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#BTW2021: Die wohl am schwersten zu treffende Wahlentscheidung seit Jahren

Der Bundestag in Berlin. Foto: Robin Patzwaldt

Deutschland scheint sich in diesen Tagen weitestgehend einig zu sein, dass keiner der drei Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im September 2021 wirklich gut geeignet für den angestrebten Posten zu sein scheint. Die vergangenen Wochen haben immer wieder eindrücklich gezeigt, dass jeder von ihnen genug Angriffspunkte anbietet, die ihn im Grunde sogar als völlig ungeeignet für diese bedeutende Position erscheinen lassen.

Die diversen emotionalen Diskussionen, auch hier bei uns im Blog, haben das auch verdeutlicht.  OK, nehmen wir das jetzt also dann auch erst einmal so als gegeben so hin. Das bringt uns dann nämlich sehr rasch zu der Frage: Was machen wir als Bürger und Wähler denn jetzt aus dieser bedenklichen Ausgangslage?

Deutschland steht unbestritten vor besonders herausfordernden Jahren. Anscheinend traut die große Mehrheit im Lande den ihre politischen Lager repräsentierenden Köpfen den Job an der Spitze nicht zu. Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz, egal welchen Namen man aufruft, sofort setzt ein lautes Aufstöhnen ein. Keine gute Erkenntnis. Es wird uns Wählern wohl nichts anderes übrigbleiben, als unsere Wahlentscheidung zu großen Teilen unabhängig von den die großen Parteien repräsentierenden Kandidaten auf das Kanzleramt zu treffen.

Das sollte auf den ersten Blick auch ganz gut machbar sein, denn die Ausgangslage ist grundsätzlich eigentlich klar. Etwas vereinfacht zusammengefasst: Die Unionsparteien zu wählen bedeutet, natürlich mit leichten Anpassungen an Zeitgeist und Stimmungslager, ein klares ‚Weiter so‘. Konservative und Wohlhabende werden in erster Linie zu dieser Entscheidung neigen. Wer einen deutlichen ökologischen Wandel in der Politik dieses Landes sehen will, der wird wahrscheinlich lieber die Bündnisgrünen unterstützen und auf eine deutlichere Trendwende in der unter CDU-Führung in der Vergangenheit nur moderat angepassten Klimapolitik hoffen.

Die SPD ist seit Jahren in einer üblen Zwickmühle gefangen. Irgendwie steht sie aktuell für nichts davon wirklich, für alles nur so ein wenig. Sie will offenkundig eine ‚grünere‘ und ‚linkere‘ Politik verwirklichen, hat jedoch das Problem, dass sie als Bestandteil der bisherigen Koalition eben auch irgendwie für ein ‚Weiter so‘ steht. Sich da zu profilieren, fällt ihr, zumal personell ausgeblutet, seit Jahren extrem schwer. Dass ihre Umfragewerte im Keller verharren und auch ihr gewähltes Aushängeschild Olaf Scholz irgendwie so niemand wirklich als realistischer Kanzlerkandidat auf dem Schirm hat, erscheint da nur folgerichtig. Extrem wirtschaftsfreundliche Zeitgenossen wählen alternativ vielleicht die kanzlerkandidatenlose FDP, Protestwähler des rechten Spektrums vermutlich lieber die AfD und radikalere Linke halt die LINKE.

Die Fronten für die Bundestagswahl sind also, wenn man sich einmal bei seiner Wahlentscheidung komplett von den Köpfen der Spitzenkandidaten löst, im Kern ziemlich klar.

Am Ende wird es wohl auf eine Grundsatzentscheidung hinauslaufen. Diese fällt, wenn in den kommenden zwei Monaten keine Wunder mehr geschehen, zwischen einer Fortsetzung der Politik der vergangenen Jahre und einer deutlichen Trendwende, hin zu mehr Ökologie.

Das sieht auf den ersten Blick nach einer klaren und einfachen Entscheidung an der Wahlurne im september aus. Dass dies jedoch gar nicht so einfach ist, zeigt schon die Frage danach, wer mit den besonderen Herausforderungen, mit denen wir uns durch Klimawandel und Corona-Pandemie konfrontiert sehen, am besten fertig werden wird. Und dann kommen eben doch auch wieder die Führungspersönlichkeiten der Parteien mit ins Spiel.

Welcher Person und welcher Partei traut man als Bürger zu, diese Kernprobleme in den kommenden Jahren besser zu bearbeiten? Nach den jüngsten Erlebnissen und Diskussionen kommen in Bezug auf beide Lager heftige Zweifel auf. Hervorgetan hat sich da niemand. Unter einer Unions-Führung droht Deutschland die Gefahr, dass der Klimawandel nicht entschlossen genug bekämpft werden wird. Unter einer von den Grünen geführten Regierung kommen rasch Zweifel an einem angemessenen Umgang mit den immensen wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft auf.

Und wenn man als Wähler beides bestmöglich realisiert und umgesetzt haben möchte? Ob eine schwarz-Grüne-Koalition da automatisch die logische und beste Lösung wäre? Und unter wessen Führung wäre das dann günstiger?

Die Wahl im September ist die vielleicht wichtigste seit der deutschen Wiedervereinigung vor 30 Jahren, doch wohl noch nie war die Entscheidung, wenn man denn wählen soll, wohl so schwer zu treffen wie diesmal. Und das eben längst nicht nur aufgrund der drei schwachen Spitzenkandidaten für das Kanzleramt.

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sneaking_beauty
sneaking_beauty
2 Jahre zuvor

Man sollte trotz der allgemeinen Apathie gegenüber Laschet, Baerbock oder Scholz allerdings nicht vergessen, dass vor 2005 auch alle meinten, Merkel könnte mit dieser Frisur niemals Regierungschefin des größten EU-Landes werden. Oder die diversen hämischen Kommentare zu "Turnschuh-Joschka" vor 1998…

Mehr Fokus auf Parteipolitik statt auf einzelne Führungspersönlichkeiten wäre ausdrücklich zu begrüßen, ist aber in der "Kanzlerdemokratie" Deutschland vermutlich noch Wunschdenken. Ich bin ohnehin der Meinung, dass ein Kanzler oder eine Kanzlerin in erster Linie eine gute Regierungsmannschaft zusammenstellen und klug zwischen Koalitionspartnern und Ministerien moderieren muss. Ob man mit dieser Person zusammen ein Bier trinken gehen würde, ist mir dabei im Ergebnis wumpe (dafür gibt's schließlich den Freundeskreis).

Für mich gibt's eigentlich nur zwei Optionen, wer von den beiden das Rennen macht, hängt davon ab, wer sich zuerst klar und unzweideutig zur Mindestlohnerhöhung, einer bundesweiten Mietpreisbremse und/oder zum Grundeinkommen bekennt.

DAVBUB
DAVBUB
2 Jahre zuvor

@ Robin Patzwaldt: Normalerweise wächst der Mensch an seine Aufgaben, von daher besteht immer Hoffnung, egal wer es denn dann wird.

Ke
Ke
2 Jahre zuvor

Lascht wähle ich nicht. Die letzten Monate Bluthochdruck reichten.
Lindner wähle ich nicht. Verschenkte Stimme und eine grausame Landespolitik, die nichts mit liberalen Werten zu tun hat.
Baerbock wähle ich nicht, oder doch? Im Notfall, wenn es keiner sieht?

Warum nicht mal SPD? Eigentlich ist das nicht meine politische Heimat, aber der beste Kompromiss. Scholz ist auch der einzige Kandidat, den ich mir als Kanzler vorstellen kann.

Ali Mente
Ali Mente
2 Jahre zuvor

Da das gesamte linke Spektrum in der Corona-Krise ein Totalausfall ist, bleibt mir als eigentlich Linker diesmal nur die AfD als einzige Option. Traurig aber wahr.

Yilmaz
Yilmaz
2 Jahre zuvor

@Ke:

Früher war die SPD eine Partei für Arbeitnehmer und hat sich für diese auch eingesetzt. Seit die SPD damit begann, nur noch Politik für Menschen zu machen, die ihren Lebensunterhalt nicht selber verdienen, ging es stetig (zurecht) Bergab.

Für Arbeitnehmer ist die SPD schon lange nicht mehr wählbar.

Fabian
Fabian
2 Jahre zuvor

@ Ali Mente

Ali Mente sagt #5: "… diesmal nur die AfD als einzige Option".

Hättest du nicht sagen müssen. Wer einige deiner Kommentare gelesen hat, weiß, dass AFD für dich noch fast zu "links" ist – zu rechts geht ja für dich nicht.

Traurig, welche politische Meinung bei den Ruhrbaronen vorherrscht …

thomas weigle
thomas weigle
2 Jahre zuvor

An Aufgaben wachsen? Wenn fehlerhafte Politik klein machen würde, käme Luschet seit Jahren als Kleinwüchsiger daher.

Enno
Enno
2 Jahre zuvor

Es gibt keine denkbare Konstellation, dass im Herbst die SPD den Kanzler stellen wird.
Entweder bekommen wir Baerbock oder Laschet.
Darum ist das für mich eine sinnfreie Aktion, einen SPD-Kanzlerkandidaten zu küren.
Am Ende wird sogar die FDP noch mehr Stimmen erhalten.

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