
Die Rückkehr von Frank Baumann in eine verantwortliche Position im Profifußball hat vielerorts für Aufsehen gesorgt – und für Unverständnis. Dass ausgerechnet er als neuer Sportvorstand des FC Schalke 04 verpflichtet wurde, wirft eine ganze Reihe von Fragen auf.
Fragen nach sportlicher Vision, Führungsqualität und notwendiger Veränderungsbereitschaft. Die Entscheidung wirkt wie ein Schritt zurück in eine Zeit, in der Stillstand und Mittelmaß regierten – nicht wie ein Aufbruch in eine sportlich ambitionierte Zukunft.
Baumann war über Jahre hinweg das sportliche Gesicht von Werder Bremen – als Spieler, später als Geschäftsführer Sport. Er verkörperte Kontinuität, Loyalität, hanseatische Ruhe. Tugenden, die grundsätzlich ehrenwert sind, in seinem Fall aber in entscheidenden Momenten zu Passivität und Mutlosigkeit führten.
Seine Bilanz als Sportchef bei Werder ist durchwachsen: Unter seiner Ägide verpasste der Klub mehrfach das Saisonziel, stieg 2021 sogar in die 2. Liga ab. Der anschließende Wiederaufstieg war mehr Pflicht als Meisterleistung, während eine nachhaltige sportliche Konsolidierung ausblieb. Zu oft wirkte Baumann dabei wie ein Getriebener, der nur auf Entwicklungen reagierte, statt sie aktiv zu gestalten.
Gerade in Zeiten, in denen viele Klubs neue Impulse suchen – in der Kaderplanung, in der Spielphilosophie, in der Außendarstellung –, wirkt Baumann in Gelsenkirchen wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Daran konnte auch die überraschende Verpflichtung des bisher hierzulande weitestgehend unbekannten Miron Muslic als neuen Cheftrainer der Knappen nichts ändern. Auch hier hätten einige im Umfeld des Klubs wohl lieber ein paar Nummern größer gedacht. Aufbruchstimmung und neuen Optimismus konnten in Gelsenkirchen jedenfalls weder die Verpflichtung von Baumann noch die von Muslic auslösen. Eher im Gegenteil! Die Skepsis im Fanlager ist beiden gegenüber groß.
Nicht ganz unerwartet. Baumanns Transfers in Bremen waren selten mutig, häufig defensiv gedacht. Junge, entwicklungsfähige Spieler wurden oft zu spät entdeckt oder nicht konsequent eingebunden. Stattdessen setzte man auf vermeintlich verlässliche Kräfte ohne Entwicklungspotenzial. In einer Liga, in der strategische Planung, analytisches Scouting und moderne Führungsmodelle über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, genügt es nicht mehr, „solide Arbeit“ abzuliefern. Es braucht klare Ideen – und den Mut, sie umzusetzen. Gerade auch auf Schalke, wo die Entwicklung in den vergangenen Jahren ohnehin schon auf einen Abgrund zuführte.
Zudem bleibt fraglich, wie Baumann mit dem immensen öffentlichen Druck umgeht, der beim Revierklub allgegenwärtig ist. In Bremen war seine Kommunikation zurückhaltend bis ausweichend, die Außendarstellung farblos. Das wird bei den Königsblauen so nicht funktionieren. In einem Umfeld, das nach Orientierung und Profil verlangt, ist das zu wenig.
Gerade ein Sportvorstand muss heute mehr sein als ein farbloser Verwalter: Er muss Identifikationsfigur, Krisenmanager und Zukunftsdenker zugleich sein. Baumann hat in der Vergangenheit nicht bewiesen, dass er dieser Vielschichtigkeit gewachsen ist.
Noch problematischer erscheint die Verpflichtung vor dem Hintergrund der aktuellen Situation des Vereins. Wer sich für Baumann entscheidet, sendet das Signal: Wir setzen auf Verlässlichkeit statt Erneuerung, auf Verwaltungsroutine statt kreativen Neuanfang. Das mag kurzfristig beruhigend wirken – auf lange Sicht aber ist es gefährlich. Denn es zementiert einen Status quo, der vielerorts bereits als nicht mehr zukunftsfähig erkannt wurde.
So bleibt am Ende ein bitterer Beigeschmack: Statt nach vorn zu schauen, blickt man in Gelsenkirchen zurück. Statt mutig zu gestalten, wird verwaltet. Die Verpflichtung von Frank Baumann mag aus der Innenperspektive nachvollziehbar erscheinen. Doch aus externer Sicht ist sie vor allem eines: eine vertane Gelegenheit.