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#BTW2021: Mit einem historisch schlechten Wahlergebnis zum gefeierten neuen Kanzler?

Olaf Scholz (SPD), Foto: Roland W. Waniek

Vieles deutet aktuell darauf hin, dass der kommende deutsche Bundeskanzler sich nur der Unterstützung eines sehr geringen Teils der Bevölkerung sicher sein kann. Egal ob nun Armin Laschet (CDU/CSU), oder aber Olaf Scholz (SPD) nach der anstehenden Bundestagswahl am Ende des Abends siegesbewusst und zufrieden in die Kameras lächeln wird, er wird mit einem Ergebnis einen Sieg feiern, mit dem so in der Vergangenheit beider Parteien noch niemand auch nur ansatzweise zufrieden gewesen wäre, der sich als großer Wahlsieger gefühlt durfte.

Insbesondere im Falle von Olaf Scholz, der in den Meinungsumfragen mit rund 25 Prozent für die SPD für viele bereits wie der ausgemachte Sieger aussieht, kommt das überraschend. Erinnert sei in diesen Tagen nur einmal kurz an den noch heute in Reihen der Sozialdemokraten gescholtene Oskar Lafontaine, der bei der Bundestagswahl 1990 mit der SPD einen selten erlebten Absturz hinlegte, für seinen Wiedervereinigungs-kritischen Wahlkampf angefeindet wurde, aber immerhin noch 33,5 Prozent für die SPD erreichte, was damals einen Verlust von 3,5 Prozent im Vergleich zur Wahl von 1987 darstellte.

Wie würde man Scholz heute wohl dafür feiern, wenn er dieses Ergebnis anbrächte, mit dem Lafontaine damals aus Sicht seiner eigenen Partei krachend scheiterte und dementsprechend im Nachgang noch heftig kritisiert wurde. Scholz dürfte für rund 10 Prozent weniger (!!!) jetzt wohl schon zum in den eigenen Reihen frenetisch bejubelten Mann werden und mit lauten ‚Olaf, Olaf!‘-Sprechchören gefeiert werden. Die Welt ist schon ein Stück weit verrück, oder?

Wer jetzt innerlich jedoch mitleidig über den radikalen Niedergang der SPD lächelt, der sei kurz daran erinnert, dass auch die Union ja längst nicht mehr die Zustimmungswerte der damaligen Zeit erreicht. Damals versammelten sich noch 43,8 Prozent der Deutschen (Wähler) hinter der Politik von Helmut Kohl. Laschet versucht in diesem Wahlkampf verzweifelt die 30-Prozent-Marke zu erreichen. Vermutlich vergeblich.

Auch der Union sind demnach in den vergangenen Jahren reichlich Wähler abhandengekommen. Nun mag der Vergleich mit 1990 in ihrem Fall noch etwas ungerecht erscheinen, sorgte die Wiedervereinigungseuphorie von damals doch für eine Ausnahmesituation, die die Laufbahn von Helmut Kohl im Amt über etliche Male pushen sollte.

Doch sehen CDU und CSU auch in einem Vergleich mit den Wahlen der jüngeren Vergangenheit nicht wirklich gut aus. Sie erreichten, nach einem desaströsen Verlust von 8,6 Prozent (!!!) im Jahre 2017 immerhin noch 32,9 Prozent. Für dieses Ergebnis würde auch Laschet aus aktueller Perspektive am 26. September 2021 von den verbliebenen Unions-Anhängern wohl frenetisch gefeiert werden. 2017 herrschte noch das große Wundenlecken in Anbetracht des schwachen Ergebnisses.

Ganz egal also, wer uns von den beiden Herren in gut einer Woche nach der Wahl also mit einem gewinnenden Lächeln weismachen will, er wäre der große Sieger, er wäre so froh über und stolz auf das Ergebnis bzw. das Erreichte, er macht dem Wahlvolk etwas vor.

Völlig egal wer mit der Regierungsbildung und der Nachfolge von Angela Merkel beauftragt werden wird, es wird ein Verlierer sein. Zumindest dann, wenn man sein aktuelles Ergebnis mit dem seiner Partei in früheren Wahlen vergleicht.

Die ehemaligen großen ‚Volksparteien‘, sie sind inzwischen beide in einem jämmerlichen Zustand. Darüber sollten auch die siegesgewissen Gesichter am Wahlabend, von wem auch immer sie aufgesetzt werden, nicht hinwegtäuschen können.

Grund zur Zufriedenheit werden von den drei großen Parteien mit hoher Wahrscheinlichkeit nur die Grünen haben. Diese streben, trotz des gefühlten Absturzes zuletzt, mit rund 17 Prozent Zustimmung einem für sie historisch starken Wahlergebnis entgegen. Nur wird man das ihrem Lager am Wahlabend vermutlich nicht anhand der vielen bei ihnen vorherrschenden fröhlichen Gesichter ablesen können, obwohl ihnen im Vergleich zu 2017 sogar eine Verdopplung (!!!) ihres Stimmenanteils winkt.

Die Welt ist in den vergangenen Jahren gefühlt ja schon ein ganzes Stück weit verrückt geworden… aber die Bundespolitik wohl ganz besonders!

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yohak
yohak
2 Jahre zuvor

Stimmt, der nächste Kanzler wird nur über einen sehr sehr schwachen Wählerauftrag verfügen. Und das kann zu einer wirklichen politischen Krise führen, weil die führenden Parteien derzeit das Blaue vom Himmel versprechen (insbesondere: Klimaneutralität in wenigen Jahren ohne Wohlstandeinbußen) ohne Rücksicht auf Realisierbarkeit, und kaum Aussagen machen zu Problemen wie europäische Sicherheitspolitik, Inflation oder Migration.
Ich vermute, die nächste Regierung fängt mit mäßigen Zustimmungsquoten an, die anschließend rapide abstürzen werden, wenn zunehmend sichtbar wird, was unter den Teppich gekehrt wurde.

paule t.
paule t.
2 Jahre zuvor

Ich bin mir ja fast sicher, dass der/die nächste Bundeskanzler/in da eine Mehrheit hinter sich haben wird, wo es drauf ankommt. Dass sich in einem politischen System mit Verhältniswahlrecht und einer vom Parlament abhängigen Regierung nicht im Wesentlichen zwei große Parteien gegenüberstehen, sondern es eine vielfältigere Parteienlandschaft gibt, ist ja nichts, worüber man sich wundern müsste.

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[…] beide ‚großen‘ Parteien in den Meinungsumfragen aktuell zwischen 22 und rund 25 Prozent Zustimmung eingestuft werden, braucht ein zukünftiger Bundeskanzler, wer immer es am Ende werden wird, allem […]

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[…] beenden, blieben von diesen bisher unerhört. Die Demonstranten wollen ihr Treffen unbedingt noch vor der Wahl zugestanden bekommen, wie am Samstag berichtet […]

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[…] Homerun, glaubte außer fanatischen SPD-Unterstützern wohl niemand ernsthaft an einen möglichen Bundeskanzler Olaf Scholz. Eher schon galten die Grünen damals noch als zukünftige Anführer einer neuen Bundesregierung. […]

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