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Alles außer Pop – The Cure IV – Pornography

Nach einer längeren Pause geht es endlich weiter mit unserer Reise durch alle The-Cure-Alben. Und es ist vielleicht kein Zufall, dass ich gerade vor diesem Album so lange gezögert habe. Dabei habe ich sogar schon mal darüber geschrieben und muss eigentlich nur einen Teil meines letzten Textes hier reinkopieren (damals ging es um die Cover-Version des Albums durch Damnation a.d.)

Damals schrieb ich:

Es gehört zu den Wundern der Menschheit, dass manche Leute Kunst schaffen, statt sich das Leben zu nehmen. Was dabei entsteht, ist Kunst, die ihrerseits Leben retten kann. In einer Therapie wirkt es oft schon, dass einem jemand hilft, die Verzweiflung in Worte zu fassen. Und auch Musik tut das gelegentlich. Ich weiß nicht, von wievielen Menschen ich schon gehört habe, dass The Cure für sie genau diese Rolle gespielt haben. Jedes Cure- Album hat seine eigene Stimmung. Die trostloseste von allen hat Pornography. So sehr, dass hier eben vielleicht nicht mehr Trost zu finden ist, sondern das Gegenteil.

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie ich diese Musik das erste mal gehört habe. Es dürfte 25 Jahre her sein. Nach dem ersten Durchgang von Pornography beschloss ich, diese Platte so schnell nicht wieder zu anzustellen. Nicht, weil ich sie nicht gut gefunden hätte. Sondern weil ich Angst um mein Leben hatte. Wenn hundert Jahre Verzweiflung drohen, wenn das Leben so kalt ist, wie es in Cold beschrieben wird, dann liegt es nahe, es zu beenden. Ich musste mich vor der Macht dieser Platte schützen. Ich wollte sie mir aufheben, für eventuelle zukünftige, vollends schwarze Tage. Natürlich habe ich die Pornography in den darauffolgenden 25 Jahren trotzdem noch oft gehört, aber beileibe nicht so häufig wie alle anderen Alben von The Cure

Der Sound von Pornography ist eigentlich gar nicht so viel anders als der der benachbarten Alben Seventeen Seconds und Faith. Aber die Dissonanzen, die gruseligen Soundschichten, der Gesang und die Texte – alles hebt die Verzweiflung auf ein Level, das schwer zu ertragen ist. Die Faith hat für mich trotz aller Düsternis eine friedvolle Grundstimmung. Vielleicht ist auch Faith ein Album, um sich zu suizidieren – aber wenn man alt ist und seinen Frieden gemacht hat und mittels einer watteweichen Tavor-Überdosis und nicht durch den Sprung von einem grauen Hochhaus auf eine eisige Straße. So wiederholt Robert Smith dort ja auch die nach Ruhe-in-Frieden klingende Zeile: „There’s nothing left but faith“.

Auf der Pornography hingegen, dramaturgisch ganz ähnlich, aber inhaltlich konträr: „I will never be clean again“. Das einzige Stück, das ein wenig die Faith-Atmosphäre heraufbeschwört, ist für mich Strange day, aber nur bis zu dem Moment kurz vor dem Schluss, wo die Songstruktur plötzlich aufbricht und Smith nach den tröstlichen Worten „held for one moment I remember a song, an impression of sound“ etwas ganz anderes in die abrupte Stille singt: „then everything is gone forever.“

Da gibt es eigentlich nicht viel zu ergänzen. Nehmen wir also mit diesem Selbst-Zitat Anlauf, um die Reihe fortzusetzen und nächstes mal auf den völligen Bruch einzugehen, der nach dem Jahrhundert-Album Pornography auch kaum zu vermeiden war.

Hier gibt es die bisherigen Teile:

Alles außer Pop – The Cure I

Alles außer Pop – The Cure II – Seventeen Seconds

Alles außer Pop – The Cure III – Faith

 

Der Autor schreibt hier alle zwei Wochen über Musik. Über Musik redet er auch im Podcast Ach & Krach – Gespräche über Lärmmusik.

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