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Massive Kritik an Fleischfabrikant Clemens Tönnies auf Schalke: Aber warum eigentlich erst jetzt?

Archiv-Foto: Michael Kamps

Noch immer brodelt es in der Fanszene auf Schalke mächtig. Für den kommenden Samstag wurde parallel zum letzten Saisonspiel 2019/20 gegen den SC Freiburg nun sogar eine Demo am Stadion in Gelsenkirchen angekündigt. Die Kritikpunkte der Anhängerschaft sind dabei vielfältig. Streng genommen passt den Fans aktuell so gut wie gar nichts mehr, was rund um ihren Klub abläuft.

Verständlich, wenn der eigene Verein sportlich nicht nur eine historisch schlechte Rückrunde spielt, dazu finanziell auch noch am Abgrund steht (die Rede ist von rund 200 Mio. Euro Schulden) und zugleich das große Aushängeschild des Klubs, der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies, deutschlandweit aufgrund diverser Verhaltensweisen massiv in der Kritik steht.

Da bleibt einem als treuem Anhänger des traditionsreichen Bundesligisten aus dem Ruhrgebiet echt nicht mehr viel, auf das man womöglich stolz sein könnte, wenn man ein königsblaues Herz hat. Wahrlich keine gute Zeit, um ein bekennender Schalke-Fan zu sein.

Die Kritik, die Teile der Schalker Fans kürzlich in einem offenen Brief gebündelt haben, ist im Kern nicht von der Hand zu weisen. Und doch sind Zweifel daran angebracht, ob Fanproteste am Ende tatsächlich dazu führen können, das Steuer wieder im Sinne der Anhängerschaft herumzureißen.

Es verwundert einen als Beobachter aktuell auch, warum der berufliche Hintergrund des bisher so erfolgreichen Unternehmers Tönnies dem Umfeld in Gelsenkirchen erst jetzt so richtig aufzufallen scheint.

Dass der Aufsichtsratsboss der Königsblauen seine Millionen mit dem wenig Glanz ausstrahlenden Schlachten von Tieren verdient hat, ist ja kein Geheimnis gewesen. Bekannt war der breiten Öffentlichkeit seit vielen Jahren auch, dass die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in diesen Schlachthöfen vielfach extrem mies sind.

Transparent auf der A2 gegen Clemens Tönnies | Foto: Peter Hesse

Vielkritisiert war seit Langem zudem schon, dass das Tierleid in diesen gigantischen Fleischfabriken, wie sie Tönnies sein eigen nennt, enorm ist. Außer ein paar vereinzelten Protesten quer durch die Republik regte sich dagegen trotzdem seit Jahren kaum Protest.

Warum also fällt das Ganze vielen auf Schalke offenbar erst jetzt auf, wo die Corona-Pandemie ganz Deutschland in Atem hält? War der Fanszene der Gelsenkirchener das vorher etwa egal?

Fakt ist, beim SV Werder Bremen regte sich bereits im Sommer 2012 deutlich vernehmbarer Widerstand in der Fanszene, als ausgerechnet Geflügelschlachter ‚Wiesenhof‘ der neue Hauptsponsor des Vereins werden sollte. Fans organisierten seinerzeit Proteste, wollten verhindern, dass ausgerechnet eine Firma von so zweifelhaftem Ruf zukünftig mit ihrem Logo auf der Brust der geliebten Trikots von Werder werben darf.

Gebracht hat das in Bremen am Ende alles nichts. Wiesenhof ist noch heute auf jedem Werder-Laibchen präsent.

Hat sich vor dem Frühjahr 2020 irgendjemand auf Schalke daran gestört was Tönnies für eine Firma leitet, unter welchen Bedingungen Leute in seiner Firma arbeiten müssen und was dort konkret mit Millionen von Tieren geschiegt? Wenn ja, dann wurden diese Leute in der breiten Öffentlichkeit zumindest nicht wahrgenommen.

Etwa 30 Transparente hängen zur Zeit auf Schalke  | Foto: Peter Hesse

Es kommt einem daher schon etwas merkwürdig vor, wenn plötzlich alle auf Schalke auf den bösen Herrn Tönnies schimpfen, der doch angeblich so sehr gegen die Werte des Vereins verstößt.

Hat er das, wenn man dieser Argumentation folgen will, dann nicht schon von Anfang an getan? Und warum hat das über die vielen Jahre vor der Saison 2019/20 noch so gut wie niemanden in Gelsenkirchen und Umgebung aufgeregt?

Kann es sein, dass Tönnies gerade zu so einer Art Sündenbock gemacht werden soll, für all das was in der gesamten Fleischbranche und bei den königsblauen Profikickern schon seit Jahren schiefläuft, bisher aber aus irgendwelchen Gründen offensichtlich kaum jemanden gestört hat?

Klar, seine von vielen als rassistisch bewerteten Aussagen vom Herbst sind uns allen auch noch gut in Erinnerung. Aber eigentlich hat sich Clemens Tönnies doch über all die Jahre nicht wesentlich verändert… Oder etwa doch?

Auch auf der So4-Geschäftsstelle wird gegen Clemens Tönnies gewettert | Foto: Peter Hesse

 

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Heinz Gerling
Heinz Gerling
3 Jahre zuvor

Völlig richtig! Das Thema ist seit vielen Jahren bekannt. Nach meiner festen Überzeugung würde Tönnies in Gelsenkirchen völlig anders bewertet werden, wenn es statt des aktuellen traurigen Vereinsrekords von 15 nicht gewonnenen Spielen einen CL-Platz zu feiern gäbe. In Bremen hat das Tönnies-Engagement wohl auch nicht so richtig eingeschlagen!

Wolfgang LACHERMUND
Wolfgang LACHERMUND
3 Jahre zuvor

Tönnies besitzt eine weitere grosse Anzahl von Firmen und beliefert fast alle Discounter und Handelsketten. WIESENHOF gehört wohl nicht dazu – sondern ist im Besitz der PHW – Gruppe

Bochumer
Bochumer
3 Jahre zuvor

Wenn Fußball-Fans ein derart gefestigtes politisches Weltbild hätten, würden sie aufhören, Fußballfans zu sein… und sich um politische Dinge kümmern.

Ich kenne auch VfL-Fans, die in Wohnungen des Sponsors Vonivia hausen.

Und die Russenmafia auf dem Trikot macht sich bei S04 auch nicht gut.

Spannender ist doch, dass CDU und FDP jahrelang nix unternommen haben, um die Missstände zu beheben… und sich nun nicht Mal komisch vorkommen.

Die Politik bewegt sich ohne Skandal in den Medien keinen Meter mehr.

Auch hier im Blog werden Klimawandel und die nötigen Folgen gerne verunglimpft. Und du hattest ja auch Mal einen "Ich kauf gern billig"-Artikel geschrieben. Da habt ihr als Autoren auch mal ein paar Denkanstöße. Ich habe übrigens nichts dagegen, dass Fleisch billig ist. Die Arbeits- und Haltebedingungen müssen aber stimmen. Um die habt ihr euch vor Corona hier nicht gekümmert. Denk Mal drüber nach… Missstände gibt es noch mehr auf der Welt – auch ohne Corona.

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[…] kommt der Ärger um den Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies, die desaströse Finanzlage der Knappen und auch die katastrophale Stimmung im Fan-Lager. Von den […]

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