Schalker-Fanproteste gegen Tönnies wandeln auf schmalem Grat

Foto: Michael Kamps

Die Lage auf Schalke bleibt kurz vor dem Pflichtspielauftakt der ‚Knappen‘ im DFB-Pokal am kommenden Wochenende unruhig. Nach den von vielen als rassistisch empfundenen Äußerungen von Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies in der Vorwoche (wir berichteten), und seiner am gestrigen Mittwoch verkündeten dreimonatigen Auszeit, ebbt die Welle der allgemeinen Empörung über die Abläufe und bisherigen Konsequenzen nicht ab.

Große Teile der Fans hätte sich offensichtlich dann doch eine nennenswertere Strafe für den Fleischfabrikanten Tönnies gewünscht, diese sogar erwartet. Wichtige Fan-Gruppierungen fordern aktuell weitergehende Konsequenzen ein.

Auch für die Ultras Gelsenkirchen sind die bisherigen Konsequenzen nicht weitreichend genug. „Das Ergebnis des Ehrenrates ist für uns in keiner Art und Weise akzeptabel“, hieß es in einer dazu veröffentlichten Stellungnahme.

„Es ist das zweite Mal in der jüngeren Vergangenheit, dass der Ehrenrat im Fokus der Mitglieder und Medien steht. Zuletzt war es beim Aufsichtsrat Dr. Horn der Fall. Ihm wurde unsportliches Verhalten vorgeworfen, da er versucht haben soll, Clemens Tönnies zum Rücktritt zu bewegen. Der Ehrenrat suspendierte Dr. Horn daraufhin für zwölf Monate von seinem Amt.“

Daher stellt sich für die Ultras derzeit die Frage, inwiefern ein „unsportliches Verhalten“ also schlimmer zu werten sei als ein „diskriminierendes“.

„Vergleicht man diese beiden Fälle und vor allem den immensen Imageverlust des FC Schalke 04 e.V., so wird das Verhalten des Ehrenrats zur Farce. An dieser Stelle muss man sich fragen, ob der Ehrenrat mit zweierlei Maß misst und inwiefern er unabhängig urteilen kann.“

Durchaus nachzuvollziehen, diese Argumentation, wie auch ich finde.

„Die jahrelange Antirassismus-Arbeit auf Schalke wird durch diese Entscheidung nicht nur mit Füßen getreten. Dieser Beschluss schädigt das Image unseres Vereins nachhaltig“, so die organisierten Fans auf ihrer Homepage.

Die Entscheidung des Ehrenrates, Tönnies habe „gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen“ ist den Ultras zu milde.

Klingt edel und ist sicherlich auch gut gemeint. Das Problem ist nur, dass die Schalker Nordkurve selber erst in diesem Frühjahr durch krasse öffentliche Äußerungen unangenehm auffiel, die dem Ansehen des Vereins im Rest der Republik wohl ebenfalls nicht gerade gut getan haben.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den vergangenen April, als Teile des Anhangs der Königsblauen beim Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt (1:2) gegen Ex-Spieler Christoph Metzelder übelst ausfällig wurden.

„Identität zählt bei unserem Verein.“ hieß es damals auf einem nicht zu übersehenden Banner. Es folgte die wenig schmeichelhafte Ergänzung Metzelder sei „ein Zeckenschwein“. Zum Ausdruck gebracht werden sollte damit damals die entschlossene Ablehnung Meztzelders für eine damals öffentlich diskutierte zukünftige Funktion als Sportdirektor der Schalker.

Da stellt sich einem doch sofort die Frage: Entsprechen solche beleidigende Äußerungen und Banner denn nach dem Empfinden der Fans in Schalke dem edlen Leitbild des Vereins? Ist das so aus Sicht der Ultras vertretbar oder/und dem Image des Klubs förderlich?

Ich habe da gehörige Zweifel, ehrlich gesagt…. Und ob daher gerade die Ultras in Gelsenkirchen die geeigneten Ratgeber für Moralfragen in der Causa Tönnies sind, das möchte ich hiermit auch erst einmal anzweifeln. Es ist und bleibt ein schmaler Grat, auf dem hier gewandelt wird.

 

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hannes
hannes
4 Jahre zuvor

Metztelder ist ein zeckenschwein ? an dieses Plakat kann ich mich nicht errinern , hast evtl ein bild davon ?

sven
sven
4 Jahre zuvor

bei der aussage der fans wurde wenn überhaupt eine person "beledigt"

bei der aussagen von Tönnies , jedoch ein ganzer Kontinent pauschal beleidigt

kann man nicht vergleichen

K.-Georg
K.-Georg
4 Jahre zuvor

Ganz klarer Fehltritt von Tönnies, das Strafmaß zu gering. Teile der Ultras sollten sich aber mit ihrer Kritik aus meiner Sicht etwas zurückhalten. Man kann aber auch gerne jedem Pyro-Zünder (pyro ist im Stadion verboten, außerdem gefährlich) , oder jedem Chaoten der sich zu einer Schlägerei unter Fangruppen hinreißen lässt, jedem der anderen eine Bierdusche verpasst usw, usw., die Mitgliedschaft entziehen oder ein lebenslanges Stadionverbot verhängen.
Einfach mal drüber nachdenken!

Mutbürger
Mutbürger
4 Jahre zuvor

Ein klarer Fehlschluss ist – und das gilt eigentlich immer – dass eine gesamte Fanszene / Kurve eine Meinung teilt, nur weil innerhalb dieses Bereichs ein Transparent hochgehalten wird. Gerade wenn es unten passiert, kriegt der Rest der Kurve häufig gar nicht mit, was da drauf steht.
Daher sind das hochgehaltene Banner und die Meinung der breiten Masse zu Tönnies jeweils ein Apfel und eine Birne.

Matthias Uebbing
Matthias Uebbing
4 Jahre zuvor

Ich möchte mich an dieser Stelle bei dem "Team und den Autoren von RuhrBarone"
SEHR HERZLICH bedanken für die "kritische und äußerst kompetentente Berichterstattung" !
Ich bin Niederrheiner, fühle mich aber dem Ruhrgebiet sehr eng verbunden.
Daher bin ich sehr glücklich, von Euch regelmäßig informiert zu werden.

> Leute, Ihr macht eine "super Arbeit". <

Bitte unbedingt weiter so !

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
4 Jahre zuvor

Es ist doch im kleinen Fußball-Universum "logisch", dass Fans untereinander sakrosankt sind und dass Ultras sich niemals selbst kritisieren würden. Da das "Establishment" nicht zum eigenen Kleinuniversum zählt, sind also weder Metze noch Tönnies sakrosankt, sondern entweder qua schwarzgelber "Abstammung" oder mit dumpf-rassistischen Altherrenwitzen auf Altherrenveranstaltungen "vereinsschädigend". So hält man halt sein wohlig-simples Schwarzweiß-Bild am Leben.

Trotzdem würde ich nicht behaupten wollen, dass die Ultras im Fall Tönnies Unrecht haben, da dessen Innenwirkung auf die Vereinsbelange nun mal tausendfach intensiver und in einer Krise auch gefährlicher sind als eine mögliche Bewerbung eines Ex-Spielers.

Mutbürger
Mutbürger
4 Jahre zuvor

@Robin Patzwaldt
Naja, der Effekt der jeweiligen Aktionen ist doch folgender: Nach dem Transparent weiß die abstrakte Öffentlichkeit, dass die Schalker Fans die "Zecken" (Dortmunder) hassen und dabei extrem schlechten Stil zeigen.
Bei Tönnies Rede steht nun zu befürchten, dass international gedacht wird, Schalke wäre ein Klub von Rassisten und duldet Rassismus in seinen Reihen. Oder sanktioniert ihn zumindest nicht ausreichend. Leidtrangende: Alle auf diese Weise rassistisch diffamierten Menschen und die vernünftige Schalker Gemeinde (und auch z.B. die Fan-Ini, die unermüdlich gegen Rassismus und Homophobie im Schalker Umfeld kämpft).
Für dich als Dortmunder mag das ungefähr gleich schlimm sein, für mich als Schalker ist es das irgendwie nicht. Und obwohl ich das Transparent auch überflüssig und stillos finde, kann ich dabei missbilligend mit den Schultern zucken. Bei dem dumpfen Rassismus von Tönnies allerdings nicht. Apfel / Birne.

thomas weigle
thomas weigle
4 Jahre zuvor

Wie sehr präsidiale Äußerungen Wellen schlagen können, durfte man letztes Jahr beobachten, als Peter Fischer namens des Vereins klar Stellung gegen die AfD und dem ihr eigenen Rassismus Stellung bezog. Das kann CT doch nicht entgangen sein.
Immerhin sind es nicht wenige Fans, die klar Stellung beziehen. Das zumindest ist doch mehr als erfreulich. Hut ab!!

Henk
4 Jahre zuvor

Dürfen sich die organisierten Dortmunder Fans künftig auch nicht mehr bewertend zu moralischen Fragen äußern, weil sie ähnlich heftig oder sogar noch deutlicher zu einer Person wie Dietmar Hopp äußern? Ich finde die Intensität und Form des im Fußball oft anzutreffenden Hass bei Derbys aller gegenüber anderen, mehr oder weniger willkürlich herausgepickten Gegnern mittlerweile nur noch widerlich, aber diese Fehlleistungen auf eine Stufe mit klar rassistischen Äußerungen zu stellen, ist so grob verharmlosend, dass es mich ebenso anwidert. Entschuldigung, dass ich das so deutlich sagen muss.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
4 Jahre zuvor

Gemalte Fadenkreuze mit Hopp-Portrait und "Du Hurensohn!"-Beleidigungen nur wegen der erfolgreichen Arbeit des Vereinsmäzens als "bewertend zu moralischen Fragen" zu bezeichnen und diese unflätigen, immer wieder mit Gewalt drohenden feuchten Hirnabsonderungen mit den "roten Karten" der Schalker Fans und deren eindeutige Position gegen Rassismus allgemein und insbesondere gegen den Rassismus eines Clemens Tönnies zu vergleichen, ist mindestens etwas tollkühn.

*Diese* Geschichte ist übrigens seitens der Fans eine wirkliche Diskriminierung einer einzelnen konkreten Person ohne Anlass und ohne Rassismus-Hintergrund, also das Gegenteil der Tönnies-Rede.

Schalker Fan
Schalker Fan
4 Jahre zuvor

Der übliche Versuch vom Inhaltlichen (die haben mal ein böses Plakat aufgehängt, deshalb dürfen sie keine Kritik äußern) abzulenken. Weiß der Ruhrbarone-Autor eigentlich, wen er da in Schutz nimmt und reinwäscht:

Echte Reue hat Clemens Tönnies (CT) bisher jedenfalls nicht gezeigt: Er hat "sich" einfach nur "entschuldigt", obwohl man bekanntlich um Entschuldigung nur bitten kann. Zudem waren Adressaten "seiner Entschuldigung" noch nicht einmal die wirklich Betroffenen. Gehe mal davon aus, dass CT erst seine PR-Berater dazu anhalten müssen, bevor da noch was (viel zu spät!) kommt.

Weiter fallen mir all die "miesen Spiele" (OT Assauer) ein, die CT und seinen Vasallen im Verein (z.B. Peter Peters, einige Mitglieder im AR und ER) gespielt haben und die zum Teil (z.B. die Fälle Dr. Horn und Hefer, arbeitsrechtliche Prozesse u.a.) nur durch Gerichte gestoppt werden konnten.

Widerlich fand ich zuletzt auch, wie CT sogar auf und rund um Assauers Trauerfeierlichkeiten noch versucht hat die Deutungshoheit zu bekommen über sein Verhältnis zu Assauer. Als Assauer sich noch äußern konnte, da hat er immer wieder auch ganz unmissverständlich gesagt, was er von Tönnies ("ganz mieses Spiel getrieben") hält, z.B. hier (ab 17 min 50 sek):
https://www.youtube.com/watch?v=WkY2zO3IoM0

Übrigens auch in seiner Firma hat CT lange Zeit die Familie des verstorbenen Schalkers Bernd Tönnies, der die Firma gegründet/aufgebaut hat, auf üble Weise ausgebootet: Nur mit Hilfe von Anwälten und Gericht konnte Bernds Familie CT stoppen und so zu ihrem Recht in der Firma kommen.

Auch sonst war CT in der Vergangenheit mit seiner Firma – wenn überhaupt – nur durch Gesetze/Behörden (Zoll- und Steuerfahndung, Kartellamt, Finanzamt) zu stoppen, als er tausende osteuropäische Wanderarbeiter in seinen Billigfleischfabriken systematisch ausgebeutet hat (alleine in Rheda-W. beschäftigt seine Firma bis heute rund 4500 Menschen, von denen nur rund 1500 in einem tariflichen Arbeitsverhältnis stehen; Stichworte "Wegwerfmenschen" und "Geschäftsmodell Ausbeutung") und zudem die Allgemeinheit mit illegalen Preisabsprachen und Steuerhinterziehung mit Cum-Ex-Geschäften betrogen hat.

Kurzum: Wenn es für einen imho keine mildernden Umstände geben darf, dann für CT!

Henk
4 Jahre zuvor

@Klaus Lohmann:
In der Bewertung der Reaktionen auf Dietmar Hopp bin ich weitgehend Ihrer Meinung. Man kann Kritik deutlich und pointiert äußern. Beleidigungen und Drohungen gegen einen völlig legitim agierenden Menschen sind aber nie in Ordnung und zu verurteilen.

Nur nebenbei meine Gedanken zu Hopp und Hoffenheim: Hopp verhält sich aus meiner Sicht nicht unmenschlich, heuschreckenartig, Wettbewerbsregeln oder unmoralisch, sondern eher wie eine Art Werner Kampmann in Bäng! Boom! Bang! ("Richtig so Andy! Die rote Karte zahl ich. Und ihre anderen nehm euch mal 'n Beispiel an'n Andy! Ich will da nich wieder so'n Tuntenballet sehen wie letzte Woche!"): Ein lokaler Unternehmer, der seinen Verein so weit nach oben kauft, wie es nur möglich und in allen Fußballligen in Deutschland nicht nur üblich, sondern gern gesehen ist. Aber selbst wenn man Hoffenheim und Hopp überhaupt nicht leiden kann, ist diese Art von Hass und Kritik falsch.

In diesem Teil fühle ich mich missverstanden:
"Gemalte Fadenkreuze mit Hopp-Portrait und "Du Hurensohn!"-Beleidigungen nur wegen der erfolgreichen Arbeit des Vereinsmäzens als "bewertend zu moralischen Fragen" zu bezeichnen und diese unflätigen, immer wieder mit Gewalt drohenden feuchten Hirnabsonderungen mit den "roten Karten" der Schalker Fans und deren eindeutige Position gegen Rassismus allgemein und insbesondere gegen den Rassismus eines Clemens Tönnies zu vergleichen, ist mindestens etwas tollkühn."
Ich finde eben keineswegs, dass Fadenkreuze & Co. als "bewertend zu moralischen Fragen" zu bezeichnen sind. Wenn es aber eine aktuell eine kritische und nachvollziehbare Dortmunder Fanreaktion auf eine aktuelle rassistische Äußerung eines wichtigten Vereinsvertreters geben würde, würde ich ihr nicht die Hopp-Verfehlungen vorhalten. Das sind zwei paar Schuhe, und die tollkühne Vermischung von beiden kritisiere ich ja an Robin Patzwalds Beitrag, wobei ich es auf Dortmund übertrage (und natürlich genau so gut Beispiele aus etlichen anderen Stadien, inkl. dem von mir präferierten Borussia Park in Mönchengladbach hätte finden können).

Den durchaus sinnvollen und nachvollziehbaren antirassistischen Äußerungen aus Gelsenkirchen stimme ich persönlich zu, unabhängig davon, ob sie sich anderswo falsch äußern. Robin Patzwalds Reaktion, auf den vorletzten Akt der immer wieder derbyfolkloristisch kostümierten Tragödie zu verweisen, in dem die Schalker Protagonisten sich daneben benommen haben, halte ich für Whataboutismus in seiner negativen Form. Wenn die Fans oder eine wichtige Gruppierung im Fußball sich gegen Rassismus im eigenen Verein wendet, hat das immer meine Unterstützung. Und bei einer anderen Gelegenheit sollten wir mal über weitere Hassausbrüche oder sonstige Verfehlungen im Fuball sprechen und diese bekämpfen.

@Robin Patzwald: Die Formulierung im vorletzten Satz meines ersten Kommentars ist falsch. Ich unterstelle Ihnen natürlich keine Verharmlosungsabsicht, deshalb ist es völlig überzogen, von anwidern zu sprechen. Warum ich Ihren Beitrag kritisiere, habe ich geschrieben, die Bewertung aber war zu scharf im Ton. Bitte entschuldigen Sie dies.

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[…] sechs Wochen ist es jetzt schon her, dass große Teile der Gelsenkirchener Anhänger ihre Entrüstung über die Aussetzer ihres Klub-Bosses massiv kritisierten, mit der offenkundig von Tönnies selbst ‚ausgesuchten‘ Bestrafung […]

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