Stadtwerke Waltrop: Endet der angekündigte Tiger als Bettvorleger?

Am Rathaus in Waltrop. Foto: Robin Patzwaldt
Werbung der Stadtwerke am Rathaus in Waltrop. Foto: Robin Patzwaldt

Dass die Gründung von eigenen Stadtwerken nicht immer der geniale Wurf werden muss, der den finanziell angeschlagenen Städten des Ruhrgebiets die dringend erforderlichen Gewinne einzuspielen verspricht, diese Erkenntnis droht aktuell der 30.000-Einwohner-Stadt Waltrop im Kreis Recklinghausen.

Finanziell seit Jahren am Abgrund stehend, versprach der Gedanke an eigene Stadtwerke für die Gas- und Stromversorgung den Lokalpolitikern scheinbar ‚leicht verdientes Geld‘ für die Stadtkasse.

Nach den ersten Monaten der Vermarktung sieht die Bilanz jedoch bereits recht verheerend aus. Man braucht bei Betrachtung der ersten offiziellen Zahlen wohl viel Phantasie um sich daraus noch etwas Positives abzuleiten. Aus der erhofften Erfolgsgeschichte droht aktuell wohl eher ein riesiger Flop zu werden.

Obwohl bereits seit gefühlten Ewigkeiten beworben und etliche Male angekündigt, kann das Unternehmen bis jetzt, im November 2013, gerade einmal 124 Verträge mit Bürgern vorweisen. Dies wurde nun, auf eine Anfrage der örtlichen FDP hin, offiziell eingeräumt.

Ein bitter enttäuschendes Ergebnis, wenn man sich noch einmal die vollmundigen Ankündigungen und Aussagen der letzten Monate vor Augen hält. Bereits im August 2013, beim letzten Waltroper Parkfest, waren die Stadtwerke recht werbegewaltig angetreten. Man verteilte damals unzählige Sonnenblumen an Passanten, führte nach eigener Aussage hunderte positiver Beratungsgespräche im Stadtpark. Auch in den Folgewochen war man regelmäßig mit einem alten Bauwagen als Infostand auf dem Wochenmarkt in der Hebewerksstadt präsent, etliche, großformatige Vierfarbanzeigen in der Lokalpresse und im Internetportal der ‚Waltroper Zeitung‘ wurden in den letzten Monaten gebucht, ein riesiges Werbeplakat direkt vor dem Rathaus platziert. Viel scheint das Alles bisher aber nicht gebracht zu haben.  Allein die dafür aufgelaufenen Kosten werden die bisher abgeschlossenen, kümmerlichen 124 Verträge kaum einspielen. Von Gewinnen für die Stadtkasse mal ganz zu schweigen.

Schaut man sich das neue Angebot einmal genauer an, dann wundert die geringe Resonanz allerdings auch wenig. Die neugegründeten Stadtwerke Waltrop bilden nämlich eigentlich nur gemeinsam mit den Stadtwerken Lünen eine Vertriebsgesellschaft für Strom und Gas. Bisher wurde kein eigenes Personal eingestellt.

Streng genommen hat man es als Waltroper Interessent mit den Stadtwerken Lünen zu tun, nur das auf dem Briefbogen ‚Stadtwerke Waltrop‘ steht. Selbst der verantwortliche Geschäftsführer ist mit Achim Grunenberg der der Stadtwerke Lünen. 

Wozu also jetzt plötzlich dorthin wechseln? Nur weil man einem heimischen Unternehmen etwas Gutes tun will?

Das reicht offenbar den meisten Bürgern bisher nicht für einen lokalpatriotischen Wechsel des Stromanbieters. Das bisherige Angebot wirkt doch etwas ‚mit der heißen Nadel‘ gestrickt, um es mal freundlich auszudrücken.

Hinzu kommt, dass der Neukunde beispielsweise zwar zwischen einem Normal und einem Onlinetarif beim Strom wählen kann, allerdings nur ein kunterbunter Strom-Mix als Produkt angeboten wird, der sowohl Atom- als auch Kohlestrom beinhaltet. Umweltfreunde werden diesen Strom daher wohl kaum ordern wollen.

Auch der inzwischen von vielen Bürgern vor Anbieterwechsel durchgeführte Online-Preisvergleich findet die Stadtwerke Waltrop nicht in der Spitzengruppe der für sie infrage kommenden Anbieter.

Alles also keine besonders guten Argumente für einen Wechsel zu den örtlichen Stadtwerken in Waltrop.

Das Problem: Der Kämmerer, Wolfgang Brautmeier, plant bereits mit Gewinnen.  Denn schon ab 2014 sollte das gemeinsame Unternehmen mit den Stadtwerken Lünen ursprünglich kräftig Geld ausschütten. 200 000 Euro hat der Kämmerer in den Haushaltssanierungsplan eingerechnet.

Wie soll das mit so wenigen Vertragsabschlüssen, sprich Kunden, und diesen gerade in der Anlaufzeit hohen Werbekosten für das Unternehmen gelingen?

Erschreckend auch die Perspektiven:  Weitere 56 Neukunden würden zum 1. Dezember mit Stadtwerke-Waltrop-Produkten beliefert, noch einmal weitere 50 dann zum 1. Januar nächsten Jahres, vermeldete die Lokalzeitung vor ein paar Tagen.

„Einige Bürger haben längerfristige Verträge mit ihren derzeitigen Anbietern und können erst zu einem späteren Zeitpunkt wechseln“, erklärte die Bürgermeisterin, Anne Heck-Guthe, vertröstend gegenüber der ‚Waltroper Zeitung‘. Das war aber doch eigentlich jedermann von Anfang an klar, oder?

Wahrlich erschreckende Zahlen!

Sprudeln die eingeplanten 200 000 Euro also wohl tatsächlich schon im nächsten Jahr in die chronisch klamme Stadtkasse?  „Nur, wenn es uns kurzfristig gelingt, die Stadtwerke zu gründen und in kurzer Zeit viele Kunden zu gewinnen“, sagte Kämmerer  Brautmeier bereits vor Wochen dazu.  „Fließen die Gewinne nicht, müssen wir das kompensieren.“  Aber wie und wo genau, dazu hört man bisher leider nichts.

Und das Alles erlebt man nun als Bürger einer Stadt der das Wasser finanziell eh‘ schon bis zur Oberkannte der Unterlippe steht.

Sieht derzeit fast so aus, als könnte das riskante ‚Spiel‘ der Stadtwerkegründung für Waltrop der nächste Sargnagel für die Stadtentwicklung werden.

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Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Robin,
verständlich, daß Du durch Dich als Waltroper Bürger auf einige Probleme der „Stadtwerke Waltrop“ hingewiesen wird, auch dem Hintergrund der in jüngster Zeit hier mehrfach diskutierten grundsätzlichen und z.Teil sehr konkreten Probleme der Stadtwerke im Ruhrgebiet.

Diese Hinweise sind es auch wert, durch die Komm.politik in Waltrop bedacht zu werden.Ich gehe ‚mal davon aus, daß keine(r)von ihnen, abgesehen von Prof.Holtkamp,die Beiträge bei den Ruhrbaronen liest, geschweige denn, sich in die Diskussion einbringt.Also werden Deine kritische Anmerkungen nichts bewirken, jedenfalls nicht bei dejenigen, die Anlaß haben müßten, darüber nachzudenken und dazu bei der Stadt/den Stadtwerken nachzufragen.

Ich bin nicht in der Lage, mir allein aufgrund Deiner Hinweise bereits eine Urteil über „Chancen und Risiken“ der Stadtwerke Waltrop zu machen und wäre folglich an „Aufklärung“ interessiert, die aber nicht zu erwarten ist, da bisher niemand aus der Kommunalpolitik einen Anlaß sah, um Klärung/um Aufklärung zu bitten;vermutlich auch nicht nach diesem Beitrag.Und das kann zutun haben mit der von mir mehrfach, auch mit Blick auf Waltrop, öffentlich angeprangerten Gleichgültigkeit und politischen Lethargie gegenüber öffentlichen Belangen in der Bürgerschaft und in der komm.Politik.

Unklar ist mir vor allem, ob und ggfs. inwieweit die Stadtwerke Lünen/Waltrop wie viele andere Stadtwerke im Revier Probleme bekommen können in Folge der sog.Energiewende. Beteiligung der Stadtwerke Lünen/Waltrop an der STEAG? M.W. gibt es die nicht. Beteiligung der Stadtwerke Lünen/Waltrop an TRIANEL? M.W. gibt es eine solche Beteiligung, und die kann negativen Folgen für die Gesellschfter von TRIANEL haben.

Und so ganz nebenbei bemerkt:
Nach meiner Erinnerung hat der Rat der Stadt Waltrop sich ablehnend zum Kraftwerksneubau TRIANEl an der Stadtgrenze Waltrop/Lünen positioniert. Und nun sind wir über die Stadtwerke Lünen/Waltrop einer der Gesellschaft von TRIANEL.
Daß hier z.T. mit Spekulationen, mit Mutmaßungen gearbeitet werden muß, ist eine von vielen negativen Auswirkungen einer von Intransparenz und Bürgerferne geprägten „Rathauspolitik“;schade, muß „eigentlich“ so nicht sein.

Andreas Brausen
Andreas Brausen
11 Jahre zuvor

Ich kann Herrn Stachs Sorge entkräften, niemand in der Kommunalpolitik ehrenamtlich Tätiges würde die Artikel der Ruhrbarone lesen. Neben anderen „neuen“ Medien wurden in direkten Gesprächen mit Bürgern bereits Bedenken hinsichtlich der Entwicklung der Stadtwerke thematisiert und stehe ich (wie viele andere auch) gerne weiterhin für Gespräche zur Verfügung. Dafür sind die Vertreter der Bürger schließlich da.

Jeder der sich selbständig macht weiß, dass die ersten Schritte nicht leicht sind und auch für die Stadtwerke Waltrop werden sie nicht einfach. Gerade deshalb war und ist man froh, mit den Stadtwerken Lünen einen Partner mit im Boot zu haben, der die Region kennt und sein Handwerk versteht. Die Entscheidung, die Stadtwerke Waltrop GmbH & Co. KG über den Netzerwerb hinaus auch mit Vertriebsaktivitäten beginnen zu lassen, ist erst nach einem intensiven Abwägungsprozess gefallen. In diesem Bereich teile ich Herrn Stachs Meinung, dass dieses Thema viele Facetten hat, die erst nach länger Zeit, in der man sich mit der Materie beschäftigt hat, erfassbar werden. Dies bedeutet ebenso, dass es gilt, möglichst objektiv Risiken und Chancen zu bewerten. Dabei werden verschiedene Personen nicht immer zu absolut deckungsgleichen Ergebnissen kommen.
Es ist nicht zu leugnen, dass viele sich eine positivere Entwicklung der Stadtwerkskundenzahlen erhofften und dabei noch „Luft nach oben“ besteht, berücksichtigt man beispielsweise die viele Waltroper, die bereits die Dienste der Stadtwerke Lünen in Anspruch nehmen. Eine angeblich große Erschrockenheit über die Zahlen kann nur denjenigen ereilen, der allzu optimistisch geplant hat.
Selbstredend ist eine weiterhin kritische Begleitung der Entwicklung der Stadtwerke Waltrop selbstverständlich. Die Qualität der Begleitung wird in meinen Augen jedoch verständlicherweise nicht an der Menge öffentlicher Äußerungen zu dem Thema gemessen. Nicht die Menge der Zeitungsbilder ist zum Glück entscheidend.
Aufgrund der im Artikel genannten Informationen von einem „Spiel“ zu sprechen, dass sich zu einem „Sargnagel“ entwickle, halte ich weder angesichts des vorausgegangenen Entscheidungsprozesses für angemessen noch für eine belastbare Zukunftsprognose.
Eine kritische Begleitung des Entwicklungsprozesses von seinen Vertretern einzufordern ist, wie erwähnt, das gute Recht jedes Bürgers und sollte für die damit beauftragten vielmehr selbstverständlich sein.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Andreas Brausen, sorry,
wenn ich voreilig war in meiner Meinung, niemand von den Ehrenamtlichen in der Kommunanlpolitik würde die Beiträge bei den Ruhrbaronen lesen und kommenentieren. Ich kenne jetzt also schon zwei, Sie und Prof.Holtkamp. Vielleicht gibt es ja noch einige im Verborgenen.

Die seinerzeitige offizielle Zusammenkunft von Bürgern, Komm.poltikern, Vertretern der Verwaltung, mit RWE und einem Vertreter des von der Stadt beauftragten Gutachter-Büros im Ratssaal war für mich bestenfalls ein ganz bescheidender Versuch der Bürgerinformation, weit weg von umfassender Transparenz und noch weiter weg von einer Bürgerbeteiligung am Beratungsprozeß;Letzere war offenkundig seinerzeit nicht gewollt, auch nicht von den Vertretern der Fraktionen im Rat der Stadt. Ob und inwieweit jedes Ratsmitglied im Bürgergespräch informiert und diskutiert hat, weiß ich nicht.Wenn sich die Ratsmitglieder mehrheitlich so verhalten haben wie Sie, wäre das erfreulich, aber kein Ersatz für eine strukturierte, organisierte Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung.
Das zur Vergangenheit.

Ich bin gespannt, ob, wann und wie durch Bürgervertreter offen und öffentlich der „aktuelle Sachstand Stadtwerke Waltrop“ auf die Tagesordnung kommt. Das schließt dann selbstverständlich einen Abgleich ein zwischen dem, was nach den Prognosen sein sollte und was derzeit ist sowie eine Risikobetrachtung mit Blick auf mögliche Konsequenzen aus der Energiewende nach dem dann aktuellen Stand einschließlich einer Risikobetrachtung aus einem Stadtwerke-Engagement bei TRIANEL, falls Letztere überhaupt gegen ist, was ich vermute, aber nicht weiß.

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Robin Patzwaldt
Robin Patzwaldt
11 Jahre zuvor

Am Samstag stand ein Infomobil der Dortmunder Stadtwerke auf dem Waltroper Wochenmarkt. Ich habe es selber dort gesehen und war auch etwas überrascht. Habe hier in Waltrop zuvor noch nie Mitarbeiter der Stadtwerke aus Dortmund gesehen. Anscheinend standen sie dort aber auch nicht lange, wie ich gerade gelesen habe:

https://www.waltroper-zeitung.de/lokales/waltrop/Auf-dem-Marktplatz-Info-Mobil-der-DEW21-muss-abruecken;art1010,1157091

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

-5-Robin-
lt.Waltroper-Zeitung hat die BM persönlich (!!) die Dortmunder-Konkurrenz „vom Marktplatz gejagt“.
Kommentieren werde ich das wohl besser nicht, da ich , zumindest seit enigen Tagen, in Waltrop als jemand gelte, der die BM öffentlich despektierlich (!!) attakiert hat.

Robin Patzwaldt
Robin Patzwaldt
11 Jahre zuvor

@Walter: Ja, ja, Kritik an Politik und Verwaltung wird hier am Ort, und sei sie auch noch so berechtigt, offenkundig generell nicht gerne gesehen. Das habe ich vor einigen Jahren auch schon am eigenen Leib erleben dürfen. Man meinte mich dann einige Monate ignorieren zu müssen. Als ich mich aber auch davon mit meiner Kritik damals nicht abschütteln ließ, das damalige Thema in die Medien brachte, suchte man dann irgendwann plötzlich doch wieder das Gespräch mit mir… Inhaltlich gebracht hat mir zwar auch das dann wenig, aber egal… Zurück zum Thema:
So oder so, auch aus meiner Sicht eine ziemlich unsouveräne Reaktion der Bürgermeisterin am Samstag gegenüber DEW21. Und ob es auf Dauer hilft den Infostand anderer Stadtwerke aus der Waltroper City zu entfernen wage ich im Zeitalter des Internets auch stark zu bezweifeln.
Wer sich als Bürger einen neuen Gas- oder Stromanbieter sucht der schaut doch heutzutage in der Regel eh zuvor ins Netz und informiert sich gründlich über konkrete Angebote und die Preise. Und dort lassen sich die Konkurrenzangebote von der Bürgermeisterin dann auch nicht so rasch ‚entfernen‘.
Die 2-3 Verträge die der Infostand von DEW21 da auf dem Wochenmarkt vielleicht abgeschlossen hätte machen es da wohl eh in der Summe nicht aus…. Für mich zeigt das Theater nur, dass die Nerven da schon ganz schön blank zu liegen scheinen.
Aus Kreisen der Waltroper Lokalpolitik habe ich übrigens vor ein paar Tagen dazu gehört, dass die Stadtwerke wohl über 2000 Kunden benötigen um eines Tages überhaupt in die Gewinnzone zu kommen. ‚Radio Vest‘ hat in der Vorwoche eine ähnliche Meldung veröffentlicht wonach es mindestens 1700 Kunden sein müssten. Angesichts der aktuell (nach 4 Monaten intensiven Werbens) vorhandenen nur ca. 120 (!!!) Kunden und der zu erwarteten weiterhin sehr geringen Zuwachsraten von ca. 50 Neukunden im Dezember und weiteren 50 im Januar (lt. Lokalzeitung) verstehe ich die blank liegenden Nerven der Verantwortlichen sogar….
Wie da in 2014 bereits 200.000 Euro Gewinn für den städt. Haushalt herauskommen sollen, so wie es offenkundig eingeplant wurde, das erscheint mir rätselhaft, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Das wird wohl ‚knapp‘ werden… Auch im Hinblick auf den sog. ‚Stärkungspakt‘.
Egal, beobachten wir die Geschehnisse rund um die Waltroper Stadtwerke einfach mal in Ruhe weiter.

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