Alex Feuerherdt: BDS und Kulturindustrie

Alex Feuerherdt referierte zum Thema "BDS & Kulturindustrie" im Stapeltor; Foto: Peter Ansmann
Alex Feuerherdt referierte zum Thema „BDS & Kulturindustrie“ im Stapeltor; Foto: Peter Ansmann

Alex Feuerherdt, Publizist und Autor von „Die Israel-Boykottbewegung“, informierte am Mittwochabend im Stapeltor in Duisburg über die antisemitische BDS-Kampagne. Zusammen mit Ruhrbaron Kaya Gerçek habe ich die Veranstaltung besucht.

BDS und Kulturindustrie

Etwas über 30 Interessierte fanden sich am 22.03.2023 in den Räumen des soziokulturellen Zentrums Stapeltor ein. Alex Feuerherdt ging im Prolog auf die aktuellen und „populärsten“ Fälle der antisemitischen Ausfälle von Vertretern der BDS-Bewegung ein: Die Documenta15, auf der unter anderen Juden als Nazis und Schweine dargestellt wurden, und den Musiker Roger Waters: Auf dessen Konzerten geht schonmal ein aufblasbares Schwein in die Luft, auf dem ein Davidstern – neben anderen Symbolen – zu sehen ist. In einem SPIEGEL-Interview in dieser Woche bezeichnete er Israel als „Experiment“, das „ein Fehler“ gewesen sei.

BDS & Kulturindustrie: Thema im Stapeltor zu Duisburg; Foto: Peter Ansmann
BDS & Kulturindustrie: Thema im Stapeltor zu Duisburg; Foto: Peter Ansmann

Das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel hatte bereits im Januar 2022 Anhänger von „Boycott, Divestment and Sanctions“ als Akteure der Documenta15 thematisiert, darauf reagiert wurde aber nicht – eine Abmahnung gegen die Ruhrbarone mal ausgenommen.

Hintergrundinformationen zum BDS

Alex Feuerherdt ging, nach diesem Exkurs, auf die Entstehungsgeschichte und die Kernforderungen des BDS ein. Die Kampagne – und Bewegung – die sich gerne als Aktion der palästinensischen Zivilgesellschaft darstellt, hat mit dieser recht wenig gemeinsam: Auf der Gründungsurkunde wird am vorderster Stelle das Council of Palestinian National and Islamic Forces in Palestine genannt. Dieser Vereinigung gehören die Terrororganisationen Hamas, Islamischer Dschihad in Palästina, PFLP und Fatah an.

"Die Geburt der BDS-Bewegung in Durban"; Foto: Peter Ansmann
„Die Geburt der BDS-Bewegung in Durban“; Foto: Peter Ansmann

Ausführlich ging Alex Feuerherdt anschließend auf die Kernforderungen des BDS ein. Und was die Umsetzung dieser schwammig formulierten Agenda bedeuten würde: Die Auslöschung des jüdischen Staates.

BDS = Antisemitismus

Weshalb BDS klar antisemitisch – unter dem Deckmantel des Begriffs „israelkritisch“ – einzuordnen ist, machte Alex Feuerherdt anhand der Arbeirsdedinition des Begriffs Antisemitismus klar:

Auch mit der Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) lässt sich feststellen, dass BDS unter diese Begriffsbestimmung fällt. Laut dieser Definition sind beispielsweise die folgenden Sachverhalte antisemitisch:

Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z. B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.

Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird.

Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.
Unabhängig von solchen Definitionen muss man die Frage stellen, was die Angriffe von BDS gegen Israel für das heutige Judentum bedeuten. Dazu sei kurz ausgeholt. Nach der Shoa und der Gründung des jüdischen Staates verschoben sich die Epizentren jüdischen Lebens. Zuvor befanden sie sich vor allem in Europa und den arabischen Ländern. Doch zwei Drittel der europäischen Juden wurden im Holocaust vernichtet, viele der Überlebenden flohen ins britische Mandatsgebiet Palästina respektive nach Israel oder in die USA. In den arabischen Ländern gab es antijüdische Pogrome und Vertreibungen, die zu einem Massenexodus der Juden führten, die dort lebten. 1945 gab es noch rund 900.000 Juden im arabischen Raum, heute sind es nur noch wenige Tausend. Die meisten geflüchteten orientalischen Juden gingen nach Israel.

Die Shoa und die Flucht und Vertreibung der orientalischen Juden hatten zur Folge, dass sich die Zentren jüdischen Lebens von Europa und der arabischen Welt an zwei andere Orte verschoben: in die USA, wo die Zahl der Juden mit der Masseneinwanderung osteuropäischer Juden ab 1880 sprunghaft anstieg, und, nach fast zweitausendjähriger Unterbrechung, zurück nach Israel. Heute leben 85 Prozent der Juden weltweit in den Vereinigten Staaten und in Israel, zahlenmäßig sind sie dort annähernd gleich verteilt. Die Geschichte der Juden in den USA ist ohne Zweifel eine Erfolgsstory, die in der westlichen Welt ihresgleichen sucht. Aber sie waren stets eine kleine Minderheit unter vielen anderen Gruppen, die die amerikanische Gesellschaft ausmachen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist in den vergangenen fünfzig Jahren von drei auf zwei Prozent gesunken, und ihre Zahl wird demografischen Prognosen zufolge in den kommenden Jahrzehnten stark schrumpfen.

Weil rund vier Fünftel aller Juden in Amerika und in Europa sich Israel eng oder sehr eng verbunden fühlen, empfinden viele von ihnen es als einen Angriff auf das Judentum, wenn die Israel-Boykotteure in ihrer Propaganda den einzigen jüdischen Staat der Welt ständig in den Dreck ziehen. Wenn die BDS-Bewegung behauptet, sie richte sich nicht gegen Juden, dann geht sie dabei über die große Mehrheit der heute lebenden Juden hinweg, in deren Selbstverständnis Israel sehr wohl eine große Bedeutung zukommt. Weil die Israel- Boykotteure Zionismus grundsätzlich für verbrecherisch halten, richtet sich ihr Hass zwangsläufig auch gegen den überwältigenden Großteil der Juden außerhalb Israels, sofern diese nicht bereit sind, sich von ihrem Verständnis des Judentums zu verabschieden. Für einen derartigen Angriff auf ein wichtiges Symbol des Judentums und auf eine wesentliche Komponente jüdischer Identität gibt es einen Begriff: So etwas nennt man Antisemitismus.

BDS und der ESC 2019

Roger Waters war beim Thema Boykottaufruf gegen den ESC 2019, der in Tel-Aviv stattgefunden hat nachdem im Vorjahr eine israelische Sängerin den ESC gewonnen hatte, wieder Thema: Er setzte Künstler, die dort auftreten wollten, unter Druck. Madonna, Lady Gaga und die Rolling Stones – unter anderen – positionieren sich klar gegen diesen. 

Alex Feuerherd: „Auch Nick Cave zählt dazu; im Herbst 2017 erklärte er auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv, wie BDS bei ihm eine Jetzt-erst-recht-Haltung auslöste: „Letztlich gibt es zwei Gründe, warum ich hier bin. Einer ist, dass ich Israel und die Israelis liebe. Der andere ist, einen grundlegenden Standpunkt zu beziehen gegen jeden, der versucht, Musiker zu zensieren und mundtot zu machen. Also kann man in gewisser Weise sagen, BDS hat mich dazu gebracht, in Israel zu spielen.“ 

Der Boykottaufruf und die Gegenveranstaltung zum ESC floppten.

Das Logo der BDS-Kampagne gegen den israelischen ESC diente damals ebenso der Dämonisierung Israels. Die Ruhrbarone haben dies damals thematisiert.

Alex Feuerherdt, Florian Markt: Die Israel-Boykottbewegung; Foto: Peter Ansmann
Alex Feuerherdt, Florian Markt: Die Israel-Boykottbewegung; Foto: Peter Ansmann

BDS in Deutschland

Bei den Aktivitäten der Kampagne in Deutschland, ging Alex Feuerherdt – neben den antisemitischen Highlights der letzten Documenta – auf die Boykottaufrufe gegen das Pop-Kultur-Festival in Berlin und den kamerunischen Historiker und Philosophen Achille Mbembe und dessen Einladung zur Ruhrtriennale ein. Eine Ausladung fand nicht statt, das unappetitliche Event fiel der Corona-Pandemie zum Opfer.

Die Gründe, dass die BDS-Kampagne in Deutschland auf weniger Gegenliebe als in anderen stößt, ist auch historisch bedingt: Aufrufe wie „Kauft nicht bei Israelis“ sind in deutschen Landen aus historischen Gründen als „verdächtig antisemitisch“ eingestuft. Mit Recht.

Diskussion

In der anschließenden kurzen Diskussion, auf zwei Teilnehmer an diesem Abend könnte die Kategorie „israelkritisch“ zutreffend sein, ging Alex Feuerherdt auf andere Aspekte im Nahost-Konflikt ein:

  • Auf die Friedensangebote seitens Israel im Jahre 2001 – Land gegen Frieden – die von palästinensischer Seite mit Terroranschlägen beantwortet wurden
  • und den Angriffskrieg, kurz nach der israelischen Staatsgründung.

Problematisch sieht Alex Feuerherdt auch die Rolle des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge, der Status des Flüchtlings wird – einzigartig in der Welt – hier vererbt. 

Älteres Plakat von Keren Hayesod in Tel Aviv - Palästina, eine Region - kein Staat; Foto: Peter Ansmann
Älteres Plakat von Keren Hayesod in Tel Aviv – Palästina, eine Region – kein Staat; Foto: Peter Ansmann

Aus den ursprünglich 700.000 Arabern, die nach dem Unabhängigkeitskrieg Israel verlassen haben (Nachdem die arabischen Staaten den Plan, das britische Mandatsgebiet in einen arabischen und einen jüdischen Staat zu teilen abgelehnt hatten!), sind durch diesen Sonderstatus inzwischen 5,4 Millionen Flüchtlinge geworden.

Eine Rückkehr dieser mehrheitlich muslimischen Gruppe, eine Forderung des BDS, wäre das Ende des jüdischen Staates.

Hierbei ging der Referent auch auf den Kampfbegriff „Palästinenser“ ein: 1948 waren die Menschen, die sich im britischen Mandatsgebiet Palästina als Palästinenser bezeichneten, in erster Linie Juden. Die heutige Jerusalem Post, von der Jewish Agency gegründet, hieß bis 1950 Palestine Post.

Das Palästina immer nur Bezeichnung für eine Region war und es noch nie eine palästinensische Nation gab, das ist BDS-Bewegung egal, weil es ihr nur um eines geht:

Den einzigen jüdischen Staat von der Landkarte zu tilgen.

Damit sowas nicht passiert und Rattenfänger vom BDS keinen Erfolg haben, sind Veranstaltungen wie diese wichtig.

Danke an Alex Feuerherdt und das Stapeltor für dieses Event!

Alex Feuerherdt referierte über die BDS-Bewegung; Foto: Peter Ansmann
Alex Feuerherdt referierte über die BDS-Bewegung; Foto: Peter Ansmann

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