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Dortmund: SPD distanziert sich von Polizeipräsident Gregor Lange

 

Volkan Baran Foto: SPD-Dortmund
Volkan Baran Foto: SPD-Dortmund

Volkan Baran, der stellvertretender Fraktionssprecher der SPD im Dortmunder Rat und Mitglied im Polizeibeirat ist, zeigt sich tief enttäuscht und auch bei anderen in der SPD macht sich Unmut breit – Fraktion und Unterbezirksvorstand sehen das Verhältnis zum Polizeipräsidenten als „erheblich gestört“ an. Mit diesen Worten wurde es dem Polizeipräsidenten, wie Volkan Baran sagt, heute persönlich mitgeteilt. Zu der aktuellen Entwicklung in Blick auf den Katastrophen-Wahlsonntag meint Baran: „Für unsere Ratsfraktion wurde zunächst durch die Ankündigung von Polizeipräsident Gregor Lange, eine eingehende Untersuchung des Einsatzes am Wahlsonntag in die Wege zu leiten, das verloren gegangene Vertrauen wieder hergestellt. Doch das Vertrauen, dass die Vorgänge und Fehleinschätzungen sauber aufgeklärt werden, wurde durch den Bericht der Polizei, der das Ereignis grotesk verzerrt darstellt, gleich wieder zerstört“.

Eine erhebliche Störung in einem Verhältnis, das von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein sollte, ist eine harte Ansage gegenüber einem Parteifreund und ein sehr deutliches Signal an den Polizeipräsidenten. Baran macht auch deutlich, dass die SPD in den nächsten Tagen und Wochen die weitere Entwicklung im Polizeipräsidium sehr genau betrachten wird und bei einer erkennbaren Fehlentwicklung oder mangelnder Transparenz  notfalls auch entsprechende personelle Konsequenzen fordern werde. Langes fast fröhliche Aufforderung heute morgen auf Facebook  „Nach vorne schaun!“ wird Baran vermutlich nicht genügen.

Barans Kritik richtet sich aber auch an die Landesebene: Er fühlt sich von Innenminister Jäger verraten, der offenbar blind – und vermutlich auch ohne sich bei den unmittelbar betroffenen Genossen über die Lage an dem Abend zu erkundigen – den Bericht unterzeichnete. Das ist tatsächlich schwer nachvollziehbar, da viele der feiernden SPD-Mitglieder vor der Rathaustür standen und Augenzeugen der Ereignisse waren. Auch Jägers Parteifreund, SPD-Vorstand Franz-Joseph Drabig, war vor Ort und suchte inmitten der Tumulte persönlich das Gespräch zur Polizei, auch um zu helfen, die durch die rechten Gewaltangriffe eskalierende Situation zu befrieden. Gregor Lange hingegen hat sich offenbar am Wahlsonntag kein eigenes  Bild verschafft. Hier hat er wohl eine andere Philosophie als sein Vorgänger Wesseler, der zum Beispiel bei Nazi-Demonstrationen in der Regel persönlich anwesend war und die dringend notwendige Chef-Präsenz zeigte.

Heute wurde auch bei der SPD die Forderung laut, einen neuen Bericht vorzulegen, der insbesondere auch Zeugenaussagen und damit die Sicht der angegriffenen Opfer und der Beobachter vor Ort einbezieht und die Vorwürfe gegen die „Beschützer des Rathauses“ eindeutig von sich weist. Baran hat den Angriff  in vorderster Reihe miterlebt:  “In dem Bericht stehen Lügen. Es werden Volksvertreter diffamiert. Und an keiner einzigen Stelle wird auch nur im Ansatz die Sicht der Angegriffen dargestellt oder mit einbezogen. Hinzu kommt, dass ich mich zwei Tage nach dem Wahlsonntag als Zeuge zur Verfügung gestellt hatte – doch bis heute nicht als Zeuge vorgeladen wurde. Ein erkennbares und glaubwürdiges Bemühen um eine schnelle Aufklärung sieht anders aus.“ Zudem fragt sich der SPD-Unterbezirksvorstand, warum in dem Bericht nicht ein einziger gewalttätiger Naziübergriff erwähnt worden sei.

Dass die Polizei nun immer wieder in der Öffentlichkeit dazu auffordert, sich als Zeuge zu melden, ist angesichts der langen Wartezeiten bis zu einer Zeugenvorladung  geradezu paradox – nicht zuletzt, weil gerade die Polizei aus Erfahrung weiß, wie schnell sich Erinnerungen von präzisen Uhrzeiten zu  diffusen Aussagen entwickeln können. Da hilft gegen das Vergessen  nur ein Gedächtnisprotokoll, wie es zum Glück viele an dem Tag nach dem Wahlsonntag  angefertigt haben. „Um nicht wertvolle Zeit zu verlieren“, schlägt Nadja Lüders vor, die heute als SPD-Landtagsabgeordnete im NRW-Innenausschuss bei der Debatte dabei war: „Ich kann nur jedem Zeugen raten, eine schriftliche Anzeige direkt an die Staatsanwaltschaft zu schicken“. Kein dummer Gedanke, denn warum den langen Weg suchen, wen der kurze reicht – alle Anzeigen landen nach der offenbar wenig zügigen Bearbeitung durch die Polizei, ohnehin beim Staatsanwalt. Polizeipräsident Lange hingegen sieht eher keine Eile, sondern rät dazu: „… jetzt die staatsanwaltlichen Ermittlungen zu den Vorgängen am 25.05.2014 in Ruhe abzuwarten.“

Was die Staatsanwaltschaft aus den Anzeigen gegen die Rechten wegen Körperverletzung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung macht, ist jedoch noch vollkommen ungewiss. Aber auf politischer Landesebene darf man Eindeutigkeit erwarten, auch wenn man sich damit nicht zum „Darling“ der Dortmunder Polizei macht. Baran erwartet darüber hinaus, das sich Jäger politisch von dem Bericht distanziert und damit den Opfern seine Solidarität zeigt. Das wäre eine schöne Geste des Ministers  – zudem auch die eigenen Leute wie der SPD-Stadtbezirksvorstand Dirk Sanke von den Nazis zu Boden geschlagen wurden, um sich den Weg ins Rathaus sich gewaltsam zu frei zu räumen. Die Frage der SPD-Unterbezirksvorstandes, ob der von der Polizei befragte Rechtsextreme Michael Brück nicht vielleicht ein V-Mann sei, ist nicht nur hervorragend gestellt, sondern auch berechtigt, da Brück dem Staatsschutz offenichtlich als Hauptquelle für die Vorbereitungen auf den Sonntag und zur Gefahreneinschätzung diente. Auch diese Fragestellung lässt darauf schließen, dass die Sozialdemokraten die Nase richtig voll haben.

Dass Jäger bis heute den mehrmaligen Einladungen des Vorstandes eines der Mitgliederstärksten SPD-Unterbezirke nicht nachgekommen ist, wird ihm in Dortmund nicht viel Applaus eingebracht  haben. Doch stärker wiegt, dass er bis heute das schiefe Bild des Berichtes aus Barans Sicht nicht wirklich gerade gerückt hat und auch nicht die Verantwortung für die Berichts-Schieflage als Innenminister  übernommen hat. Durch seine Unterschrift unter den Bericht, hat Jäger das Vertrauen der SPD vor Ort gebrochen, zudem „Regierungsverantwortung einen Sozialdemokraten schließlich nicht davon entbindet, Fehler offen einzugestehen und Korrekturen vorzunehmen.“

Da sich die Kritik nicht an die diensthabenden Polizisten richtet,  sondern an die in verantwortlichen  Positionen sitzenden Beamte und den Staatsschutz, war es immerhin richtig die Debatte zum Wahlsonntag auch auf Landesebene zu führen, wie es von rot-grün mit Erfolg eingefordert wurde. Und so findet Nadja Lüders heute zumindest dafür anerkennende Worte, dass sich Ralf Jäger gegenüber den Landtagsabgeordneten äußerte, dass er die Bürger vor dem Rathaus verstehen würde und auch Verständnis für die anschließend geübte Kritik an dem Bericht, den er selbst unterzeichnet hatte, habe. Und auch den Vorschlag von Gregor Lange, nun in einen gemeinsamen Dialog einzutreten und über Gespräch wieder zu einem guten Kontakt zurückzufinden, sieht Lüders als guten Weg an. Doch bei aller Dialogbereitschaft sieht sie es als sinnvoll an, juristisch genau zu prüfen, ob  die volksverhetzenden Sprüche „Ausländer raus – Deutschland den Deutschen“ angesichts der Tatsache, dass nicht Einzelne, sondern eine ganze Gruppe mit über 20 Leuten die Parolen skandierten, nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Auch das war heute Thema im Innenausschuss -Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei NRW hatte zu dieser Frage Stellung bezogen. Zudem begrüßt Lüders, dass vom Polizeipräsidenten eine eingehende Untersuchung der Vorgänge durch externe Beamte geplant ist, anstelle die Sache allein intern aufzuarbeiten.

Lüders hat recht – Dialoge auf lokaler Ebene sind niemals ein falscher Weg. Aber Baran sieht das Problem längst internationaler – kein Wunder, wurde er doch von den beiden größten türkischen Nachrichtenagenturen ebenso wie von zahlreichen Medien in der Türkei zu dem Bericht des Innenministers und den Ereignissen in Dortmund befragt. Dazu gehören TV-Sender wie TRT 1, EURO D und Yol-TV ebenso, wie einer der auflagenstärksten Zeitungen der Türkei – die Hürriyet.

Baran meint: „Es hat mich sehr geschmerzt, über die schlimmen Ereignisse aus meiner deutschen Heimat berichten zu müssen. Der Schock über die NSU-Morde mitten in Deutschland, sitzt den Menschen in der Türkei immer noch tief in den  Knochen. Und so stellten mir  die türkischen Journalisten die Frage, was wir denn nach den Ereignissen am Wahlsonntag zukünftig  gegen den institutionellen Rassismus in Deutschland tun werden und fragten mich, ob der Staatsschutz in Deutschland nicht offensichtlich auf dem rechten Auge blind sei. Ich habe es als tief beschämend empfunden, dass der Bericht aus dem Innenministerium leider genau diese Vermutung zulässt.“

Kein Wunder, dass Baran, wie viele andere Menschen, die ihre Heimat in Deutschland und gleichzeitig enge kulturelle und persönliche Verbindungen zur Türkei haben, einfordern, sich nun endlich offen und ehrlich dem Problem des institutionellen Rassismus zu stellen. Im Kontext des Wahlsonntags muss die Frage erlaubt sein, ob nicht möglicherweise auch dieser eine Ursache für Fehleinschätzungen bei der Gefahrenbewertung  und zur Gewaltbereitschaft der Rechten zur Folge hatte. Das unfraglich schwierige Thema „Rassismus in Institutionen“ wird man sicher nicht durch Relativieren, durch Opfer-Täter-Vermischung,  durch Verharmlosung oder gar durch Totschweigen von Fehlern lösen können.

Vielmehr wird das Vertrauen der Stadtgesellschaft und der Dortmunder Migranten mit türkischen Wurzeln nur durch eine ehrliche und wenn notwendig auch harte Auseinandersetzungen mit eigenen Vorurteilen, die eine neutrale Urteilskraft bekanntlich schmälern, nun endlich auch bei der Polizei erfolgen wird. Die Probleme der Menschen in „der Hochburg des Rechtsextremismus“ sollten spätestens seit dem 25. Mai endgültig in Düsseldorf angekommen sein. Daher kann man erwarten, dass ein unbemerktes „Weiter so!“ bei der Polizei und beim Staatsschutz mit der SPD nicht möglich sein wird, zudem auch Oberbürgermeister Ullrich Sierau ‚not amused‘ über die Entwicklung wirkt und den Kampf gegen den Rechtsextremismus -ganz anders als Rechtsdezernentin Diane Jägers- schon lange auf dem Zettel ganz oben stehen hat.

Die Auslandspresse jedenfalls wird ganz sicher die Entwicklung in Dortmund wachsam begleiten, wie der Dortmund-Artikel einer der weltweit wichtigsten Zeitungen, der New York Times, bereits gezeigt hat. Wer kann es sich erlauben,  zweimal international blamiert dazustehen? Noch einen weiteren Patzer wird sich bei dieser internationalen Beachtung weder der Dortmunder Polizeipräsident, noch der NRW-Innenminister leisten.

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Torsten Sommer
9 Jahre zuvor

Danke für die deutliche Stellungnahme! Leider waren die Landtagsabgeordneten der SPD, die im Innenausschuss gesprochen haben sehr viel passiver. Die SPD insgesamt agiert hier sehr zerrissen.

Aber das kann die SPD im Landtag in der Plenarsitzung am nächsten Donnerstag (https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMPT16-63.html) bei Tagesordnungspunkt 5 (https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-6120.pdf) klarstellen.

Ich bin sehr auf die Debatte gespannt, die übrigens im Netz unter landtag.nrw.de und von der Zuschauertribüne verfolgt werden kann.

Zu dem Thema Zeugenaussage: Jede Zeugenaussage, die von der Polizei zu den Ermittlungsakten genommen wird, und werden muss, wird auch vom Rechtsbeistand des Beklagten eingesehen werden. Ein rechtsstaatlich richtiges Verfahren. Leider kommen die Nazis so in den Besitz von Namen und Adressen der Zeugen. Aktuelle Beispiele finden sich bereits auf deren Homepage. Auch wird inzwischen gegen Zeugen, die sich durchgehend neben den Geschehnissen befunden haben, wegen Nötigung ermittelt. Auch so kommen die Nazis wieder an Namen und Adressen.
Hier würde eine echte Ombudsstelle helfen. Der aktuelle Behelf, Büros von demokratischen Parteien als ladungsfähige Adresse anzugeben wird zwar von der Polizei akzeptiert, der Name des Klägers/Zeugen bleibt jedoch weiter einsehbar.

festus
festus
9 Jahre zuvor

Dieser Innenminister hat sich für mich schon bei bzw. nach der Loveparade gründlichst blamiert.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

@2: Ja, ich muss in den letzten Tagen auch immer wieder an den Umgang mit der Loveparade Katastrophe von 2010 denken. Das war vor 4 Jahren!!!!!
Was ist bis jetzt passiert?

Zumindest der Artikel in der NY Times nimmt eher wenig Bezug auf den Vorfall, sondern beschreibt die generell eher desolate Situation der Stadt inkl. der Sicherheitslage.

Jeder Marketing-Fachmann kann sich jetzt ausrechnen, was diese ständigen Negativ-Schlagzeilen auch wirtschaftlich bedeuten.

Ulrike Märkel
Ulrike Märkel
9 Jahre zuvor

@Torsten Sommer#1: Ich glaube, dass der entscheidende Unterschied bei der Bewertung durch die SPD ist, ob jemand selbst vor Ort war oder nicht. Ich habe mit vielen der „Rathausverteidiger“ und Umstehenden gesprochen. Allen sitzt der Schock noch tief in den Knochen. Volkan Baran zum Beispiel ist doppelt betroffen. Er stand in der vorderen Reihe bei dem Angriff und ihm wurde als Deutscher mit türkischen Wurzeln „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ ins Gesicht gebrüllt. Ich finde das immer noch unvorstellbar.

Problem der SPD ist, dass sowohl der kritisierte Polizeipräsident als auch der Innenminister Genossen sind. Pinkelt man den eigenen Baum an? Ich schätze die SPD wird nun Herrn Baran die Kritik vor Ort überlassen (die tut ja auch viel weniger weh, als die eines MdLs und man steht trotzdem in Dortmund nicht als Ja-Sager da) und wird sich dann aber auf Landesebene brav im Konsens üben und auf Dialog statt auf Aufklärung setzen. Dialoge tun ja niemanden weh. Spannend wird, ob SPD-Chef Drabig nicht doch langsam so richtig sauer ist, so dass er im vollmundig in der RN angekündigten „Gespräch mit dem Innenmister“ deutliche Worte statt einem „Dududu!“ gegenüber Jäger findet. Das könnte sogar sein – vor allem wenn die Anzeigen wegen Nötigung gegen die Sozialdemokraten laufen.

Jedenfalls ist sicher: Es wird Vertrauen in Dortmund erst wieder geschaffen sein, wenn die Fehleinschätzungen durch die angekündigte Untersuchung durch Externe was an’s Tageslicht bringt und endlich mal einer der Verantwortlichen statt Herumlavieren sagt: „Leute, wir haben was falsch gemacht. Das tut uns leid.“ Das wäre professionell, das hätte Größe.

Hannes
Hannes
9 Jahre zuvor

Pack schlägt sich, Pack verträgt sich

Angesichts dieser Verlautbarung des SPD-Unterbezirksvorstand Dortmunds kann man sich, wahlweise, ein ironisches Grinsen, ein bitteres Schmunzeln oder süffisantes Lächeln nicht verkneifen.
Das liegt einerseits an den schönen und treffenden Formulierungen, die die Verlogenheit, die Dreistigkeit und die Willkür der Dortmunder Polizeiführung offenlegen.
Andererseits daran, dass gerade Parteimitglieder der so arrogant auftretenden Dortmunder SPD dies schreiben und ihrem eigenen Polizeipräsidenten und Innenminister so deutlich gegen das Schienbein treten.

Wäre alles wie üblich verlaufen, hätten antifaschistische Jugendliche versucht irgendein Stadtteil-, Kirchen- oder Straßenfest davor zu bewahren, dass fast 30 stadtbekannte Schläger und Neonazis, mit volksverhetzenden Parolen und dementsprechenden T-Shirts als Pulk dort eindringen, dann wären sie mehr von den Nazis verprügelt worden, dann wären sie von der Polizei vermutlich noch anschließend inhaftiert worden und die Presse hätte unhinterfragt von Streit unter Jugendlichen oder auch provozierenden Linksextremisten geschrieben. Wie es so seit Jahren üblich ist, nicht nur, in Dortmund. Der Dortmunder Oberbürgermeister Sierau, wenn er überhaupt etwas dazu gesagt hätte, hätte wieder rechts mit links gleichgesetzt und den Jugendlichen ein Angebot zum Ausstieg aus dem „Linksextremismus“ gemacht.
Die Presse hätte dieses Szenario wie gewohnt so wiedergegeben und kein Sozialdemokrat, kein FDPler und kein Grüner aus Dortmund hätte etwas Gegenteiliges gesagt.
Nun war es diesmal das Dortmunder Rathaus, die offizielle Wahlparty am 25. Mai, erwachsene BürgerInnen und Abgeordnete aller Parteien die Akteure und die Presse war anwesend. Und sie bekamen das zu spüren was sonst immer Jugendliche und Antifas zu spüren bekommen. Bedrohungen, Beleidigungen, Schläge und Tritte der Nazis. Im Anschluss wird dieser Durchschnitt des gutbürgerlichen, staatstragenden und verwaltungs -und politgewohnten Teils der Dortmunder Gesellschaft von dem Polizeipräsidenten, unter zur Hilfenahme der Aussagen stadtbekannter Antisemiten und Nazis, beleidigt und sieht sich als besoffenen, randalierenden Haufen diffamiert. Die Bezirkspolitiker, die Stadtratsabgeordneten, die OB-Kandidatin, die Landtagsabgeordneten. Sie bekommen die gleiche Behandlung seitens der bundesdeutschen Polizei zu spüren, die seit ehedem den aktiven AntifaschistInnen vorbehalten war und ist. Eine Behandlung, die die ParlamentarierInnen eigentlich nie interessiert hat und die sie so vermutlich, wenn nicht gebilligt, dann doch den Betroffenen nicht geglaubt hätten.

Nun hat diese demokratische Auseinandersetzung mit der extremen Rechten nicht vor irgendwelchen sozialdemokratischen Bierzelten, fern von Demonstrationen und Events der Nazis gegeben. Sondern vor der Homezone des örtlichen Parlaments, da wohin es die Dortmunder Nazis nach jahrelangen Schlägern und Propaganda geschafft haben. Man konsumierte (man erlaube mir den Tonfall) bei diesem demokratischen Engagement nicht wie üblich eine Bratwurst, sondern eine Faschistenfaust. Dieses üble Erlebnis/Ergebnis bürgerlichen Engagements musste die grüne Landtagsabgeordnete und OB-Kandidatin Frau Daniela Schneckenburger einstecken. Diverse Parlamentarier Anderes.

Gerade bei ihr und den anderen angegriffenen Grünen, Sozialdemokraten und Freien Demokraten in Dortmund scheint zur Zeit der Traum einer gewissen Form der Zivilgesellschaft angegriffen zu sein. Der bürgerliche Traum, der den Staat und seine Repressionsorgane einbezieht.

Sehen wir uns mal Frau Schneckenburger an. Sie war es, die das Pilotprojekt des NRW-Verfassungsschutz am 27. April 2006 an den Dortmunder Schulen lobte. Gemeint ist der Kongress „Wir im Revier: für Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ im Dortmunder „Dietrich-Kreuning-Haus“ bei dem im April 2006 der Dortmunder Staatsschutz und der Verfassungsschutz 150 SchülerInnen aus 30 Schulen, alles Klassen- und SchulsprecherInnen, als MultiplikatorInnen im Sinne staatlicher Definitionshoheit belehren konnten, was denn Rechtsextremismus sei. Der NRW Verfassungsschutz gab eine eigene Broschüre dazu heraus und entwickelte damit einen Exportschlager in andere Bundesländer.
Drei Wochen vorher hatte der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) Mehmet Kubasik in der Mallinckrodtsraße, keine 600 Meter von dem Dietrich Kreuning Haus, erschossen. Während dieser achte Mord des NSU durch die ermittelnden Behörden zu einer Tat eines kriminellen Migrations-Milieus wurde, lobte die örtlichen Presse die Bemühungen der Polizei, des Staatsschutz und des Verfassungsschutzes gegen Rechts.
Frau Schneckenburger und ihr Lebensabschnittsgefährte der Pfarrer Friedrich Stiller vom „Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus“ ließen z. B. am 21. Juni 2007 in einem Interview der Westfälischen Rundschau die LeserInnen wissen: „Natürlich müssen wir bei den Jugendlichen ansetzen. Der Schülerkongress, den wir im vergangenen Jahr mit dem Verfassungsschutz durchgeführt haben, war gut. Aber so etwas müssten wir jetzt jedes Jahr machen….“

Man kann also durchaus von enttäuschter Liebe der Grünen-Chefin zum Staatsschutz reden, wenn Frau Schneckenburger am 24. Juni 2014 verlauten lässt: „Die Darstellungen des Staatsschutzes zu Ausschreitungen stadtbekannter Neonazis am Wahlabend des 25. Mai vor dem Rathaus in Dortmund befremden in mehrfacher Hinsicht…“ etc.
Aber schon am 26. Juni heißt es bei Ihr, „Ich begrüße, dass die Dortmunder Polizei dabei das Angebot an die Protestierenden vor dem Rathaus gemacht hat, in einen Dialog zu treten. …“

Den Dortmunder Sozialdemokraten dürfte es ähnlich gehen, Parteidisziplin oder der eigenen Wahrnehmung vertrauen. Das ist hier die Frage.

Man wird sehen, bei wem und wie in Dortmund die Ereignisse des 25. Mai 2014 verarbeitet werden. Wie das Verhältnis der bürgerlichen Parteien und deren Mitglieder zu den Repressionsorganen und der Entwicklung eines antifaschistischen Widerstands sich entwickelt.
Schaut man die die Geschichte Deutschlands, der SPD und der Grünen an, so wird man den Verdacht nicht los:
„Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“

oder auf die Parteien differenziert:
„Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten“ und
„Gott schütze uns vor Pest und Viren und dass die GRÜNEN uns regieren!“

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

Die SPD-Laienspielgruppe „Rote Grütze“ proudly presents:

„Die Geschichte von Kain und Abel unter den Brüdern zur Sonne, zur Freiheit.“

in den Hauptrollen:
ein völlig unqualifizierter Ex-Beamter aus dem Innenministerium als Polizeipräsident

ein Ex-Groß und Außenhandelskaufmann mit abgebrochenem Pädagogikstudium als Innenminister

in den Nebenrollen:
eine Menge anderer Sozialdemokraten und eine Kiste Bier

zur Handlung:
Der rote Gregor, langjähriger Referent im Innenministerium, bekommt von seinem Freund, dem roten Ralf, aufgrund seines roten Parteibuches den Posten des Dorfsheriffs in einer der gefährlichsten und rechtsradikalsten Städte des Landes. Am Wahlabend stellen ihm jedoch die Braunen, die seit Jahren die Stadt tyrannisieren, eine Falle, in die Gregor und seine Leute lustig und munter hineintappen und das Schicksal nimmt seinen Lauf….

—————

Wäre der Hintergrund nicht so erdrückend, könnte man sich über diese sozialdemokratische Provinzposse köstlich amüsieren.

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Wenn Baran den Polizeibericht für falsch hält, stände ihm der ja gerichtliche Weg offen (Unterlassungserklärung, Gegendarstellung usw.). Den scheut er wohl. Statt dessen probiert er es mit „Druck“ über die Partei und über die Auslandspresse. „Druck“ ist aber kein Ersatz für eine unparteiliche Klärung der Vorfälle. Dem „Druck“ mag vielleicht ein Innenminister nachgeben – aber kein unabhängig denkender Mensch wird sich durch bloßen „Druck“ überzeugen lassen.

Rainer
Rainer
9 Jahre zuvor

Es sieht doch so aus, dass gute Argumente in Dortmund nicht zu wirken scheinen. Das Willkür und Parteienfilz dafür sorgen, dass die Polizei ungeschoren die demokratischen Werte und die Stadtgesellschaft beschädigen kann. Wenn jetzt Medien und Politik von außerhalb Dortmunds kritischere Worte verlautbaren lassen als innerhalb Dortmunds, spricht das doch dafür, dass in Dortmund ein bedrückendes hierarchisches und undemokratisches Klima herrscht.
Wenn Herr Baran den Polizeibericht für tendenziös und verfälscht hält (und da sind sehr viele PolitikerInnen mit ihm d`accord.) ist das sein gutes Recht, verbrieft und verbürgt durch das Grundgesetz.
Der Verweis auf angebliches „Druck machen“ und das Anrufen von Gerichten (wozu eigentlich?), offenbart wie groß die Sorge in Dortmund ist, dass das „business as usual“ nicht so weiter geht.

Ulrike Märkel
Ulrike Märkel
9 Jahre zuvor

@Rainer Möller#7: Den Vorwurf verstehe ich nicht. Journalisten haben Volkan Baran Fragen gestellt und er hat sie beantwortet. Das ist sein Job als Politiker.

Die Kritik der SPD am Innenminister und am Polizeipräsidenten muss zu einer unparteilichen Klärung führen. Es kommt also darauf an, wer genau die von Polizeipräsident Lange angekündigte Überprüfung der Vorfälle bei der Polizei durchführt und wie unparteilich derjenige tatsächlich ist. Druck auszuüben, dass die Prüfung objektiv, extern und detailliert erfolgt – auch in Blick auf die Rolle der Stadtverwaltung – ist in diesem Fall berechtigt.

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Wenn man von vornherein gewillt ist, die Polizei und die Stadtverwaltung als parteilich anzusehen und wenn man eine „externe“ Prüfung will – dann wäre die Konsequenz normalerweise, dass man vor Gericht geht. Dafür sind Gerichte schließlich da: sie sind unparteilich, insofern sie an Regeln gebunden sind und nicht politisch eingeschüchtert werden können. Wer bitte schön soll denn die angestrebte „unparteiliche externe“ Prüfung sonst vornehmen? Da bin ich doch mal gespannt auf die Vorschläge!

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[…] betroffenen „Rathausverteidiger“, waren sehr viele SPD-Mitglieder. Das lässt auf einen breiten Protest der SPD, der sich an die Landesebene richtet, auch durch Stadt-Chef Ullrich Sierau, hoffen. Der findet […]

Catweazle
Catweazle
9 Jahre zuvor

Lange und Jäger werden hoffentlich beide demnächst zusammen in die Wüste geschickt, da völlig unfähig für diese Ämter!

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