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Ruhrtriennale: „Stefanie Carp hat´s vergeigt. Wir brauchen jemanden, der es kann.“

Thomas Hüser Foto: Privat


Thomas Hüser gehört zu den bekanntesten PR-Beratern des Ruhrgebiets: Zu seinen Kunden zählten der Initiativkreis Ruhr und der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der Gründungssprecher des bischöflichen Rates für Wirtschaft und Soziales des Bistums Essen fordert einen kommunikativen Relaunch unter einer neuen Intendanz. Auch, um die Marke Ruhrtriennale in Zukunft attraktiv für Sponsoren zu erhalten. Und das Image des Ruhrgebiets nicht weiter zu beschädigen. Mit Thomas Hüser sprach Stefan Laurin.

Ruhrbarone: Die Berichterstattung über die Ruhrtriennale wird national wie international von der Debatte über das Einknicken von Intendantin Stefanie Carp vor der antisemitischen BDS-Kampagne dominiert. Wie kommt so etwas bei Sponsoren an?

Thomas  Hüser: Erst einmal müssen wir ja feststellen, dass der größte Sponsor der Ruhrtriennale ja die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens sind. Allein von der öffentlichen Hand kommen 13 Millionen Euro. Sponsoren werden meist für konkrete Projekte innerhalb der Triennale aktiviert. Das funktioniert prima. Die Sponsoren der Ruhrtriennale haben allerdings als Kultursponsoren einen hervorragenden Ruf: Nehmen wir die Beispiele Kunst Stiftung NRW, RAG-Stiftung, Stiftung der Sparkasse Bochum und  NRW-Bank. Die haben alle keine Scheu, wenn über Kunst kontrovers diskutiert wird. Die sehen Kultursponsoring nicht als Vorgartenpflege, sondern geben mit ihrem Engagement gern gesellschaftliche Impulse.

Ruhrbarone: Die Diskussion schadet ihrem Image?

Hüser: Sie schadet erst einmal der Dachmarke Ruhrtriennale. Von Gerard Mortier, über Jürgen Flimm oder Johan Simons, um nur die zu nennen, waren alle Intendanten nicht nur künstlerisch ambitioniert, sondern auch kommunikativ in der Lage zu erklären, was sie mit dem Geld der Bürger und Sponsoren denn so anstellen wollen. Johann Simons ist ja mit seinen Schauspielern in eine Marxloher Moschee gegangen oder hat sich auf heiklen Feldern wie der Flüchtlingsproblematik geäußert. Und hat damit wichtige Impulse gegeben. Mit diesen Vorbildern vor Augen haben die Unternehmen auch Frau Carp ihr Geld gegeben. Sie wollten der Region was Gutes tun – und dass die Menschen auch erfahren, dass auch ihr Unternehmen sich engagieren. Kultursponsoring ist für Unternehmen zentral, weil es Reputation durch Dialogbereitschaft aufbauen möchten. Da kann man auch mal in eine politische Auseinandersetzung hineingezogen werden. Das schadet nicht, wenn das Niveau stimmt.

Ruhrbarone: Warum ist das Debatten-Niveau unter Carp so abgesackt?

Hüser: Es geht ja bei BDS nicht darum, Israel so zu kritisieren wie man auch Frankreich oder die USA kritisiert, was ja vollkommen in Ordnung wäre, sondern um einen wirtschaftlichen Boykott des Landes, das nur entstanden ist, weil es in Deutschland den Holocaust gegeben hat. Wir haben eine besondere Verpflichtung Israel gegenüber. Das Existenzrecht dieses Landes ist Teil unserer Staatsräson. Das hat Frau Merkel gesagt. Und das sehe ich auch so.

Ruhrbarone: Was würden sie tun, wenn Sie sponsorende und unterstützende Unternehmen beraten würden?

Hüser: Man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, aber man muss die Marke „Ruhrtriennale“ schützen, damit sie für Bürger und Sponsoren  attraktiv bleibt – und nach vorn schauen. Der Stadtrat von München und der Berliner Senat haben sich beispielsweise entschlossen gegen die internationale Anti-Israel Kampagne „Boycott Divestment Sanctions“ gestellt. Ohne Wenn und Aber sagen Berlin und München: Für entsprechende Veranstaltungen solle es künftig weder Räume noch Zuschüsse der Stadt geben. Gleiches sollte das RVR-Parlament beschließen – besser noch der Landtag. Was Berlin und München kann, sollte in Essen und Düsseldorf doch auch möglich sein. Es geht nämlich nicht nur um die Personalie Carp.

Ruhrbarone: Um was geht es denn?

Hüser: Um das internationale Ansehen unserer Region. Stefanie Carp hätte sich nach ihrem ersten Fehlgriff entschuldigen müssen – dann wäre die Sache kommunikativ heilbar gewesen. Nach dem ersten Fauxpas wäre ein Neustart möglich gewesen. Aber weil sie die Young Fathers wieder eingeladen und vor der BDS-Kampagne klein beigegeben hat, ist der Schaden nicht mehr zu begrenzen. Sie hat es vergeigt. Ich würde mich weder als Politiker noch als Sponsor nun in eine Loyalität zu der offensichtlich überforderten Frau Carp zwingen lassen, wenn ich die Ruhrtriennale unterstützen will. Wie der Münchener und der Berliner Bürgermeister ihre weltoffenen Kulturstandorte durch eine klare Absage an den BDS geschützt haben, so muss es auch das Ruhrgebiet und das Land Nordrhein-Westfalen tun.

Ruhrbarone: Also: Carp muss weg?

Hüser: Wir brauchen jemanden, der es kann. Aber das reicht nicht. Wir sollten uns vor der Eröffnung der Ruhrtriennale auch politisch klar positionieren: Wir müssen – wie Berlin und München – klar beschließen, dass wir in NRW keinen Platz für kulturellen Anti-Israelismus haben… Aber wissen Sie, was mich als Ruhri am meisten ärgert?

Ruhrbarone: Was?

Dass jetzt überall in den Feuilletons jetzt diese Super-Sommer Festival-Bilder aus Bayreuth, Bregenz oder Salzburg kommen und wir an der Ruhr nur wieder so eine völlig überflüssige, selbst eingebrockte Debatte wegen politisch verirrter Schotten-Rapper haben, nervt. Da fasst man sich echt an den Kopf….

Mehr zu dem Thema auf den Ruhrbaronen:

Ruhrtriennale: Proteste gegen Antisemitismus

Ruhrtriennale: Kommt Ministerpräsident Laschet nicht zur Eröffnung?

Ruhrtriennale: Carp bekennt sich zum Existenzrecht Israels

Update: Ruhrtriennale: Carp kurz vor dem Rauswurf?

Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp steht zum „Existenzrecht Palästinas“

Ruhrtriennale: Intendantin Carp hat dem BDS in Deutschland zum Durchbruch verholfen – und behält ihren Job

Ruhrtriennale: „Kulturterror absetzen ist keine Zensur“

Ruhrtriennale: Frankfurt zeigt, wie das BDS-Problem gelöst werden kann

Ruhrtriennale: „Der Fehler war, die Young Fathers überhaupt einzuladen“

Ruhrtriennale: Carp und wie wir die Welt sehen

Ruhrtriennale: Wie es jetzt weitergehen muss

Ruhrtriennale: Young Fathers lehnen Einladung ab

Ruhrtriennale: Terror-Sympathisanten bejubeln Stefanie Carps Entscheidung

Ein Herz für Israelhasser: Ruhrtriennale lädt Young Fathers erneut ein

Ruhrtriennale: Fünf Künstler folgen Brian Enos antisemitischem Boykottaufruf

Israelfeindliche Band darf nicht auf Festival spielen 

Ruhrtriennale: Konzert der Young Fathers findet nicht statt

Ruhrtriennale: Young Fathers sollen sich von BDS distanzieren

Young Fathers – BDS-Band stellt neues Album auf der Ruhrtriennale vor


Mehr zu dem Thema in anderen Medien:

Rheinische Post: Kommunikation mangelhaft

Rheinische Post: Ärger um Ruhrtriennale-Chefin

New Music Express: Young Fathers reinvited to German festival after being dropped for supporting pro-Palestinian group

Rheinische Post: Pop und der Israel-Boykott: Roger Waters frohlockt

The Guardian: Ruhrtriennale festival wrong to expel Young Fathers over support for Palestinian rights

Neue Osnabrücker Zeitung: Punktsieg für Populisten: Skandal um Ruhrtriennale

Rheinische Post: Eingeladen, ausgeladen, eingeladen: Young Fathers kommen trotzdem nicht zur Ruhrtriennale

taz: Peinliches Rumeiern

Jüdische Allgemeine: BDS: »Vehikel einer antisemitischen Kampagne

Zeit: Ruhrtriennale: Der Boykott vom Boykott vom Boykott

Tagesspiegel: Ruhrtriennale lädt Young Fathers trotz Antisemitismus-Vorwürfen wieder ein

Kölner Stadtanzeiger: Ruhrtriennale: Streit wegen Boykottaufruf

Rheinische Post: Ärger um Festival: Ruhrtriennale lädt umstrittene Band Young Fathers aus und wieder ein

Westfälische Rundschau: Kulturministerin rüffelt Ruhrtriennale wegen Young Fathers

Jüdische Allgemeine: Ruhrtriennale: Band nach Antisemitismus-Streit wieder eingeladen

Rheinische Post: Kulturfestival im Ruhrgebiet: Boykott-Aufruf: Künstler sagen der Ruhrtriennale ab

Jüdische Allgemeine: »Ruhrtriennale« : Musiker folgen Brian Enos Boykottaufruf

Rolling Stone: Young Fathers: Israelkritische Band von NRW-Festival ausgeladen

Welt: Antisemitische BDS-Kampagne: Young Fathers von Ruhrtriennale ausgeladen

Neue Osnabrücker Zeitung: Morgenland Festival Osnabrück: Wird die Party zum Politikum

Spex: Wegen BDS-Support: Ruhrtriennale lädt Young Fathers aus – Spex Magazin

Jerusalem Post: Germans Music Festival demands Band Young Fathers Reject  BDS

Rheinische Post: Düsseldorf: Ärger um Konzert bei der Ruhrtriennale

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Hans-Joachim Wagner
Hans-Joachim Wagner
5 Jahre zuvor

Selten ein unreflektierteres Interview gelesen … Mutmaßungen, Unwissenheit auf beiden Seiten, populistisches bashing einer Intendantin, die ihre Position an anderer Stelle sehr genau dargelegt hat. Warum geben die Ruhrbarone dem Raum?

Gast
Gast
5 Jahre zuvor

Ich fürchte, es sind nicht nur die verirrten Schottenrapper, die die Triennale den Feuilletons entrücken. Es ist die weltentrückte, naive und ignorante Haltung der Stefanie Carp und ihres Teams, die die Triennale in nationaler und internationaler kultureller Bedeutungslosigkeit versinken läßt.

Am anderen Ende dieser Skala liegt zweifellos seit Jahren das Dortmunder Theater. Da stehen der Carp’sche 'Antisemitismus als Narrativ' den Dortmunder Flashmobs in der rechten Szene gegenüber. Leute, geht nach Dortmund! Dort steht der wirkliche Leuchtturm der Theaterszene in NRW. Kultur, die sich einmischt, die ihre wertvolle Stimme in der Gesellschaft nutzt, aufrüttelt und den puren Unterhaltungscharakter lange schon abgeschüttelt hat. Grandiose und intelligente Inszenierungen, in denen kein Eisen zu heiß erscheint…
Kay Voges als Intendant der Triennale – es wäre ein Griff nach den Sternen.

Andererseits ist es auch wirklich nicht schwer, es besser zu machen als in diesem haltungslosen Marionettentheater des BDS.
Ja, die Triennale 2018 ist vergeigt. Ja, es muß jemand her, der es kann. Und ja, es ist unerträglich, dass auch die Politik nicht in der Lage ist, klare Kante zu zeigen gegen Anti-Israelismus und Antisemitismus. Wie kann es sein, dass einzig die FDP von ihrer Stimme Gebrauch macht?

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