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Von Langeweile, Hilflosigkeit, Fehleinschätzungen und unerwarteten Helden – Eine Bilanz der Bundesligasaison 2020/21

DFB-Pokal und Meisterschale. Foto: Robin Patzwaldt

Seit dem Wochenende ist die Bundesliga-Saison 2020/21 Geschichte. Nur der Ausgang der beiden in dieser Woche angesetzten Relegationsspiele zwischen dem 1. FC Köln und Holstein Kiel ist noch offen. Hier wird der 18. und letzte Erstligist für die Spielzeit 2021/22 ermittelt. Alle anderen Entscheidungen sind gefallen. Der ideale Zeitpunkt also, um einmal kurz zurückzublicken und das Gesehene zu bilanzieren.

Deutscher Meister: Dass sich der FC Bayern München seine neunte Meisterschaft in Folge sichern konnte, ist natürlich keine Überraschung. In München kann sich nach all den Jahren außer den beteiligten Spielern ja inzwischen auch kaum noch jemand für diesen Titel wirklich begeistern. Die Meisterschaften sind bei den Bayern sozusagen das Minimalziel eines Fußballjahres. Das kann nicht gut sein. Weder für den FC Bayern noch für die gesamte Liga. Ändern wird diese Dominanz so schnell trotzdem niemand. Zu überlegen ist der Rekordmeister der Konkurrenz inzwischen in Sachen Finanzen und der Qualität des verfügbaren ‚Spielermaterials‘. Es ist schon irgendwie irre, wenn bei den Münchenern eine Saison mit ‚nur‘ der deutschen Meisterschaft als Errungenschaft inzwischen als Enttäuschung gilt. Anzuerkennen ist diese Leistung natürlich trotzdem. Die Überlegenheit des Klubs ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet. Die Konkurrenz aus Dortmund, Wolfsburg, Stuttgart oder gar Kaiserslautern, die in den vergangenen Jahren selber mal Meister wurde, konnte sich nicht dauerhaft ganz oben halten. Die Dortmunder zumindest mit Abstrichen, Vereine wie Kaiserslautern spielen inzwischen an der nationalen Spitze gar keine Rolle mehr. Das Alles hat ja Gründe. Die Bayern haben es einfach besser gemacht aus ihren Möglichkeiten das Optimale herauszuholen.

Borussia Dortmund: Der BVB beendete die Saison als Pokalsieger und landete in der Liga am Ende auf Rang drei. Auf dem Papier war die Saison 2020/21 in Dortmund also ein Erfolg. Das Gefühl aktuell ist auch positiv. Eine Siegesserie und der Erfolg beim Pokalfinale in Berlin haben den Fans das Gefühl vermittelt, dass es mit den Borussen nach einer enttäuschenden Saisonmitte jetzt wieder aufwärtsgeht. Dumm nur, dass sich die Dortmunder in der Saisonmitte zu einem Trainerwechsel in diesem Sommer entschieden haben. Übergangstrainer Edin Terzic war im Februar noch für zu ‚leicht‘ empfunden worden, soll durch Marco Rose ersetzt werden, der bisher Borussia Mönchengladbach betreut hatte. Im Nachhinein werden viele Beobachter im Umfeld des BVB das als einen Fehler bezeichnen. Aber betrachtet man es nüchtern, waren in der Saison einfach zu viele Rückschläge beim BVB dabei. Der Kader wirkte unreif und schien ein Mentalitätsproblem zu haben. Auch wenn man die Kurve im Frühjahr 2021 noch bekam, dies sollte bei der Planung der Zukunft schon eine Rolle spielen. Es müssen weitere überlegte Aktionen her, wenn die Westfalen den Rückstand auf die Bayern wieder verkürzen wollen. Zuletzt musste man sich mehr mit Vereinen wie Leipzig, Wolfsburg und Frankfurt um die Rolle des Kronprinzen balgen, als dass man sich als Bayernjäger etablieren konnte. Das kann Klub-Boss Aki Watzke nicht gefallen haben.

FC Schalke 04: Puh, was war das für eine harte Phase für die Schalker. Dass diese Spielzeit für die Gelsenkirchener problematisch werden könnte, das war nach dem enttäuschenden Abschneiden in der zweiten Saisonhälfte 2019/20 ja klar. Mit einer dermaßen katastrophalen Runde hätte aber sicherlich niemand gerechnet. Tabellenletzter und fünf Trainer in einer Spielzeit reichen ja quasi schon aus, um die Saison der Schalker zu beschreiben. Nur 16 Punkte am Ende der 34 Spieltage, sagt dann den Rest. Die Schalker mussten sich häufig mit Tasmania Berlin vergleichen lassen, die bisher immer als Lachnummer der Bundesligageschichte herhalten mussten. Dass einer der teuersten Kader im Fußballoberhaus es nicht hinbekam sich zumindest in einen echten Abstiegskampf zu verwickeln, sondern permanent der Musik hinterherhecheln musste, ist bitter gewesen. Jetzt steigt man ab und niemand vermag, ob der völlig unklaren Zukunftsperspektiven im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich, zu sagen, ob es für den zweiten großen Ruhgebietsklub eine baldige Rückkehr in die 1. Liga geben kann bzw. wird. Auch der Aufstieg des VfL Bochum kann da kein wirklicher Trost sein. Es steht zu befürchten, dass sie sich in Gelsenkirchen noch lange über diese desaströse Saison ärgern werden. Und das zu recht!

Überraschung des Jahres: Neben den Teams aus Wolfsburg und Frankfurt waren es vor allem die Spieler von Union Berlin, die die Fans begeistern konnten. Der Traditionsverein aus dem Berliner Osten erreichte als Tabellensiebter die Qualifikation für die neu geschaffene UEFA Europa Conference League. Auch wenn nicht jeder Spieler im Kader der Unioner über diese Tatsache begeistert war, Max Kruse gab beispielsweise offen zu, dass er da überhaupt ‚keinen Bock‘ drauf hat, zeigt dieser respektable sportliche Erfolg doch, dass man auch unter schwierigen Bedingungen und mit vergleichsweise wenig Geld relativ viel erreichen kann. In Berlin passt es einfach gut. Zumindest bei Union. Bei Hertha sah es hingegen völlig anders aus. Aber das wäre ein anderes Thema….

Enttäuschung des Jahres: Natürlich müsste man streng genommen auch hie den FC Schalke 04 benennen. Aber neben den Gelsenkirchenern gab es natürlich noch einige andere Vereine, die die in sie gesetzten Erwartungen deutlich verfehlt haben. Zu nennen sind da natürlich Absteiger Werder Bremen und auch Relegationsteilnehmer 1. FC Köln. Beide Traditionsklubs zeigten nur selten, dass sie Vereinen wie Arminia Bielefgeld oder auch dem FSV Mainz 05, die beide mit deutlich schwierigeren, da kleineren Umfeldern umzugehen haben, eigentlich überlegen sein müssten. Da Mainz sich mit einer historisch guten Rückrunde vom Tabellenende entfernen konnte und auch die Arminia aus Bielefeld, obwohl auch sie nur selten wirklich zu begeistern vermochte, sich zumindest mit solider Arbeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten bewährt hat, traf es die Bremer als direkten Absteiger. Köln kann gegen Kiel noch den Klassenerhalt klarmachen. Dann hätte sich der FC gerade noch so mit einem blauen Auge gerettet. Aber eine enttäuschende Saison wäre es auch dann noch. Es ist immer schade, wenn Klubs mit solch emotionalen und großen Fangemeinden absteigen müss(t)en, während aus dem Unterhaus kleine Vereine wie Fürth und Kiel für sie nachrücken würden. Der Liga tut der Abgang weiterer Großer wie dem HSV, Hannover 96, Kaiserslautern etc.. schon seit Jahren weh. Jetzt kommt Bremen noch dazu, vielleicht auch Köln. Das ist schon beklagenswert.

Was sonst noch hängenbleibt: Das Jahr ohne Fans in den Stadien war insgesamt hart. Es hat viel Begeisterung und Emotionen gekostet. Hoffentlich nicht dauerhaft. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass die neue Saison diesbezüglich wieder besser werden könnte. Ob dann aber auch die große Leidenschaft für diese Liga bei allen auf Anhieb zurückkommen wird, ist eher zu bezweifeln. Sportlich wird die Saison 2020/21 auch dadurch in Erinnerung bleiben, dass Ex-BVB-Stürmer Robert Lewandowski beim FC Bayern den uralt-Torrekord von Gerd Müller aus den 1970er-Jahren übertreffen konnte. Lewandowski traf 41 Mal und überbot damit Müller, der es einst auf 40 Saisontreffer brachte. Dass der Pole dies geschafft hat, ist eigentlich unglaublich, galt der Torrekord doch schon seit Jahrzehnten als quasi unerreichbar, da sich der ‚moderne Fußball‘ weiterentwickelt hätte. Dass Lewandowski es doch schaffte ist einerseits bewundernswert, zeigt aber auf der anderen Seite auch die riesige Überlegenheit des FC Bayern. Und das auch an dieser Tatsache noch einmal zu erkennen, ist wiederum gar nicht schön….

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Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Robin,
mir fehlt in Deiner Bilanz der "Posten": Wertigkeit des Bundliga-Fußballs 2020/2021 in Zeiten der Corona-Pandemie".

Dier Bundesliga-Fußball nebst der Kommentare und des Austausches von Meinungsverschiedenheiten vor und nach jedem Spiel -u.a. hier bei den Ruhrbaronen- haben mir sehr geholfen, nicht ständig über die Corona-Pandemie, ihre Ursachen, ihre Bekämpfung und ihre Folgen nachzudenken. Das ist für mich "ein Wert an sich", ein hoher.

Ansonsten :
Ich vermute, daß der Abstieg von S04 und der Abstieg von Werder, die mich nicht völlig überrascht haben, für die beiden Vereine negative Folgen haben , die weit über die Spielzeit 2021/2022 in Liga 2 hinausgehen, die sogar das Potential einer Existenzgefährdung beider Vereinen haben und die zudem über den Fußball hinaus beiden Städte zusätzliche soziale, wirtschaftliche, finanzielle Probleme bereiten werden..
U.a. deshalb ist mir als BVBer vor allem der Abstieg von S04 nicht egal und schon gar nicht Anlass zu Schadenfreude. Gleiches gilt für mich als Bürger aus der Nachbarschaft Gelsenkirchens.
Mit mehr als guten Wünschen an S04, an den Verein, an die Fans und an die Bürgerschaft in GE kann ich allerdings nicht aufwarten.

Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Robin,
da Du ja in Sachen BVB immer "nah am Ball" bist:
Gibt es Neuigkeiten zu Terisic? Bleibt er? Bleibt er als Co-Trainer?
Das interessiert mich jedenfalls mehr als die Verpflichtung von Flick als Löw-Nachfolger.

Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Robin, danke für die Info.
Und "bliebt bitte weiterhin am Ball",

Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Robin,
alles Gute für Dich.
Hoffentlich kannst Du Dich alsbald wieder mit großer Freude dem Fußballsport im allgemeinen und dem BVB im besonderen zuwenden.

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