Wir brauchen den ÖRR mehr denn je!

ARD Logo aus den 70er Jahren Lizenz: Gemeinfrei

Der Skandal um die RBB-Intendantin Schlesinger ist ein gefundenes Fressen für alle, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowieso ablehnen. Und er offenbart sicherlich Fehlentwicklungen und Schwachstellen bei diesem unüberschaubar großen Apparat. Dass es solche Schwachstellen gibt, ist aber kein Argument gegen den ÖRR. Vielleicht sogar umgekehrt.
Denn das Phänomen, dass Personen mit einer gewissen Macht den Sinn für die Ehrlichkeit verlieren oder dass Personen ohne so einen Sinn sogar leichter an die Macht kommen, dieses Phänomen ist weder neu noch auf den ÖRR beschränkt. Das gibt es in der Verwaltung, im Sport, in der Politik. Das gibt es auch in der Wirtschaft. Nur ist es dort systeminhärent. Dass ein Manager sich bereichert, gehört zu seiner Berufsbeschreibung. Im Idealfall wächst sein Profit proportional zu dem der Firma, deswegen fällt es nicht auf. Wenn er es auf Kosten der Firma tut, fällt es schneller auf als in einem Betrieb wie der ARD. Aber das ist kein Grund, die ARD abzuschaffen. Es kann auch in Universitäten geschehen, in Ministerien oder Verkehrsclubs. Daraus folgt ja auch nicht, dass man Universitäten, Ministerien oder Verkehrsclubs abschaffen sollte.

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Über das Tilgen von Wörtern

Personen, die Wörtern zum Abschied hinterherwinken. Foto: R. v. Cube

Dieser Tage geht es wieder viel über Wörter und welche man benutzen sollte und ob sie jemand verbieten will. Wie immer wird die Diskussion in Superlativen und mit Schaum vorm Mund geführt. Es kostet Kraft und Zeit, überhaupt herauszufinden, was die sich anschreienden Parteien eigentlich wollen. Das liegt daran, dass diejenigen, die eine Idee oder eine Kritik daran haben, meist nicht die gleichen sind, die diese Ideen oder diese Kritik im Ring verteidigen. Die Kämpfer an der Twitter-Front brechen sich aus der differenzierten Betrachtung grobe Stücke heraus, die sie als Keule verwenden, um auf den anderen einzuschlagen.

Kürzlich erschien ein Artikel in der NZZ, der wohl auf einen Beitrag in der New York Times zurückgeht, in dem vor der Abschaffung des Wortes „Frau“ gewarnt wird. Aufhänger ist ein Schreiben der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU zum Thema Abtreibungsrecht, in welchem angeblich das Wort „Frau“ nicht vorkomme.

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Hauptsache Streit – Zur Vortragsabsage an der Humboldt Universität

Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin im Palais des Prinzen Heinrich Foto (Ausschnitt): Christian Wolf (www.c-w-design.de) Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Die Absage eines Vortrags der Biologin Marie-Luise Vollbrecht bei der Humboldt-Universität Berlin zeigt mal wieder die Unredlichkeit auf allen Seiten in Zeiten des Internet-Kulturkampfes. “Transaktivisten” wie “Transkritiker” (in Ermangelung besserer Begriffe) schlachten das Ereignis gleichermaßen und teilweise sogar mit den gleichen Argumenten für sich aus. Da kann man eigentlich nur der seufzende Dritte sein und sich die Debatte von außen anschauen.

Die bekannten Fakten sind dürftig: Die Humboldt-Universität hatte die Biologin Marie-Luise Vollbrecht zu einem Vortrag mit dem Titel „Geschlecht ist nicht gleich (Ge)schlecht. Sex, Gender und warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt“ zur „Langen Nacht der Wissenschaften“ eingeladen. Vollbrecht ist Mitautorin des umstrittenen „Welt“-Artikels über Transsexualität, der seinerseits starken Protest ausgelöst hatte. Die Gruppierung „Arbeitskreis kritischer Jurist*innen“ sowie der Referentinnenrat (RefRat) der Universität hatten daraufhin zu einer Demonstration gegen den Vortrag aufgerufen. Laut Universitätssprecherin seien dann auch „Gegenaktionen von Vollbrecht-Unterstützer:innen angekündigt und vorbereitet“ worden. Es habe daher Sicherheitsbedenken gegeben.

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Barfuß und fernsehfrei – Das Schloss Elmau meiner Kindheit

Elmau vor dem Brand. Foto: R. v. Cube

Den Schauplatz des G7-Gipfels kenne ich ja wie meine Westentasche.
Erstaunen und Wehmut packen mich, wenn ich dieser Tage Nachrichten schaue. Wenn ich die vertraute Sillhouette mit dem Türmchen sehe, die gelbe Fassade mit dem grünen Dach. Dahinter die Wettersteinwand. Hier verbrachte ich Sommerferien. Elmau, mein Saltkrokan. Verwirrung, wenn ich dann G7 höre und mächtigste Männer der Welt und dass der Koch für Sonderwünsche auch mal Trüffel einfliegen lässt. Ein würdiger Ort für die Elite der Elite.
Nein, ich bin nicht in Luxusressorts aufgewachsen. Elmau war einmal ein verwunschenes, verschrobenes Reiseziel, das auch normale Menschen sich leisten konnten, sofern eben ein oder zwei Wochen in einem Hotel mit Vollpension in Frage kamen. Sofern man keinen Fernseher auf dem Zimmer brauchte und sich vorschreiben lassen wollte, wo man sitzt. Sofern man sich von Laien das Essen bringen lassen und mittags ein Lunch-Paket mit hartgekochtem Ei bekommen wollte, falls man einen Ausflug macht.

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Prinzipiell pazifistisch

Zäune zu Patronen. Foto: R. v. Cube

Wie wohl für meine Generation typisch, kenne ich den Krieg aus den Erzählungen meiner Großmutter. Und dabei sind Gartenzäune das Bild, das mir am stärksten im Kopf geblieben ist. Abgesägte Gartenzäune. Das, und die Tatsache, dass ihr geliebter Bruder am Ende eingezogen wurde, als er eigentlich noch ein Kind war. Nur um getötet zu werden. Das mit den Gartenzäunen hatte sie mir beim Spazierengehen erklärt. Heute sieht man das gar nicht mehr so oft, aber in den 80er Jahren war es normal, dass die Vorgärten von kleinen Mauern gesäumt wurden, aus denen, wie abgebrochene Zähne, die Stümpfe von Eisenzäunen herausragten. Die wurden abgesägt, um daraus Munition zu machen. Diese Information hat mir als Kind schlagartig die Absurdität des Krieges klargemacht. Dass die Menschen immer noch weiterschießen, obwohl sie schon alles verfeuert haben. Dass sie, wie Hungernde auf der Suche nach Essensresten, durch die Städte laufen und verdammte Zäune absägen, um selbst die noch zu Kugeln einzuschmelzen – und das nur, damit auch noch die 17-Jährigen erschossen werden.

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Von Regeln und Gewissen

Anarchie oder Disziplin? Foto: R. v. Cube

Sollte man der AfD den Vorsitz im Innenausschuss zugestehen? Die Frage führt weiter, als man im ersten Moment denken mag. Für eine Erläuterung des zugrundeliegenden Problems und der betroffenen Regelungen sei die jüngste Episode des Podcasts „Die Lage der Nation“ empfohlen. Zusammengefasst kann man sagen, dass der AfD das Recht zusteht, einen Vorsitzenden für den Innenausschuss (und für weitere Ausschüsse) vorzuschlagen. Dies ist auch geschehen. Nun ist es bisher parlamentarische Gepflogenheit gewesen, diese Vorschläge auch zu akzeptieren. Allerdings sieht das Reglement auch eine Wahl vor, wenn der Vorschlag nicht angenommen wird. Und diese Wahl ging nun zuungunsten der AfD-Kandidaten aus.
Das ist ein Novum (oder zumindest unüblich). Denn natürlich soll in einer Demokratie auch die Opposition die Möglichkeit haben, Politik mitzugestalten und ihre Sicht einzubringen. Es ist nicht wünschenswert, dass die regierende Mehrheit ihre Macht ausnutzt und die Opposition aus allen Gremien herauswählt, die eigentlich dafür da sind, der Regierung auf die Finger zu schauen. Ob die AfD möglicherweise einen rechtlichen Anspruch auf diesen Posten hat, wird sich wahrscheinlich vor Gericht klären. Aber man kann auch so schon fragen, ob es richtig ist, dies mit allen Mitteln zu verhindern.

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Die Querdenker haben sich längst selbst abgespalten

Querdenker Foto: Leonhard Lenz Lizenz: CC0

Ein Mann erschießt einen Tankwart, weil dieser ihn zum Tragen einer Maske aufgefordert hat. Eine Gruppe von Querdenkern plant kaum verhohlen die Ermordung eines Ministerpräsidenten. Ein Impfverweigerer tötet seine Familie und sich selbst. Wenn das die Spitzen sind, will man nicht wissen, wie der Eisberg aussieht. Zumindest die Politik will das nicht wissen, offenbar. Da wird davon gesprochen, dass eine Impfpflicht zu einer „Spaltung“ der Gesellschaft führen könnte. Offenbar in der Sorge, eine Gruppe von Personen zu verprellen, die in Wahrheit längst eine wahnsinnige, apokalyptische Sekte geworden ist.

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Fragen zur Impfpflicht

Ampulle mit fünf Impfdosen des BioNTech-Vakzins Foto: U.S. Secretary of Defense – https://www.flickr.com/photos/secdef/50721647742/ Lizenz: CC BY 2.0

Bevor ich mir eine Meinung zur Impfpflicht bilde, hätte ich gerne Antworten auf folgende Fragen:

– Wie viele Menschen sind wirklich nicht geimpft?
– Wie viele von diesen Menschen lehnen eine Impfung aus voller Überzeugung ab?
– Wie viele von denen, die die Impfung ablehnen, würden voraussichtlich bei einer Impfpflicht nachgeben und wie viele umgekehrt in den Rechtsstreit gehen?
– Welche Maßnahmen zur Durchsetzung der Pflicht sind vorgesehen und wie wahrscheinlich ist es, dass diese zur tatsächlichen Impfung Unwilliger führen?

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Die Hindenburgstraße ist so wertvoll wie ein kaputtes Fahrrad

Die Hindenburgstraße spiegelt sich im Fenster der Neuen Synagoge Foto: R. v. Cube

Ein Teil der Ruhrbarone-Redaktion sitzt ja gar nicht im Ruhrgebiet, sondern in Mainz. Und hier ist gerade ein Streit neu aufgeflammt, um die Frage, ob man die Hindenburgstraße umbenennen soll. Diese Straße in der Mainzer Neustadt ist eine hübsche, kleine Allee, die sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass sie weitgehend von Bomben verschont blieb, so dass sie einer der wenigen Flecken in Mainz ist, der noch den Charme der Jahrhundertwende-Architektur ausstrahlt. Der Name ist Programm. Außerdem liegt hier die eindrucksvolle Neue Mainzer Synagoge.

Der Inhalt des Streits ist rasch zusammengefasst: Die einen wollen die Straße umbenennen, weil Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat und ein Monarchist und Kriegstreiber war, die anderen wollen den Namen so lassen, weil Hindenburg doch nicht so schlimm gewesen sei und weil es Geld koste, alle Personalausweise umzuschreiben. Eine Anwohnerbefragung soll ergeben haben, dass die große Mehrheit gegen eine Umbenennung ist. Es gab eine Historikerkommission, die minutiös ausgerechnet hat, zu wieviel Prozent Hindenburg ein Nazi war, und die zum Ergebnis kam, dass die Nazihaftigkeit nicht die Schwelle erreichen würde, bei der man die Straße umbenennen muss. Da waren die Konservativen erleichtert, aber jetzt haben die Linken einen neuen Vorstoß gemacht und es könnte sein, dass die Straße von einer Mehrheit aus Linken, SPD und Grünen doch noch umbenannt wird.

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Thomas Gottschalk ist ein Meister im Unterbinden von Kommunikation

Thomas Gottschalk. Quelle: Wikipedia, Foto: Thomas Schmidt (NetAction), Lizenz: CC BY-SA 3.0

Zuerst habe ich mich, ehrlich gesagt, gefragt, ob Gottschalk etwas senil geworden ist. Da waren immer so seltsame Pausen. Es wirkte alles so asynchron. Vielleicht ist man aber auch einfach keine Pausen mehr gewöhnt, vielleicht ist Fernsehen heute so durchgetaktet, dass Gottschalks Timing einfach behäbig wirkt. Was jedenfalls wieder deutlich wurde: Gottschalk ist geradezu begnadet darin, Kommunikation zu unterbinden. Und das ist auch das Geheimnis seines Erfolgs.

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