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NRW: Landeshaushalt ohne Neuverschuldung?

Lutz Lienenkämper: Foto: Finanzministerium NRW Lizenz: Copyright

Auch 2021 will das Land keine neuen Schulden machen. Möglich wird das durch einen Trick.

Der Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2021 hat etwas Wunderbares: Das geht das Land, wie ganz Deutschland, wegen Corona durch die schwerste Krise seit Bestehen der Bundesrepublik und trotzdem muss die Landesregierung keinen neuen Cent Schulden machen. In zweiter Lesung diskutierte in der vergangenen Woche der Landtag das von Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) eingebrachte Haushaltswerk mit einem Volumen von 84,1 Milliarden Euro, das wie ein Fels in der Seuchenbrandung und für den Anspruch der soliden Haushaltsführung der schwarz-gelben Landesregierung steht.  Möglich macht das der Corona-Rettungsschirm in Höhe von 25 Milliarden Euro, der über Schulden finanziert wird, die über einen Zeitraum von 50 Jahren getilgt werden sollen. Der Rettungsschirm hat die Aufgabe, die pandemiebedingten Härten der Städte, Unternehmen, Vereine aber auch von Künstlern und Freiberuflern abzufedern. Aber auch das Land ist unter den Rettungsschirm geschlüpft und gleicht mit seinem Geld Steuerausfälle aus.

Der Landesrechnungshof hat sich bereits Ende September kritisch über den Rettungsschirm, die Verwendung der Mittel und die Dauer seiner Tilgung geäußert: „…der für die Rückführung der Kredite vorgesehene Tilgungszeitraum von 50 Jahren ist bundesweit einmalig und deutlich zu lang.“ Auch was die Aufgaben, die mit den Mitteln des Rettungsschirms finanziert werden sollen, betrifft, ist der Rechnungshof skeptisch. Er verlangte eine Auseinandersetzung über die Notwendigkeit der aufgeführten Ausgaben. Das sah der Bund der Steuerzahler ähnlich. In der öffentlichem Anhörung des Haushalts- und Finanzausschuss Ende Oktober sagten die Vertreter der Steuerzahler, es könne „verlockend sein, bereits vorhandene Vorhaben, die bisher nicht finanzierbar waren, aus der Schublade zu ziehen und mit einem „Corona-Stempel“ zu versehen.“

Der Großteil der Projekte, die über den Rettungsschirm finanziert werden, stehen in direktem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie: Ein Kinostabilisierungsprogramm ist beispielsweise ebenso dabei wie Geld für den Ankauf von Schutzausrüstungen für die Polizei und Beatmungsgeräten. Es gibt Geld für soziokulturelle Zentren, Tests für Reisende aus Risikogebieten werden bezahlt und Personal für die Maskenkontrolle im Nahverkehr. Es gäbe keine einzige Position aus dem Rettungsschirm, teilt das Land mit, die „nicht zweckentsprechend für die direkten und indirekten Folgen der Corona-Pandemie ausgegeben würde.“

Tatsächlich finden sich mehrere Beispiele für Aufgaben, bei denen der Bezug zur Pandemie sich nicht auf Anhieb erschließt: Da sollen Krankenhäuser für eine Milliarde Euro unter anderem energetisch saniert und mit Patientenbadezimmern versehen werden, gibt das Land den Städten Geld aus einem Klima-Resilienz-Programm, aus dem  Schulhöfe entsiegelt werden können, wird die Digitalisierung der Schulen und auch 48 Millionen Euro für „Kreislaufwirtschaft, Waldwirtschaft, Umweltwirtschaft und Tierwohl“ stehen zur Verfügung.

Das Finanzministerium sieht darin kein Problem. Auf Anfrage der Welt am Sonntag sagte eine Sprecher: Die Förderung der Waldwirtschaft sei eine Folge des wirtschaftlichen Drucks, unter dem die heimische Säge- und Holzwerkstoffindustrie durch die Corona-Pandemie geraten sei und die Corona-Krise bedinge auch „unmittelbar Investitionen in Digitalisierungsvorhaben im Bereich Bildung, vor allem in die digitale Erstausstattung aller Schülerinnen und Schüler in der Mindestsicherung sowie aller Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen.“ Das war allerdings ohnehin eines der zentralen Vorhaben der schwarz-gelben Landesregierung. „Für den allgemeinen Haushalt werden keine neuen Schulden aufgenommen“, sagt das Ministerium und räumt ein, dass die Finanzplanung erst für das Jahr einen ausgeglichenen Haushalt ohne Entnahmen aus dem Rettungsschirm vorsieht. Bis dahin will die Landesregierung keinen Kredit aufnehmen – allerdings den Haushalt teilweise mit Geld aus dem Rettungsschirm finanzieren, der über Kredite finanziert wird. Ein wenig ist das so, als ob man sich bei der Volksbank Geld leiht, um es auf das Sparkassenkonto zu überweisen, damit man dort den Dispositionskredit nicht in Anspruch nehmen muss.

Stefan Zimkeit, der finanzpolitische Sprecher der SPD, sieht dann auch das Vorgehe kritisch: „Der NRW-Rettungsschirm war und ist richtig und notwendig. Allerdings müssen die Gelder den von der Krise betroffenen Menschen zur Verfügung stehen. Die Landesregierung plant jedoch, den überwiegenden Teil der Mittel zu nutzen, um sich selbst alle Steuerausfälle zu erstatten.“ Damit wolle sie einen schuldenfreien Haushalt vortäuschen, obwohl der Landesfinanzminister 2021 über den Rettungsschirm auf 5,5 Milliarden Euro aus kreditfinanzierten Mitteln zugreifen möchte.

Zimkeit kritisiert auch, dass die Landesregierung auf Kredite zurückgreift und gleichzeitig ihre Rücklagen nicht antastet. Die SPD wird dem Haushalt trotz Krise nicht zustimmen: „Dieser Haushalt reagiert nicht wie notwendig auf die Krise. Zudem ist es falsch, die Mittel aus dem NRW-Rettungsschirm überwiegend zur Erstattung der eigenen Steuerausfälle zu nutzen.“ Die Landesregierung tue in ihrem Haushaltsentwurf so, als wenn es keine Coronakrise gäbe.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

 

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Berthold Grabe
Berthold Grabe
3 Jahre zuvor

Na ja, die Kritik ist sachlich zwar nicht falsch, aber ich trage die Massnahmen mit weil sie ebenso wichtig sind und am Ende egal ist woher die Mittel kommen, wenn sie trotzdem Notwendiges finanzieren. Und im Prinzip sind das alles Notwendigkeiten bzw. notwendige Investitonen.

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