
Eigentlich schien die Nachfolge an der Vereinsspitze von Borussia Dortmund klar geregelt. Hans-Joachim Watzke, seit Jahren das Gesicht des BVB und maßgeblicher Architekt des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs nach der Fast-Insolvenz 2005, hatte sich in Stellung gebracht, im November 2025 auf Präsident Dr. Reinhold Lunow zu folgen.
Ein Übergang im Sinne der Kontinuität, so schien es – geplant, abgestimmt, beinahe schon besiegelt. Doch nun könnte ausgerechnet Lunow selbst dem langjährigen Geschäftsführer einen Strich durch die Rechnung machen. Wie aus Vereinskreisen durchsickerte, denkt der 71-Jährige darüber nach, doch für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Für Watzke wäre das mehr als nur eine Formalie – es wäre eine völlig unerwartete Machtprobe innerhalb des eigenen Vereins.
Reinhold Lunow, seit 2022 Präsident des e.V., hat sich in seiner Amtszeit den Ruf eines ausgleichenden, integren Funktionärs erworben. Er steht für ein Präsidialamt, das nicht durch die schillernde Außendarstellung früherer Zeiten glänzt, sondern durch Sachlichkeit und Vereinsnähe. Lunow verkörpert eine Form der Vereinsführung, die bei Teilen der Basis durchaus auf Sympathie stößt – gerade weil sie sich von der wirtschaftlich geprägten Aktiengesellschaft BVB KGaA deutlich abhebt. Dass er nun offenbar ernsthaft erwägt, seine Arbeit fortzusetzen, dürfte kein Zufall sein. Es ist auch ein Signal: Das Präsidialamt soll kein Versorgungsposten für einen verdienten, aber seit Jahren immer umstritteneren Geschäftsführer sein.
Denn genau dieser Eindruck haftet Watzkes geplanter Kandidatur an. Nach fast zwei Jahrzehnten an der Spitze der KGaA will sich der 65-Jährige nun an die Vereinsspitze setzen – ausgerechnet in einer Phase, in der sich immer mehr Fans nach weniger Kommerz und mehr BVB-Familie sehnen. Watzke steht wie kein Zweiter für die wirtschaftliche Professionalisierung des BVB, aber eben auch für die zunehmende Entfremdung zwischen Basis und Führung. Die Proteste rund um den umstrittenen Rheinmetall-Deal im vergangenen Jahr ist dafür nur ein Beispiel. Während Watzkes Verdienste um den Klub unbestritten sind, gilt er vielen inzwischen als Symbol für eine Ära, in der Tradition allzu oft dem Kommerz geopfert wurde.
Hinzu kommt: Die Personalie Watzke ist innerhalb des Vereins längst nicht unumstritten. Kritiker verweisen auf seine starke Rolle im DFL-Präsidium und seine aufgebaute Nähe zu bei den Fans besonders unbeliebten Spitzenfunktionären wie Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern München. Dass er nun auch noch Präsident des e.V. werden möchte, lässt bei manchem die Alarmglocken schrillen: Droht hier etwa eine Machtkonzentration, die dem Selbstverständnis eines mitgliedergeführten Vereins in den Augen vieler an zu vielen Stellen widerspricht?
Lunow könnte nun zum Gegenpol werden – nicht aus persönlicher Rivalität, sondern aus Prinzip. Sollte er tatsächlich erneut kandidieren, hätte Watzke plötzlich einen ernstzunehmenden Gegenspieler – einen, der nicht auf offene Konfrontation setzt, sondern auf Kontinuität im Sinne des Vereins.
Es wäre eine Wahl, die mehr wäre als eine Personalentscheidung wäre. Sie würde zur Richtungswahl für den BVB: Will man einen Präsidenten, der für wirtschaftliche Macht steht – oder einen, der den Verein wieder näher an seine Mitglieder rückt?
Klar ist: Die Vereinsführung steht vor einer heiklen Phase. Was als glatter Übergang geplant war, droht zur Zerreißprobe zu werden. Und Hans-Joachim Watzke muss sich nun mit einer Frage auseinandersetzen, die er vielleicht nicht erwartet hatte: Ist sein Kurs wirklich noch der, den die Basis des BVB mittragen will?
[…] Er war laut, leidenschaftlich und ein Kind seiner Stadt – der Inbegriff des Malocher-Typs, der bei Borussia Dortmund zum Kultspieler aufstieg. Doch ebenso rasant wie sein Aufstieg verlief auch sein Fall. Heute steht […]