Wann kapiert die SPD, was die Stunde geschlagen hat?

SPD Bär Foto: Laurin

In Frankreich stürzen Rechte und Linke gemeinsam die Regierung, Europa droht führungslos zu werden. In NRW steht den Sozialdemokraten bei den Kommunalwahlen am Sonntag ein weiteres Debakel bevor. Aber die verweigern wie die Parteifreunde jenseits des Rheins eine Politikwende und nehmen in Kauf, dass auch Deutschland von Extremisten übernommen wird.

Es gibt Tage, an denen hält man die Nachrichten kaum aus. Noch war der Schrecken des russischen Rekord-Terrorangriffs auf die ukrainische Hauptstadt vom Wochenende nicht verdaut, da erschoss in Jerusalem ein Palästinener sechs Juden. Am Abend beseitigten Frankreichs Rechts- und Linksextreme mit Hilfe der Sozialisten Premierminister Bayrou, weil der die riesigen Staatsschulden beschneiden wollte. Ihr Ziel: Präsidenten Macron zu stürzen, um selbst die Macht zu übernehmen. Der Preis: weitere Regierungsunfähigkeit – in einer Zeit, in der Europa so bedroht ist wie seit 1990 nicht mehr. Putin lacht sich ins Fäustchen.

Wenn das so weitergeht, ist bald ganz Europa gelähmt. Denn nicht nur im Nachbarland, dem wichtigsten EU-Partner, hat die Querfont der Antieuropäer von Marine Le Pen und des Linkspopulisten Melonchon faktisch die Macht an sich gerissen. Auch in Großbritannien liegt die Labour-Regierung danieder. Premier Stamer, der vor einem Jahr die Wahl nur deshalb gewann, weil die Konservativen komplett abgewirtschaftet hatten, sah sich zu einer Regierungsumbildung gezwungen, die keinerlei Aufbruch verspricht, während sich der Brexit-Urheber Nigel Farage am Wochenende auf seinem Parteitag schon als künftiger Regierungschef feiern ließ. In den Umfragen hat er Labour und die Tories längst hinter sich gelassen.

Die beiden militärisch wichtigsten Länder Europas, auf die es mit ihren Atomwaffen gegen Russland ankommt, da auf die USA mit Trump kein Verlass mehr ist, drohen daher in die Hände von Putin-Vasallen zu fallen. Mit der Koalition der Willigen zur Unterstützung der Ukraine wäre es dann vorbei. Und mit der Absicht, den Kontinent gemeinsam abwehrfähig zu machen. Deutschland, das im Vergleich noch relativ gut dasteht, würde isoliert. Die Orbans und Ficos in Osteuropa können sich die Hände reiben. Und mit ihnen der Kriegsherr im Kreml.

Die SPD verharrt in Blockadehaltung

Höchste Zeit also eigentlich, das eigene Land endlich fit zu machen für die Zukunft und mit dem Ballast von 16 Jahren Merkel-Regierung und drei Jahren Ampel aufzuräumen. Also das, wofür die Bürger die nicht mehr so neue Regierung im Februar gewählt haben. Aber die SPD drücken ganz andere Sorgen. Sie muss fürchten, am Wochenende weitere einstige Hochburgen im Ruhrgebiet zu verlieren, während die AfD wohl erneut zulegen wird.

Die Regierung in Berlin hat derweil ihre Mehrheit in den Umfragen eingebüßt, weil fast nichts voran geht. Die Rechtsextremen haben die Union eingeholt, wenn nicht überholt. Dahinter lautert die nicht weniger populistische Linkspartei.

Schwarz-Rot ergeht sich jedoch weiter im Klein-Klein. Nun wolle man wirklich in die Puschen kommen und den Streit hinter sich lassen, versprachen die Koalitionäre wider Willen vorige Woche bei ihrer ersten Klausur nach der Sommerpause. Wer jedoch denkt, nun gehe es an den Herbst der Reformen: weit gefehlt. Staatliche Leistungsverweigerung für die, die Arbeit verweigern, wie es CDU-Generalsekretär Linnemann erneut forderte und wie es einst der sozialdemokratische Kanzler Gerhard Schröder wollte? Da sei Bärbel Bas vor, die neuen starke Frau der schwächelnden SPD.

Die AfD muss gar keinen Wahlkampf mehr machen. Die sogenannten Parteien der Mitte erledigen das für sie. Und verkennen völlig, worum es geht: nicht nur darum, wer in Paris, London und Paris regiert – gemäßigte Politiker oder Rechts- und Linksnationalisten. Sondern um die Freiheit und Zukunft des ganzen Kontinents.

Putin und sein Konterpart Trump in Washington warten nur darauf, dass sich Europa ihren Freunden und Verbündeten ergibt. Dann muss Putin gar nicht mehr mit seiner Armee angreifen. Ein gelähmtes Europa, zwischen den Extremisten zerrieben: eine Horrorvorstellung. Und der feuchte Traum von Putin und Trump.

Bei den Kommunalwahlen in NRW, noch eine der wichtigsten Wirtschaftsregionen der Welt, dem ersten Stimmungstest seit der Bundestagswahl, steht deshalb auch das zur Abstimmung: Obsiegen wieder Radikale? Kommt die SPD endlich zur Vernunft? Oder geht alles weiter den Rhein und die Emscher hinunten?

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paule t.
paule t.
2 Monate zuvor

Kann mir jemand helfen?
Ich finde im Artikel die Stelle nicht, wo auch nur annähernd konkret gesagt wird, was die SPD denn bitte so dringend tun soll. Sprich, ich finde keinerlei einer Diskussion zugängliche Inhalte.
Stattdessen nur Phrasen a la „vorangehen“ (ist gut), „Klein-Klein“ (ist schlecht) und „Reformen“ (sind unbedingt nötig – aber welche denn, bitte?).

So bewegt sich das auf dem Niveau „Zukunft ist gut für alle“, nur in alarmistisch gestimmt. Aber das war immerhin als Satire gemeint.

Ich vermute ja mal, dass der Autor meint, die SPD solle sich doch um der Rettung des Vaterlands willen bitte komplett der konservativen Politik unterwerfen, und das nicht schreibt, weil a) es ihm subjektiv so selbstverständlich ist, dass nur das richtig wäre, oder b) er unbewusst merkt, dass das explizit ausgeschrieben doch ein bisschen albern klingt, oder c) beides.

mike_mh
mike_mh
2 Monate zuvor

„Sprich, ich finde keinerlei einer Diskussion zugängliche Inhalte“

Weil es die bei der SPD auch gar nicht mehr gibt. Es gibt keine Inhalte mehr, es gibt dort nur noch den Kampf gegen rechts. Die Zentralen Themen sind Einwanderung (besser gesagt ungesteuerte Migration), bezahlbare Energie und die reduktion des Sozialsystem auf ein vertretbares Maß (Zugang zum System, Zwang bzg. Arbeitsaufnahme).

„Und es ist ja auch keineswegs so, dass die böse, böse Union den Sozialstaat komplett schleifen will.“
@Herr Greve, lassen Sie es, der Kollege spricht es zwar nicht aus, aber allein das pauschale Draufhauen auf „Konservative Politik“ sagt mir schon, an einer ernsthaften Diskussion kein interesse ist.

„Doch vieleicht haben Sie ja praktikable Vorschläge, wie die Renten-, gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zukunftsfähig gemacht werden sollen in einer stark alternden Gesellschaft mit immer weniger Beitragszahlern. Und wie das trotz Rekordschulden wachsende Riesendefizit im Bundeshaushalt gestopft werden kann. Bin gespannt!“

Sein Vorschlag wird sein, die Steuern für Reiche noch mehr anzuheben. Oder noch mal ein Sondervermögen aufzunehmen.

mike_mh
mike_mh
2 Monate zuvor

„Befreiung der Schwachen aus Unmündigkeit“
„Heute: Menschen möglichst lange und so viele wie möglich in Abhängigkeit von Sozialleistungen halten, weil nur das aus ihrer Sicht ihr eigenes Tun legitimiert.“
Und das genaue Gegenteil passiert heute, heute wird die ganze Welt nach Deutschland eingeladen, um Unmündig vor sich her zu dümpeln. Da haben Sie recht. Es geht ja auch nicht um Migration an sich, sondern um ungeregelte Migration, welche vor allem Negativ für das einstige Kernklientel der SPD auswirkt. Und solange das so weitergeht, solange eine immer weitere Spirale der Hilflosigkeit und das Gefühlt, dass die Politik alle drängenden Fragen ausweicht, da werden sehr viele wortwörlich noch ihr blaues Wunder erleben.

Wobei diese Politik die hier so genannt wird nicht Konservativ ist, sondern Reaktionär. Für mich ist Konsevativ, das bewährte bewusst weiter zu entwickeln und gerade nicht in der Zeit hängen zu bleiben. Und die SPD war ja ab den 1960er Jahren keine Reaktionäre oder Revolutionäre Partei, sondern hat ja gerade das bewährte mit der Erneuerung ja Verbunden, nicht immer Gut, aber auch die CDU unter Kohl war ja nicht mehr die CDU unter Adenauer.

Und der genannte User hat eh ein Sozialneidproblem, in dem er unter anderem das Erben von Vermögen als Problematisch ansieht. Aber Menschen mit Vermögen darf man ja in diesem Land Hassen und gegen diese Hetzen, da muss man keine Angst haben und kann den Bademantel im Keller liegen lassen.

Robert Herr
Redakteur
2 Monate zuvor
Antwort auf  paule t.

Kann Ihnen leider nicht helfen, ich habe auch danach gesucht.

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