Ukraine: Merz macht einen Unterschied

Ukraine und Challenger 2 Panzer Foto: Ministry of Defence Lizenz: OGL v1.0


Kaum ist der neue Kanzler im Amt, bewegt er Beträchtliches für die Ukraine. Gemeinsam mit den wichtigsten europäischen Partnern und Trump macht der Druck auf Putin, endlich seine Waffen ruhen zu lassen und zu verhandeln. Und das wirkt.

Was war nicht Alles schon vor und während der Koalitionsverhandlungen, erst recht nach der Panne bei seiner Kanzlerwahl an Häme über Friedrich Merz ausgeschüttet worden. Wahlversprechen habe er gebrochen, und er sei gleich bei seinem Start gescheitert. Doch er ließ das an sich abperlen und legte einen Blitzstart in der Innen- und Außenpolitik hin: An den Grenzen wird wie von ihm angekündigt weitreichend kontrolliert und abgewiesen. Und binnen Tagen startete er eine neue Initiative zur Beendigung des Ukraine-Kriegs. Mit einigem Erfolg.

Vergessen ist sein Vorgänger Olaf Scholz, der nach seiner Zeitenwende-Rede drei Jahre lang zauderte und zögerte und sich aus Angst vor Putin niemals traute auszusprechen, dass die Ukraine und der Westen die Auseinandersetzung mit dem Kriegsherrn in Moskau gewinnen müssen. Merz fackelte nicht lange: Gleich am Tag nach seiner verstolperten Wahl reiste er zu Marcon nach Paris und Donald Tusk nach Warschau, um seine Friedensinitiative mit ihnen und dem britischen Premier Starmer zu vereinbaren. Die doppelte Botschaft: entweder stimmt Putin der vom US-Präsidenten geforderten 30tägigen Waffenruhe ab sofort und direkten Gesprächen mit Kiyv zu. Oder es gibt weitere Sanktionen und Waffenlieferungen an die Ukraine.

Am Tag darauf holte Merz auch Trump bei seinem ersten Telefonat mit ihm als Kanzler mit ins Boot. Am selben Abend noch brachen die vier europäischen Führer zusammen nach Kiyv auf, um dem ukrainischen Präsidenten die gute Nachricht zu überbringen, dass Europa und die USA nach der Irrfahrt von Trump nun wieder an einem Strang ziehen (jedenfalls solange, bis Trump es sich wieder anders überlegt). Um ihren guten Willen zu unterstreichen, dass Europa die Hauptlast zur Absicherung der Ukraine nach einem Waffenstillstand und Abkommen mit Russland tragen will, sprachen die Fünf per Video auch noch mit der „Koalition der Willigen“. Und danach mit Trump, den sie aus dem Bett klingelten und der leicht verschlafen versicherte, dass er die Initiative mitträgt.

Putin, der sich bis vor kurzem sicher war, Trump auf seiner Seite zu haben, geriet dadurch in Zugzwang. Eine Waffenruhe lehnte er zwar in einer nächtlichen improvisierten Pressekonferenz erwartungsgemäß ab. Aber er erklärte sich zu direkten Gesprächen mit Selenskyj bereit, obwohl er dem bis dahin jede Legitimität abgesprochen hatte. Der wiederum kündigte daraufhin an, am Donnerstag nach Istanbul zu reisen, um dort auf Putin und sein Team zu warten.

Endlich ist die Diplomatie im Spiel

Dass es tatsächlich zu einem Treffen der beiden obersten Kriegsgegner kommen wird, ist unwahrscheinlich. Putin, der stets seine Großmachtsansprüche betont, will sich nicht per Ultimatum zu einer Begegnung zwingen lassen. Aber er wird nicht umhin kommen, wenigstens eine hochrangige Delegatkion nach Istanbul zu schicken, um nicht bei Trump den letzten Kredit zu verspielen, nachdem dieser schon verlautet hatte, dass er sich von Putin hingehalten fühlt.

Endlich ist also die Diplomatie im Spiel, auf die Scholz immer gesetzt hatte, ohne da etwas zu bewirken. Und das sogar zusammen mit dem irrlichternden US-Präsidenten. Dank Merz, der sofort seine guten Drähte zu Macron, Starmer und Tusk nutzte. Noch wichtiger: Europa handelt, und zwar gemeinsam. Es lässt sich nicht von Trump abhängen oder auseinander dividieren, und Merz lässt sich nicht wie Scholz von Putin beeindrucken. Keine ergebnislosen Telefonate mit dem mehr, sondern klare Ansagen.

Der Test, ob die Friedensfront hält, wird allerdings kommen, falls Putin Verhandlungen über eine Ende des Kriegs und eine dauerhafte Lösung verweigert. Wird Trump dann tatsächlich den wirtschaftlichen Druck auf Russland massiv erhöhen und weitere Waffen an die Ukraine liefern? Was kann Europa beisteuern auf beiden Feldern? Und wird Merz dann der Ukraine die in Aussicht gestellten Taurus-Marschflugkörper geben, um Russland tief im Hinterland zu treffen?

Würde Merz Taurus liefern?

Merz wird sich dafür mit der SPD verständigen müssen. Verteidigungsminister Pistorius dürfte er dabei an seiner Seite haben. Warscheinlich auch Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil. Aber was ist mit dessen linken pazifistischen Parteiflügel? Und wie würden die Öffentlichkeit und die Medien reagieren?

Denn man täusche sich nicht: Auch wenn Scholz und sein Fraktionschef Mützenich Vergangenheit sind: In Deutschland gibt es immer noch viele, die von einer Verständigung mit Putin auf Kosten der Ukraine träumen und der Rückkehr zu den Zeiten, als mit Russland fleißig Geschäfte gemacht wurden und billiges Gas von dort kam. Das jüngste Treffen des SPD-Altlinken Stegner und von CDU-Leuten mit Moskauer Emissären zeugt davon.

Merz wird dann Führungsstärke beweisen müssen – notfalls, indem er die zaudernde Kräfte im Land und in der SPD übergeht. Die Ukraine braucht endlich einen wirklich verlässlichen deutschen Partner an ihrer Seite. Auch dann, wenn irgendwann die Waffen schweigen. Denn dann wird der Kanzler entscheiden müssen, ob sich Deutschland an einer Sicherheitstruppe zur Absicherung des eingefrorenen Kriegs beteiligt. Bislang hat sich Merz da zurückhaltend geäußert, wohl auch wegen der mangelnden militärischen Fähigkeiten und Kapazitäten der Bundeswehr, aber vor allem mit Blick auf die Stimmung im Land. Das wird er dann nicht mehr durchhalten können.

Auch mit schwierigen Partnern vernünftig reden

Auch in einer anderen Region hat die Merz-Regierung den Ton verändert. Sein Außenminister Wadephul gab bei seinem ersten Besuch in Jerusalem und Ramallah wenige Tage nach seinem Amtsantrit keine lehrmeisterlichen Ratschläge wie seine Vorgängerin Baerbock. Dennoch machte auch er deutlich, dass Israel seinen Krieg in Gaza nicht endlos so fortführen kann und die rechtsnationalistische Regierung von Netanjahu eine politische Lösung suchen muss.

Mit Freunden und auch schwierigen Partner auf Augenhöhe verhandeln, sie nicht vor den Kopf stoßen und sie nicht hängen lassen: Wenn Merz und seine Regierung das fortsetzen, wird Deutschland in Europa und international endlich wieder zu einem Akteur und zu einer treibenden Kraft. Ein Kanzler allein kann die Welt nicht verändern. Aber wer das Amt wie ausfüllt, macht einen bedeutenden Unterschied.

 

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