenhäuser Unterlagen, um sich vorbereiten können. Ab 17. Oktober werden sie dann von den Bezirksregierun­gen zu Verhandlungen mit den Krankenkassen über regionale Planungskonzepte aufgefordert. Die Verhandlungen zwischen Kranken­häusern und Krankenkassen starten dann Mitte November. Laumann rechnet auf Anfrage dabei auch mit schwierigen Gesprächen, glaubt aber daran, dass es Konsens gefunden werden kann: „Sicher wird der Umsetzungsprozess nicht konfliktfrei sein können. Aus meiner Sicht sind aber alle Akteure sehr gut vorbereitet, um etwaige Konflikte im Einzelfall am Ende möglichst im Einvernehmen zu lösen.“

Jochen Alfred Werner, der Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikum Essen, gehört seit Jahren zu den bekanntesten Kritikern der medizinischen Versorgung in Deutschland. Für ihn stimmt die Richtung, die Laumann eingeschlagen hat: „Durch die Krankenhausreform wird medizinische Expertise und Kapital gebündelt, Personal besser eingesetzt, werden die Unterschiede zwischen Unter- und Überversorgung nivelliert und wird ganz grundsätzlich die medizinische Versorgung zukunftsfest gemacht. Davon werden alle Menschen profitieren.“

Doch Werner will mehr: „Wir brauchen eine grundlegende Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft in Deutschland mit einem hohen Grad an Vernetzung: Große, leistungsfähige Zentren für komplexe Krankheitsbilder und schwierige Eingriffe, kleinere Häuser und Medizinische Versorgungszentren mit einem hohen Anteil ambulanter Dienstleistungen für die medizinische Grundversorgung vor Ort, auch und gerade auf dem Land oder in strukturschwachen Regionen.“ Ging es nach dem Klinikmanager, müsste aber auch über den Neubau von Großkliniken gesprochen werden, in denen öffentliche Investitionen, Pflegekräfte und medizinische Kompetenz gebündelt werden: „Andere Länder wie etwa Dänemark machen uns vor, dass eine solche Struktur letztendlich effizienter, leistungsfähiger, kostensparender und zukunftsfester ist als unsere zersplitterte und von zu vielen kleinen Häusern geprägte Krankenhauslandschaft.“

In seinem Buch „So krank ist das Krankenhaus“ zeigt Werner auf, wie er sich eine Reform des Krankenhauswesens vorstellt: „In Dänemark etwa wurde die Anzahl der Krankenhäuser dramatisch reduziert, von 100 auf 32. Fünf Superkrankenhäuser, eins pro Region, wurden neu gebaut oder durch Anbauten modernisiert.“

Laumann hält nichts von solchen radikalen Ideen: „Dänemark hat für eine sehr starke Zentralisierung seiner Krankenhauslandschaft Mittel in Höhe von ungefähr 1.000 Euro pro Kopf der Bevölkerung aufgewandt – auf Deutschland übertragen wären das 80 Milliarden Euro. Das Ergebnis sind sogenannte „Superkrankenhäuser“, zu denen die Menschen teils ganz erhebliche Entfernungen zurücklegen müssen.“ Der Gesundheitsminister bezweifelt, dass dies auf Dauer zu einer besseren Versorgung und mehr Zufriedenheit der Bevölkerung führen wird. In NRW habe die Pandemie noch einmal den Wert einer starken, wohnortnahen Krankenhausversorgung gezeigt hat, sagt Laumann. Es gehe deshalb darum, die wohnortnahe Grundversorgung zu stabilisieren und zugleich zu einer sinnvolleren Aufgabenteilung und zu mehr Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern zu kommen.

Was das Land nun auch gemeinsam mit den Ärzten und Krankenhäusern verstärkt angehen will, ist die Digitalisierung. Seit 2019 gibt es ein virtuelles Krankenhaus, das bislang 3000 Mal für Beratungen genutzt wurde. Beim virtuellen Krankenhaus arbeiten niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser zusammen, um Patienten unabhängig vom Wohnort eine gute Versorgung zur gewährleisten. Vor allem auf dem Höhepunkt der Pandemie hat sich das Konzept nach Ansicht des Gesundheitsministerium bewährt: Auch ohne eine Praxis aufsuchen zu müssen, konnten Patienten beraten werden.

Laumann will das Modell ausbauen: „Digitalisierung ist ein wichtiger Schlüssel für die Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung und insbesondere auch für eine intensivere Zusammenarbeit der Krankenhäuser untereinander und mit der ambulanten Versorgung.“ Nordrhein-Westfalen habe sich mit dem virtuellen Krankenhaus auf einen konsequenten Weg der Weiterentwicklung gemacht. Der Minister weiß, dass bei digitalen Dienstleistungen vor allem im Gesundheitswesen der in Europa und Deutschland extrem strenge Datenschutz eine wichtige Rolle spielt. „Die Patientinnen und Patienten müssen die Hoheit und Kontrolle über ihre Daten behalten. Und genau so sind auch die bisherigen Anwendungen ausgerichtet: Ohne die Freigabe durch die Versicherten ist ein Zugriff auf personenbezogene Gesundheitsdaten nicht möglich.“

Die Opposition ist von Laumanns Krankenhausplanung nicht ganz überzeugt: „Wenn die Kliniken nach dem Krankenhausplan die neuen Qualitätskriterien einhalten sollen“, sagt Thorsten Klute, der gesundheitspolitische Sprecher des SPD-Fraktion im Landtag, dann brauchen sie auch Geld für die notwendigen Investitionen. Und diese Investitionsmittel für Krankenhäuser sind in Deutschland von den Ländern bereitzustellen.“ Die Pläne zur NRW-Krankenhausreform seien allerdings überhaupt nicht mit Investitionen unterlegt. Dabei sind gerade diese jetzt für die Zukunft der Kliniken besonders wichtig: „Wir rechnen mit mindestens drei Milliarden Euro Investitionsmitteln, die in NRW gebraucht werden.“ Auch Yvonne Gebauer von der FDP-Fraktion erwartet von der Landesregierung konkrete Vorschläge, wie die nötigen Investitionen für den Strukturwandel finanziert werden sollen.   Die Ausrichtung der Krankenhausreform findet generell die Zustimmung der Liberalen. „Am Ende der regionalen Planungsverfahren wird sich Minister Laumann daran messen lassen müssen, ob ihm dies gelungen ist.“

Der Text erschien in einer ähnlichen Version bereist in der Welt am Sonntag

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